Leitsatz (amtlich)
Die Zahlung umsatz- oder gewinnabhängiger Bezüge des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft muß, wenn sie steuerrechtlich anerkannt werden soll, auf einer im voraus getroffenen klaren und nachweisbaren Vereinbarung über die Bemessungsgrundlage der Bezüge beruhen. Der Unsicherheit der Schätzung des voraussichtlichen Umsatzes oder Gewinns kann durch gestaffelte Vomhundertsätze und zusätzlich durch Höchst- und Mindestbeträge Rechnung getragen werden.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist eine GmbH, an der ihr Geschäftsführer zu 3/5 und dessen Ehefrau zu 1/5 beteiligt sind. Das restliche 1/5 der Anteile gehört der Steuerpflichtigen selbst. Seit dem Jahre 1955 zahlte die Steuerpflichtige an den Gesellschafter-Geschäftsführer neben dem Gehalt Tantiemen. Diese betrugen in den Streitjahren 1958 bis 1963 zusammen 26 000 DM.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung rechnete der Revisionsbeklagte (das FA) die Tantiemen, die die Steuerpflichtige in den Streitjahren als Aufwendungen gebucht hatte, als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Gewinn wieder hinzu.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Das FG hat ausgeführt, nach ständiger Rechtsprechung des BFH müßten Vergütungen, die an einen maßgeblich an der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer gezahlt würden, zu Beginn des Geschäftsjahres vereinbart und der Höhe nach bestimmt sein. Zum mindesten müsse, wenn die Höhe sich nach dem Gewinn ausrichten solle, der Berechnungsmodus der Vergütung auf einer vorher getroffenen mündlichen oder schriftlichen Vereinbarung beruhen. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt.
Der Grundsatz von Treu und Glauben stehe der Behandlung der Tantiemen als verdeckte Gewinnausschüttungen nicht entgegen. Bei der früheren Betriebsprüfung im Jahre 1957 seien zwar die Tantiemen nicht beanstandet worden. Aus den Ausführungen des damaligen Betriebsprüfungs-Berichts ergebe sich aber, daß allein die Frage der Angemessenheit in Rede gestanden habe. Selbst wenn der Betriebsprüfer im Jahre 1957 in bezug auf die Tantiemen eine falsche Rechtsauffassung gehabt haben sollte, sei das FA in den Streitjahren daran nicht gebunden gewesen.
Das FA sei auch durch § 162 Abs. 10 AO a. F. nicht gehindert gewesen, die noch nicht verjährten Körperschaftsteuern der Streitjahre nachzufordern. Denn der Steuerpflichtigen werde weder durch diese Vorschrift noch durch die "nicht zur Bekanntgabe geeigneten" Erlasse des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 8. August 1958 S 1540 - 22300 V C - 2 und vom 15. Januar 1960 S 1540 - 33100 - V D - 3 ein vor den FG verfolgbarer Anspruch auf Nichtbeachtung des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO eingeräumt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen.
Die Steuerpflichtige meint, da nunmehr klargestellt sei, daß die Vereinbarung einer Tantieme nicht der Schriftform bedürfe, brauche sie nur noch nachzuweisen, daß die Tantiemen nicht manipuliert, sondern nach klaren und eindeutigen Richtlinien die Jahre hindurch gewährt worden seien. Diesen Nachweis versucht die Steuerpflichtige mit umfangreichen Zahlenangaben zu führen. Aus diesen ergebe sich, daß in den Streitjahren folgende Tantiemepolitik befolgt worden sei: Zunächst seien die endgültigen Gehaltswünsche des ersten Mitarbeiters (Prokuristen) festzulegen gewesen, wobei dessen Tantieme unter der Tantieme des Geschäftsführers habe liegen sollen. Von dem dann verbleibenden Bilanzgewinn habe der Geschäftsführer 40 v. H. erhalten, mal im Hinblick auf die Mitarbeiter-Tantieme aufgerundet, mal abgerundet, zum Teil sogar erheblich abgerundet, stets aber mit dem Ziel, in die Tantiemepolitik - ebenso wie bei den Gewinnausschüttungen - eine gewisse Stetigkeit hineinzubringen.
Die Steuerpflichtige weist dann auf die großen Schwierigkeiten hin, die bei ihr einer auch nur einigermaßen brauchbaren Vorausschätzung der Umsatz- und Gewinnentwicklung in Verbindung mit den endgültigen Gehaltswünschen des für das Unternehmen wertvollen Prokuristen entgegenstünden. Diese Schwierigkeiten hätten es in der Vergangenheit nicht zugelassen und ließen es auch in der Zukunft nicht zu, die Tantiemen des Gesellschafter-Geschäftsführers zahlenmäßig festzulegen. Es genüge, wenn mündlich oder schriftlich festgelegt werde, daß die Tantieme bei 40 v. H. des ausgewiesenen Bilanzgewinns liegen müsse. In dieser Weise sei in der Vergangenheit verfahren worden. Für die Zukunft sei zwar durch Schreiben vom 15. August 1964 an den Gesellschafter-Geschäftsführer eine "Tantieme in Höhe von 40 v. H. vom Bilanzgewinn, mindestens 3 000 DM und höchstens 10 000 DM" zugesagt worden. Dieses Schreiben übernehme aber nur für die Zukunft, was in der Vergangenheit Jahre hindurch praktiziert worden sei. Der Nachweis eines Anspruchs auf Tantieme in Höhe von 40 v. H. des Bilanzgewinns durch ein über Jahre sich erstreckendes steuerliches Verhalten der Gesellschaft sei eindrucksvoller und überzeugender als ein jederzeit austauschbarer Fetzen Papier.
Die Steuerpflichtige beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die auf die streitigen Beträge entfallende Körperschaftsteuer 1958 bis 1963 auf 0 DM festzusetzen, ferner dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, einschließlich der Kosten, die der Steuerpflichtigen im Vorverfahren durch Zuziehung von Bevollmächtigten entstanden seien.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet. Die Tantiemen können nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, da es an einer klaren und nachweisbaren, im voraus getroffenen Vereinbarung über sie fehlt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, deren Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz inzwischen durch Beschluß des BVerfG 1 BvR 495/63 und 325/66 vom 11. Juli 1967 (HFR 1967, 465) bestätigt wurde, kann für einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft mit steuerlicher Wirkung keine Vergütung für eine zurückliegende Zeit vereinbart und keine vereinbarte Vergütung für eine zurückliegende Zeit erhöht werden (BFH-Urteil I 135/65 vom 6. März 1968, BFH 92, 205, BStBl II 1968, 482). Die steuerrechtliche Unbeachtlichkeit rückwirkender Vereinbarungen gilt auch für umsatz- oder gewinnabhängige Bezüge und somit auch für Tantiemen (BFH-Urteile I 96/64 vom 29. November 1967, BFH 91, 151, BStBl II 1968, 234; I 135/65, a. a. O.). In diesen Fällen muß, wie das FG zutreffend ausgeführt hat und wie inzwischen auch das BVerfG durch Beschluß 1 BvR 495/63 und 325/66 (a. a. O.) anerkannt hat, jedenfalls die Bemessungsgrundlage für die Vergütung in ihrem ganzen Umfang im voraus klar und nachweisbar vereinbart werden, d. h., es muß festgelegt werden, welcher Teil des Umsatzes oder des Gewinns als Tantieme gewährt wird (BFH-Urteil I 135/65, a. a. O.).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die einen Rechtsfehler nicht erkennen lassen und daher für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), fehlt es im Streitfall an einer klaren, nachweisbaren und im voraus getroffenen Vereinbarung über die Tantiemen des Gesellschafter-Geschäftsführers. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß sich die Steuerpflichtige nicht klar dazu geäußert habe, ob überhaupt eine Vereinbarung zwischen ihr und dem Gesellschafter-Geschäftsführer - an dessen beherrschendem Einfluß auf die Steuerpflichtige bei der Höhe seiner Beteiligung kein Zweifel besteht - im voraus getroffen worden sei. Auch die Ausführungen der Steuerpflichtigen in der Revision sprechen eher gegen als für eine solche Vereinbarung. Denn die Steuerpflichtige macht im Kern ihrer Revisionsbegründung geltend, daß sie eine jahrelange tatsächliche Übung, wie sie bei ihr vorgelegen habe, als ein besseres Mittel gegen eine willkürliche Beeinflussung des Gewinns betrachte als eine Vereinbarung, die jederzeit geändert werden könne. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Er hält eine klare, nachweisbare und im voraus getroffene Vereinbarung für geeigneter, die engen und oft schwer durchschaubaren Beziehungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zu ordnen und offenzulegen. Schuldrechtliche Beziehungen werden bürgerlich-rechtlich grundsätzlich durch Vertrag begründet und näher geregelt (§ 305 BGB). Das muß auch das Steuerrecht beachten. Der klar abgefaßte und nachweisbare Vertrag, wie ihn das Steuerrecht für das Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer - wie auch in manchen anderen Fällen enger Beziehungen der Beteiligten zueinander, z. B. zwischen Verwandten - fordert, ist in der Bindungswirkung wie auch in der inhaltlichen Bestimmtheit dessen, was die Beteiligten wollen, der tatsächlichen Übung überlegen. Der Senat sieht daher keinen Anlaß, in diesem Punkt von der bisherigen Rechtsprechung des BFH abzuweichen.
Die Unsicherheit einer Schätzung des voraussichtlichen Umsatzes und Gewinnes, auf die die Steuerpflichtige hinweist, besteht mehr oder weniger bei jeder Gesellschaft. Sie bringt gewisse Schwierigkeiten für die Gestaltung einer im voraus getroffenen Vereinbarung über gewinnabhängige Bezüge, wie Tantiemen, mit sich, macht eine solche Vereinbarung aber nicht unmöglich. Ihr kann z. B. durch gestaffelte Vomhundertsätze des Umsatzes oder des Gewinns Rechnung getragen werden, ferner dadurch, daß zusätzlich Höchst- und Mindestbeträge festgelegt werden. Die Steuerpflichtige selbst hat durch das Schreiben vom 15. August 1964 ein Beispiel dafür gegeben, daß eine derartige Vereinbarung möglich ist.
Was die weiteren Fragen anlangt, ob das FA nach Treu und Glauben an die Billigung der Tantiemen bei der Betriebsprüfung 1957 gebunden sei und ob sich die Betriebsprüfung auf mehr als drei Jahre habe erstrecken dürfen, hat der Senat den rechtlich zutreffenden Ausführungen des FG nichts hinzuzufügen.
Fundstellen
Haufe-Index 68458 |
BStBl II 1969, 268 |
BFHE 1969, 1 |