Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Vergütungen, die der Vermieter von Wohnungen zusätzlich zur Miete für die Ausstattung der Wohnungen mit kombinierten Elektrokohlenherden und elektrischen Heißwasserspeichern von den Mietern erhebt, sind Bestandteile der Miete im Sinne der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten.

Voraussetzung für die Anerkennung einer Wohnung als Arbeiterwohnstätte - von besonderen Ausnahmefällen abgesehen - war, daß die monatliche Miete höchstens 40 RM betrug. Auch bei nur geringer überschreitung dieses Höchstsatzes mußte die Grundsteuerbeihilfe versagt werden.

 

Normenkette

GrStG § 29

 

Tatbestand

Auf den Grundstücken in ...... wurden im Jahre 1941 fünf Wohngebäude fertiggestellt. Die Wohnungen in diesen Gebäuden wurden als Arbeiterwohnstätten im Sinne des § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten vom 1. April 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 437) anerkannt (sogenannte gekorene Arbeiterwohnstätten). Demgemäß wurde den Eigentümern der Arbeiterwohnstätten eine Beihilfe in Höhe der Grundsteuer auf die Dauer von 20 Jahren bewilligt. Der Beihilfezeitraum begann am 1. April 1942.

Anläßlich einer überprüfung der Grundsteuerbeihilfen im Jahre 1954 stellte das Finanzamt fest, daß in allen fünf Gebäuden seit der Bezugsfertigkeit der Wohnungen zu der zulässigen Höchstmiete von 40 RM pro Monat noch ein monatlicher Zuschlag von 1,50 RM für Elektrogeräte (kombinierte Elektrokohlenherde und Heißwasserspeicher) erhoben wurde. Auf Grund dieser Feststellungen hob das Finanzamt die Bescheide über die Bewilligung der Grundsteuerbeihilfe auf. Die Einsprüche der betroffenen Eigentümer blieben erfolglos, ihre Berufungen zum Finanzgericht hatten jedoch Erfolg. Die Entscheidung der Vorinstanz, in der die beiden Berufungen miteinander verbunden wurden, beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Zwar sei der als Sonderzuschlag bezeichnete Betrag als Teil des Mietzinses für die Wohnungen anzusehen, da die bessere Ausstattung in unmittelbarem, engem Zusammenhang mit der Raumnutzung stehe. Die überschreitung der zulässigen Mietzinshöhe sei aber im Hinblick auf die grundlegende Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie den Fortschritt in der Technik seit dem Erlaß der Verordnung vom 1. April 1937 so geringfügig, daß sie nach dem Sinn der Verordnung nicht berücksichtigt werden dürfe. Nach § 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) sei der Verwaltung und der Rechtsprechung vom Gesetzgeber ausdrücklich die Pflicht auferlegt, die wirtschaftliche Bedeutung der Gesetze und die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Diese Pflicht rechtfertige es, insbesondere dann vom buchstäblichen Wortlaut des Gesetzes abzuweichen, wenn andernfalls gerade das Gegenteil von dem erreicht würde, was das Gesetz beabsichtige (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 6/41 vom 13. Februar 1941, Reichssteuerblatt - RStBl - 1941 S. 211).

 

Entscheidungsgründe

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) beigetreten. Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückweisung der beiden Berufungen.

Der Bundesminister der Finanzen hat zur Frage, ob im Streitfall die Grundsteuerbeihilfe rückwirkend entzogen werden konnte, u. a. folgendes hervorgehoben:

"Nach § 1 StAnpG ist bei der Auslegung von Steuergesetzen zwar die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Dies gibt aber noch nicht das Recht, den Höchstbetrag, den der Gesetzgeber in § 2 der VO ziffernmäßig genau festgelegt hat, zu überschreiten. Auch aus dem RFH-Urteil vom 13. Februar 1941 kann ein Recht hierzu nicht hergeleitet werden. Das RFH-Urteil hat ein Abweichen vom Wortlaut des Gesetzes damals nur deshalb zugelassen, weil in dem entschiedenen Fall eine Sachbehandlung nach dem Wortlaut des Gesetzes zu einem gegenteiligen, dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechenden Ergebnis geführt haben würde. Ein Festhalten am Wortlaut des Gesetzes hätte eine Schlechterstellung des Steuerpflichtigen gegenüber anderen Steuerpflichtigen in der gleichen Situation bedeutet. Im vorliegenden Fall würde aber ein Abweichen vom Wortlaut des Gesetzes (überschreiten des Höchstbetrages) eine durch nichts gerechtfertigte Besserstellung der Antragsteller gegenüber den Fällen bedeuten, in denen bei gleicher Sachlage mit Rücksicht auf den vom Gesetzgeber bestimmten Höchstbetrag eine Beihilfe abgelehnt worden ist.

Nach § 29 Abs. 3 des Grundsteuergesetzes (GrStG) sind Wohnstätten, die nach Größe, Art und Ausstattung sowie nach der Höhe der Lasten oder Mieten für die Arbeiterschaft bestimmt sind und von ihr auf die Dauer benutzt werden, als Arbeiterwohnstätten zu behandeln. Die maßgebende Höhe der Lasten oder Mieten ergibt sich aus der zu § 29 Abs. 3 GrStG erlassenen Verordnung vom 1. April 1937. Nach § 2 dieser Verordnung gelten Wohnstätten, die, wie im vorliegenden Fall, nicht mit Reichsmitteln finanziert worden sind, nur dann als Arbeiterwohnstätten, wenn sie in einem besonderen Verfahren als Arbeiterwohnstätten anerkannt worden sind. Für Mietwohnungen war dabei Voraussetzung, daß die monatliche Miete den Betrag von 40,- RM nicht überstieg. Wenn ein zwingendes Bedürfnis bestand, konnte der ehemalige Reichsbürgschaftsausschuß im Einzelfall zwar die Errechnung einer Durchschnittsmiete zulassen (ß 2 Abs. 2 VO). Aber auch in diesen Fällen durfte die sich für alle Wohnungen ergebende Durchschnittsmiete den Betrag von 40,- RM nicht übersteigen. Die teuerste für eine Wohnung erhobene Miete durfte dabei nicht mehr als 50,- RM betragen.

Als Bestandteil der Miete gelten nach Ziff. 20 des RdF-Erlasses vom 1. August 1940 (RStBl S. 769) auch Umlagen, wie sie im vorliegenden Fall erhoben werden. Bei dieser Rechtslage kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Besitzungen niemals als Arbeiterwohnstätten anerkannt worden wären, wenn die richtige Höhe der Mieten bekannt gewesen wäre. Diesen Umstand durfte m. E. auch das Finanzgericht nicht außer acht lassen. Wenn das Finanzgericht heute die Beihilfe für gerechtfertigt hält, so verstößt es mit dieser Auffassung nicht nur gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes, sondern auch gegen den Grundsatz einer gleichmäßigen Behandlung. Für Wohnstätten, deren monatliche Miete den Betrag von 40,- RM / DM überschritten hat (sei es auch noch so geringfügig), ist - von den seinerzeit dem Reichsbürgschaftsausschuß erteilten Sonderermächtigungen für Berlin, Hamburg und München abgesehen - bisher nach § 2 der VO in keinem Fall eine Grundsteuerbeihilfe gewährt worden. Das Finanzgericht würde die erste Ausnahme davon zulassen.

Das Finanzgericht weist darauf hin, daß der Sinn des Gesetzes, tragbare Mieten für die Arbeiterschaft zu erzielen, auch dann noch gewahrt werde, wenn der monatliche Betrag von 40,- RM/DM geringfügig überschritten wird. Der Gesetzgeber hat eine bestimmte Höchstgrenze festgesetzt und damit für Ermessensentscheidungen keinen Raum mehr gelassen. Es kommt deshalb gar nicht darauf an, daß auch Wohnstätten, deren monatliche Miete in geringem Maße über 40,- RM/DM hinausgeht, noch von der Arbeiterschaft bewohnt werden. Ausschlaggebend ist allein, daß der Gesetzgeber sich nach § 2 der VO nur bei solchen Wohnstätten zu einer übernahme der Grundsteuer auf die Dauer von 20 Jahren bereiterklärt hat, bei denen die monatliche Miete 40,- RM/DM nicht übersteigt. Es kann nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, dem Staat eine Verpflichtung aufzuerlegen, die der Gesetzgeber dadurch, daß er den Höchstbetrag für die Mieten ziffernmäßig genau bestimmt hat, niemals begründen wollte.

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum März 1941 gegenüber dem Jahre 1937, dem Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung, bereits wesentlich geändert hatten; denn der Gesetzgeber hat die in der Verordnung festgelegten Höchstbeträge auch in den folgenden Jahren ganz bewußt beibehalten. Die Verordnung galt nach § 4 ursprünglich nur für Wohnstätten, die in der Zeit vom 1. April 1937 bis zum 31. März 1940 bezugsfertig geworden sind. Sie ist alsdann aber bis zum 31. März 1945 von Jahr zu Jahr ohne änderung der Höchstbeträge verlängert worden. Die Vorschrift des § 2 der Verordnung war in der Folgezeit ergänzt worden. Durch die Verordnung zur änderung der VO über die Förderung von Arbeiterwohnstätten vom 18. Januar 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 27) ist für Wohnstätten, die nach dem 31. März 1941 bezugsfertig geworden sind, wahlweise auch eine Höchstmiete (Last) für zulässig erklärt worden, bei der auf bestimmte Beträge je Quadratmeter Wohnfläche, gestaffelt nach Ortsklassen, abgestellt wird. Ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, braucht aber nicht untersucht zu werden, denn die Besitzungen sind bereits vor dem 1. April 1941 bezugsfertig geworden.

Nach § 29 Abs. 4 GrStG, der durch das Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 eingeführt worden ist, kann für eine bestimmte Gruppe von Fällen die Grundsteuerbeihilfe auch nachträglich noch gewährt werden. Der Gesetzgeber hat auch im Jahre 1950 keinen Anlaß gesehen, die Höchstbeträge von 40,- RM/DM irgendwie zu erhöhen oder Ausnahmen davon zuzulassen. Demzufolge sind auch die Fälle, die heute erst zur Neubehandlung kommen, entsprechend den in der Verordnung aufgestellten Grundsätzen zu behandeln.

Das Finanzgericht nimmt des weiteren auf das gemeinsame Rundschreiben des Bundesministers für Wohnungsbau und des Bundesministers der Finanzen vom 22. Februar 1954 (BStBl I S. 46) Bezug. In Abschnitt III Ziffer 3 dieses Rundschreibens ist ausgeführt, daß die Grundsteuerbeihilfe wegen Umlegung von Mehrbelastungen aus Anlaß der seit 1945 bei der Bewirtschaftung des Wohnhausbesitzes eingetretenen Erhöhungen der Betriebskosten (Abschnitt II der VO PR 71/51 vom 29. November 1951, BGBl I S. 920) nicht entzogen werden soll. Für den Streitfall können hieraus aber keine Folgerungen gezogen werden. Die Regelung in Abschnitt III Ziff. 3 des genannten Rundschreibens beschränkt sich ausdrücklich nur auf die seit 1945 eingetretenen Erhöhungen. Dies gilt aber in keiner Weise für den Fall, daß bereits in der Vergangenheit neben einer Grundmiete bereits zusätzliche Gebühren erhoben worden sind. Dies ergibt sich unmißverständlich auch aus der vorangehenden Ziffer 2. Schließlich geht auch § 32 des Ersten Bundesmietengesetzes vom 27. Juli 1955 (BGBl I S. 458) davon aus, daß die Höchstgrenzen der Verordnung vom 1. April 1937 und vom 18. Januar 1943 uneingeschränkt für die Vergangenheit fortgelten.

Das Finanzgericht verweist auch auf die Ausnahmeregelung des § 7 WoBauG. Hierzu besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied. Während in § 7 Abs. 2 Buchstabe b WoBauG gewisse Ausnahmen von den Wohnflächengrenzen vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen sind, ist in den Vorschriften über die Beihilfegewährung eine solche Ermächtigung nicht enthalten...."

Die erste Frage ist, ob Vergütungen, die der Vermieter von Wohnungen zusätzlich zur Miete für die Ausstattung der Wohnungen mit kombinierten Elektrokohlenherden und elektrischen Heißwasserspeichern von den Mietern erhebt, Bestandteile der Miete im Sinne der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten sind. In übereinstimmung mit den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen wird diese Frage bejaht. Die genannten Vergütungen stehen im Zusammenhang mit der Nutzung von Räumen und müssen daher der Miete zugeschlagen werden.

Auch in der zweiten Frage (Entziehung der Grundsteuerbeihilfe) muß den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen beigetreten werden. Voraussetzung für die Anerkennung einer Wohnung als Arbeiterwohnstätte - von besonderen hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen - war, daß die monatliche Miete höchstens 40 RM betrug (ß 2 Abs. 1 der Verordnung vom 1. April 1937). Auch bei nur geringer überschreitung dieses Höchstsatzes mußte die Grundsteuerbeihilfe versagt werden. Der ehemalige Bürgschaftsausschuß und mit ihm das Finanzamt hatten damals auf Grund der unvollständigen Angaben der Beteiligten über die wirkliche Höhe der Mieten angenommen, daß es sich um Arbeiterwohnstätten im Sinne des Grundsteuergesetzes handelt. Tatsächlich war das aber nicht der Fall. Das Finanzamt war daher berechtigt, die in Betracht kommenden Bewilligungsbescheide zurückzunehmen (ß 96 Abs. 2 AO).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 307 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408505

BStBl III 1956, 236

BFHE 1957, 102

BFHE 63, 102

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