Leitsatz (amtlich)
Macht ein Steuerpflichtiger für die Umstellung seines Geschäftsjahrs auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr Gründe geltend, die ernsthaft und nach den Verhältnissen seines Betriebes einleuchtend sind, darf das FA das Einverständnis in der Regel nicht versagen.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 5 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Revisionskläger (das FA) den Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) die Zustimmung zur Umstellung ihres Geschäftsjahres zu Recht versagt hat.
Die Steuerpflichtigen sind die geschäftsführenden Gesellschafter einer OHG, deren Geschäftsjahr seit ihrer Gründung im Jahre 1930 mit dem Kalenderjahr übereinstimmte. Unter dem 12. Januar 1967 ersuchten sie das FA um die Erteilung seines Einvernehmens zur Umstellung des Geschäftsjahres der Gesellschaft auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. April bis zum 31. März des darauffolgenden Jahres. Rumpfwirtschaftsjahr sollte das Geschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. März 1967 sein. Sie begründeten ihr Vorhaben mit dem Hinweis auf die personellen und technischen Schwierigkeiten der Inventuraufnahme auf den 31. Dezember wegen besonders hoher Lagerbestände am Jahresende (Winterbevorratung) und mit ihrer Absicht, die Gesellschaft an Betriebsvergleichen mit mehreren Unternehmen der gleichen Branche teilnehmen zu lassen, die gleich ihr von dem gleichen Wirtschaftsprüfer betreut würden.
Das FA lehnte die Erteilung seines Einvernehmens ab. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Auf Klage hin verpflichtete das FG das FA, sein Einvernehmen zur Umstellung des Geschäftsjahres der OHG gemäß dem Ansuchen der Steuerpflichtigen zu erteilen. Zur Begründung führte es aus:
Grundsätzlich unterliege die Entscheidung des FA über die Erteilung oder Versagung seines Einvernehmens nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 EStG, das seinem Sinne nach als Zustimmung zu verstehen sei (Urteil des BFH VI 109/64 U vom 12. März 1965, BFH 82, 113, BStBl III 1965, 287), als eine Ermessensentscheidung nur daraufhin der gerichtlichen Nachprüfung, ob das FA mit seiner Entscheidung die Grenzen von Recht und Billigkeit (§ 2 Abs. 2 StAnpG) eingehalten habe (BFH-Urteil VI 303/65 vom 9. November 1965, BFH 87, 293, BStBl III 1967, 111). Im Streitfalle sei jedoch der Ermessensspielraum des FA durch den gegebenen Sachverhalt, insbesondere durch den Antrag der Steuerpflichtigen (mit der Umstellung ihres Geschäftsjahres auf einen bestimmten vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum als Wirtschaftsjahr einverstanden zu sein) so eingeengt, daß das Gericht selbst entscheiden und das FA entsprechend seiner Entscheidung zu handeln verpflichten könne.
Mache ein Steuerpflichtiger für die Umstellung seines Geschäftsjahres ernsthafte betriebliche Gründe geltend, dürfe das FA ihm seine Zustimmung zur Umstellung nicht versagen. Der Hinweis der Steuerpflichtigen auf die bei der OHG am 31. Dezember obwaltenden Umstände sei zwar zur Begründung ihres Antrages nicht geeignet; denn die aus diesen Umständen resultierenden Schwierigkeiten lägen bei den meisten Steuerpflichtigen in mehr oder minder starkem Maße vor. Dagegen sei der Wunsch der Steuerpflichtigen, ihrem wirtschaftlichen und steuerlichen Berater auch für ihr Unternehmen auf der Basis des nunmehr gewählten Abschlußtages eine Vergleichsmöglichkeit mit anderen von ihm betreuten Betrieben ihrer Branche zu schaffen, als ernsthafter betrieblicher Grund für die Umstellung anzusehen. Die mündliche Verhandlung habe ergeben, daß die Durchführung einer solchen Betriebsvergleichsrechnung zwischen der OHG und anderen Unternehmen der gleichen Branche einerseits und ihrem (gemeinsamen) Berater andererseits nicht nur vereinbart, sondern daß die Vergleichsrechnung vermittels eines zur Betriebsanalyse von allen Unternehmen auszufertigenden Fragebogens auch durchgeführt worden sei. Dazu sei es erforderlich, daß zur Ausschaltung von Fehlerquellen für alle Unternehmen von einem gemeinsamen Abschlußzeitpunkt ausgegangen werde, da sich - abgesehen von den Mehrkosten - mit Zu- und Abrechnungen hier nicht arbeiten lasse. Die Steuerpflichtigen, deren Unternehmen zu den kleinsten dieser Gruppe gehöre, hätten sich daher dem bei anderen Unternehmen gegebenen Abschlußzeitpunkt anpassen müssen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Die vom FG als ausreichend für die Umstellung des Geschäftsjahres angesehene Betriebsvergleichsrechnung sei für die örtlich weit auseinanderliegenden und auch strukturell verschiedenen Unternehmen sicherlich interessant, aber nicht betriebsnotwendig. Die aus ihr gewonnenen Erkenntnisse könnten allenfalls zu wirtschaftlichen Erwägungen allgemeiner Art führen. Hinzu komme, daß im Streitfall der Ermessensspielraum des FA nicht so eng sei, daß er dem FG eine eigene Entscheidung erlaube, da das FA die Steuerpflichtigen auf die Möglichkeit des § 39 Abs. 4 HGB verwiesen habe, die für die Zwecke einer Betriebsvergleichsrechnung genüge.
Die Steuerpflichtigen beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Da nur die Rechtmäßigkeit der Versagung des Einvernehmens nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 EStG streitig ist, war allein zu prüfen, ob die von den Steuerpflichtigen für die Umstellung des Geschäftsjahres vorgetragenen betriebswirtschaftlichen Gründe oder die von den Finanzbehörden gegen die Umstellung geltend gemachten öffentlichen Belange überwogen (BFH-Urteile IV 244/65 vom 26. September 1968, BFH 94, 15, BStBl II 1969, 71; I R 167/66 vom 8. Oktober 1969, BFH 97, 257, BStBl II 1970, 85). Bei dieser Abwägung spielt der Hinweis des FA auf die Möglichkeit einer Vor- oder Nachverlegung der Stichtagsinventur keine Rolle, da es den Steuerpflichtigen um das Einvernehmen des FA mit der Umstellung des Geschäftsjahres der OHG und nicht allein um die Möglichkeit einer Vor- oder Nachverlegung der Stichtagsinventur (auf den 31. Dezember) ging.
2. Die Steuerpflichtigen haben vor dem FG vorgetragen, daß sie sich von der Teilnahme an der Betriebsvergleichsrechnung für ihr Unternehmen wesentliche Aufschlüsse über etwaige Rationalisierungsmöglichkeiten erwarteten und daß das Verfahren bereits allen an ihm beteiligten Unternehmen beachtliche Erkenntnisse für Geschäftsführung und Personalpolitik erbracht habe. Dieses Verfahren auf seine Zweckmäßigkeit und Ergiebigkeit für die OHG zu beurteilen, ist grundsätzlich Sache der Steuerpflichtigen. Das FA kann die vorgetragenen Gründe nur daraufhin prüfen, ob sie wirtschaftlich einleuchtend, ernsthaft und deshalb beachtlich sind. Es genügt darum, wenn die geltend gemachten Gründe die oben genannten Voraussetzungen erfüllen; daß die die Umstellung des Geschäftsjahres begründenden Maßnahmen betriebsnotwendig sind, ist nicht erforderlich (BFH-Urteil I R 167/66, a. a. O.).
Der Bescheid des FA vom 17. Januar 1967 und die Beschwerdeentscheidung der OFD vom 23. Juni 1967 enthalten keine Gesichtspunkte, die ein der Umstellung des Geschäftsjahres aus diesem Grunde entgegenstehendes öffentliches Interesse deutlich machten. Daß der vorgetragene Grund nicht gewichtig genug sei, daß der Betriebsvergleich - als ein Vergleich der Umsatz- und Kostenentwicklung sowie der Rohgewinnsätze - auch dann möglich sei, wenn die Vergleichsbetriebe zu zeitlich nicht wesentlich voneinander abweichenden Zeitpunkten abschlössen, greift im Hinblick auf die durch die Umstellung des Geschäftsjahres bewirkte "Steuerpause" nicht durch. Das Interesse der Steuerpflichtigen an einer Rationalisierung ihres Betriebes wiegt schwerer als das öffentliche Interesse daran, in der Regel eine "Steuerpause" nicht eintreten zu lassen. Eine Umrechnung der Lohnaufteilung und aller übrigen Aufwandsposten vom 31. Dezember auf den 31. März des darauffolgenden Jahres zu verlangen, ist - anders als das Verlangen einer Umrechnung der handels- und Werkstattumsätze - nach Ansicht des Senats nicht zumutbar.
Fundstellen
Haufe-Index 425917 |
BStBl II 1972, 87 |
BFHE 1972, 418 |