Leitsatz (amtlich)
Haftet ein Kommanditist auch im Innenverhältnis nur mit seiner Einlage, hat er aber Verluste, die seine Einlage übersteigen, so stellt die Verpflichtung des Kommanditisten, etwaige Gewinne nachfolgender Jahre zuerst zur Deckung eines negativen Kapitalkontos verwenden zu müssen, zum jeweiligen Stichtag noch kein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut dar. Beim Komplementär können entsprechend keine Ausgleichsansprüche entstehen. Soweit aus dem BFH-Urteil III 54/58 U vom 19. Dezember 1958 (BFH 68, 188, BStBl III 1959, 74) eine andere Beurteilung entnommen werden kann, hält der Senat daran nicht fest.
Normenkette
BewG §§ 67, 110
Tatbestand
Das FA hatte bei den berichtigten Vermögensteuerveranlagungen der Eheleute (Kläger) zum 1. Januar 1959, 1. Januar 1960 und bei der ersten Veranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1963 Ausgleichsforderungen für den Ehemann als sonstiges Vermögen angesetzt. Der Ehemann war persönlich haftender Gesellschafter einer unter dem Firmennamen "X & Co." 1958 gegründeten KG, deren Beginn nach dem Gesellschaftsvertrag auf den 1. September 1958 festgelegt worden war. Die Ehefrau und zwei Kinder traten mit Pflichteinlagen in Höhe von je 30 000 DM, die gleichzeitig die Hafteinlagen darstellten, als Kommanditisten in die Gesellschaft ein. Die Kommanditisteneinlagen wurden in bar geleistet. Die Kapitalkonten der Kommanditisten wurden durch Verluste negativ. Das FA setzte folgende Ausgleichsansprüche des Ehemanns gegenüber den Kommanditisten fest: für 1959 68 502 DM, für 1960 685 000 DM und für 1963 371 404 DM. Es setzte von diesen Beträgen Ausgleichsschulden der Ehefrau in Höhe von 24 500 DM für 1959, von 233 610 DM für 1960 und von 112 482 DM für 1963 ab.
Die Einsprüche hatten wegen der Ausgleichsforderungen im wesentlichen keinen Erfolg.
Das FG gab der Klage in vollem Umfang statt und ermäßigte die Vermögensteuer.
Das FG führte in der Urteilsbegründung aus: In den gemeinsamen Vermögensteuerveranlagungen zum 1. Januar 1959, 1. Januar 1960 und 1. Januar 1963 seien dem Ehemann zu Unrecht Ausgleichsforderungen gegenüber den Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto zugerechnet worden. Ebenso sei die Berücksichtigung des negativen Kapitalkontos der Ehefrau als Ausgleichsschuld nicht gerechtfertigt. Der Gesellschaftsvertrag sehe für die Kommanditisten keine besondere Regelung vor, so daß die gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung kämen. Nach diesen begründe das negative Kapitalkonto für den Kommanditisten weder im Verhältnis zu den Gläubigern der KG noch im Innenverhältnis zu den Mitgesellschaftern eine Schuld. Der Kommanditist nehme am Verlust nur bis zum Betrage seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil. Die Rechtsprechung des BFH stehe mit diesem Ergebnis nicht in Widerspruch.
Das FA beantragt mit der Revision, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen. Es macht geltend: Das FG sehe zu Unrecht den Ansatz von Ausgleichsforderungen gegenüber Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto als unzulässig an. Der Kommanditist sei steuerlich wie ein persönlich haftender Gesellschafter anzusehen. Was für die Einkommensbesteuerung gelte, müsse auch bei der Vermögensbesteuerung anerkannt werden.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet. Bei der Veranlagung zur Vermögensteuer ist das Gesamtvermögen des unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Wert anzusetzen, der sich nach §§ 73 bis 77 BewG ergibt (§ 4 VStG). Die Vorschriften in § 67 BewG bestimmen Begriff und Umfang des sonstigen Vermögens. Aus der beispielhaften Aufzählung der zum sonstigen Vermögen gehörenden Wirtschaftsgüter, soweit es sich um Rechte handelt, ergibt sich, daß eine Kapitalforderung nur angesetzt werden kann, wenn sie am maßgeblichen Stichtag entstanden gewesen ist.
Das FG hat unangefochten und damit für den Senat verbindlich festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß im Streitfall der Gesellschaftsvertrag für die Stellung der Kommanditisten keine Besonderheiten enthält und deshalb die gesetzlichen Vorschriften maßgebend sind. Die gesetzliche Regelung für Ausgleichsansprüche schränkt die Haftung der Kommanditisten gegenüber den Mitgesellschaftern ein, da sie durch den Betrag der Pflichteinlage begrenzt wird. Die Kommanditisten waren daher im Streitfall gegenüber dem Komplementär von jeder Haftung frei, da sie ihre Einlage in vollem Umfang geleistet hatten; entsprechend der Regelung des § 167 Abs. 3 HGB nehmen sie nur bis zum Betrag ihres Kapitalanteils am Verlust teil. Mangels einer Erstattungspflicht der Kommanditisten konnte auch keine Ausgleichsforderung bei dem Komplementär entstehen. Die Besonderheiten des Rechts der KG, die u. a. darin bestehen, daß der Kommanditist - sofern keine abweichende gesellschaftsvertragliche Vereinbarung besteht - nur seine Einlage verlieren kann, müssen in der Regel auch im Steuerrecht beachtet werden. Der Kommanditist ist zwar ebenso Gesellschafter wie der Komplementär und damit am Gesellschaftsvermögen beteiligt; dennoch kann die begrenzte Risikobeteiligung im Rahmen des § 167 Abs. 3 HGB (Innenverhältnis) nicht unberücksichtigt bleiben.
Der Senat hat sich in seinem Urteil III 54/58 U vom 19. Dezember 1958 (BFH 68, 188, BStBl III 1959, 74) mit der handelsrechtlichen Lehre zum negativen Kapitalkonto des Kommanditisten auseinandergesetzt und dargelegt, er trete der von Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, § 167 Anm. 3 HGB und Weipert, Handelsgesetzbuch, § 167 Anm. 14, vertretenen Auffassung über die Bedeutung des § 167 Abs. 3 HGB bei, daß auch Kommanditisten passive Kapitalkonten haben können. Nach dieser Auffassung bestimmt § 167 Abs. 3 HGB nur die Grenze der endgültigen Verlusttragung. Die Kommanditisten würden somit mit ihren künftigen Gewinnanteilen an der Deckung früherer Verluste teilnehmen, wären dagegen bei ihrem Ausscheiden oder bei einer Auseinandersetzung der Gesellschaft nicht zur Ausgleichung eines noch bestehenden Passivsaldos verpflichtet. In dieser Entscheidung hat der Senat zwar nicht zu der Frage Stellung genommen, ob ein Komplementär gegen Kommanditisten, deren Kapitalanteil sowohl in der Handels- als auch Vermögensbilanz negativ ist, Ausgleichsansprüche hat. Das Urteil ist aber ganz allgemein dahin verstanden worden, daß es eine gleichartige Behandlung aller Personengesellschaften erreichen wollte. In der Tat konnten die Ausführungen in dem Urteil so verstanden werden, daß nach Auffassung des Senats der Kommanditist auch dann einen negativen Anteil am Einheitswert haben könne, wenn der Gesellschaftsvertrg für die Stellung des Kommanditisten keine besondere Regelung vorsehe. Es ist möglich, daß der Senat damals von der Vorstellung ausgegangen ist, daß die Verpflichtung zur Verrechnung künftiger Gewinne bereits am Stichtag als bestehende wirtschaftliche Belastung anzusehen sei. An dieser Auffassung hält der Senat jedoch nicht mehr fest.
In dem Urteil III 196/57 vom 2. Dezember 1960 (HFR 1961, 93) brauchte der Senat diese Frage nicht zu entscheiden, da die Zuerkennung einer Ausgleichsforderung zugunsten eines Kommanditisten mit positivem Kapitalanteil gegenüber einem Komplementär mit negativem Kapitalanteil die Haftungsbeschränkung des Kommanditisten überhaupt nicht berühren kann.
Soweit im einkommensteuerlichen Bereich zur Frage der Beurteilung negativer Kapitalanteile eines Kommanditisten Entscheidungen vorliegen, sind die Wesensunterschiede zwischen Einkommens- und Vermögensbesteuerung zu berücksichtigen. Bei der Einkommensbesteuerung stellt die Rechtsprechung die Frage der Zurechnung eines Verlustes im wesentlichen darauf ab, wer den Verlust endgültig tragen muß. Der VI. Senat hat in seinem Urteil VI 343/61 S vom 13. März 1964 (BFH 79, 351, BStBl III 1964, 359) die handelsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten erörtert und deren steuerliche Wirksamkeit anerkannt. Der IV. Senat hat in seinem Urteil IV 307/65 vom 25. August 1966 (BFH 87, 130, BStBl III 1967, 69) die Grundsätze des VI. Senats gebilligt. In jenem Streitfall wurden Kommanditisten persönlich über ihren positiven Kapitalanteil hinaus gemäß einer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag mit Verlusten belastet und die Frage eines Veräußerungsgewinns bejaht.
Die Vermögensbesteuerung beruht auf dem Stichtagsprinzip. Da nur das Vermögen besteuert werden kann, das an den Stichtagen tatsächlich vorhanden gewesen ist, kann dem Kläger mangels einer abweichenden Bestimmung im Gesellschaftsvertrag eine Ausgleichsforderung nicht zum sonstigen Vermögen zugerechnet werden, da für die Kommanditisten keine rechtliche Verpflichtung zur Tilgung besteht. Daß die Kommanditisten etwaige Gewinne nachfolgender Wirtschaftsjahre zuerst zur Deckung eines negativen Kapitalkontos verwenden müssen (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 HGB), stellt zum jeweiligen Stichtag noch kein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut dar, da ungewisse Gewinnerwartungen der Zukunft im vorangegangenen Wirtschaftsjahr keine entstandenen Forderungen sind, insbesondere, wenn über mehrere Jahre Verluste eingetreten sind.
Der Senat hat in seinem Urteil III R 154/66 vom 13. März 1970 (BFH 99, 203, BStBl II 1970, 608) in einem sonst anders gelagerten Sachverhalt darauf hingewiesen, daß der Hilfsmaßstab des § 11 Nr. 5 StAnpG, nämlich die Beteiligung am Liquidationserlös dann benötigt wird, wenn sich u. a. nach den Beteiligungsquoten der Gesellschafter ergibt, daß das anteilige Vermögen eines oder mehrerer Gesellschafter negativ ist. In diesem Falle sind die Anteile nach dem Verhältnis dessen zu bestimmen, was dem einzelnen Gesellschafter bei der Auflösung der Gesamthandgemeinschaft zufallen werde. Diese "Fiktion" einer Liquidation zum Bewertungsstichtag der KG bestätigt das Ergebnis, daß eine Ausgleichsforderung des Klägers gegen die Kommanditisten nicht bestanden hat (§ 167 Abs. 3 HGB).
Fundstellen
Haufe-Index 413004 |
BStBl II 1972, 165 |
BFHE 1972, 145 |