Leitsatz (amtlich)
Der Erwerb eines steuerbegünstigten Einfamilienhauses von einem Dritten, der das Haus von dem Bauherrn erworben hatte, war auch dann nicht nach § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 Nordrhein-Westfalen als Ersterwerb steuerfrei, wenn der Dritte für seinen Erwerb deshalb keine Steuerfreiheit erlangte, weil er als juristische Person das Einfamilienhaus nicht als Eigenheim übernehmen konnte.
Normenkette
GrESWG 1958 Nordrhein-Westfalen § 1 Nr. 5
Tatbestand
Die Kläger, die miteinander verheiratet sind, kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 19. Dezember 1966 je zur ideellen Hälfte von der X-AG (AG) ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück. Das Wohnhaus war 1955 errichtet worden. Die AG hatte das Grundstück 1960 von dem Bauherrn erworben.
Die Kläger beantragten Grunderwerbsteuerfreiheit nach § 1 Nr. 5 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau in der Fassung vom 19. Juni 1958 (GVBl NRW, 282, BStBl II, 105) - GrESWG 1958 - mit der Begründung, sie seien die ersten Erwerber, die das Grundstück als Eigenheim übernommen hätten. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) setzte jedoch durch zwei getrennte Bescheide gegen die Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je 4 900 DM fest. Er war der Auffassung, daß der Erwerb der Kläger bereits der zweite Erwerb des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes sei.
Auf die Sprungklage hat das FG die angefochtenen Steuerbescheide ersatzlos aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Die Kläger können deshalb keine Steuerfreiheit nach § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 erhalten, weil sie bereits die zweiten Erwerber des bebauten Grundstückes sind. Erste Erwerberin war die AG. Ohne Bedeutung ist es, daß die AG deshalb nicht nach § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 Steuerfreiheit erlangte, weil sie als juristische Person das Haus nicht als Eigenheim (vgl. hierzu § 9 des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes - II. WoBauG-) übernehmen konnte.
Die Kläger glauben, sich für ihre abweichende Ansicht auf den Wortlaut des § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 stützen zu können, der von der Besteuerung den ersten Erwerb eines den Erfordernissen der Ziffer 1 entsprechenden Wohnhauses oder einer Wohnung durch eine Person ausnahm, die das Haus als Eigenheim oder die Wohnung zur eigenen Nutzung als Eigentumswohnung übernommen hatte. Zu diesem Wortlaut vertreten die Kläger die Auffassung, daß das Zahlwort "erste" sich nicht allein auf das Substantiv "Erwerb", sondern auf alle folgenden Satzteile einschließlich des Realativsatzes beziehe. Von allen Erwerben eines neuerbauten Hauses sei derjenige erster Erwerb im Sinne des § 1 Nr. 5 GrESWG 1958, der als erster alle geforderten Voraussetzungen erfülle. Da der vorangegangene Erwerb durch die AG diese Voraussetzungen nicht erfüllt habe, stehe nichts im Wege, den Erwerb durch die Kläger als Ersterwerb zu beurteilen.
Diese Auslegung des § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 durch die Kläger entspricht nicht dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, ihrer systematischen Stellung innerhalb des § 1 GrESWG 1958 und dem erkennbaren Gesetzeszweck unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung ergibt (vgl. BVerfGE 11, 126 [129 bis 131]). Mag auch eine isolierte grammatikalische Betrachtung des § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 gewisse Zweifel bestehen lassen, ob sich das Zahlwort "erste" lediglich auf die folgenden Worte "Erwerb eines . . . Wohnhauses oder einer Wohnung" bezieht, wie das FA meint, oder ob auch die weiter anschließenden Worte "durch eine Person, die das Haus als Eigenheim oder die Wohnung zur eigenen Nutzung ubernimmt" dem Zahlwort "erste" zuzuordnen sind. Die Berücksichtigung des systematischen Zusammenhanges jedoch, in den § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 gestellt worden ist, und des erkennbaren Gesetzeszweckes ergeben eindeutig, daß nur die erstere Auffassung richtig ist.
Durch § 1 Nr. 1 bis 4 GrESWG 1958 wurden Erwerbe von der Grunderwerbsteuer freigestellt, die das noch nicht oder noch nicht vollständig bebaute Grundstück betrafen. Damit wurden Anstöße gegeben, neuen Wohnraum zu schaffen. Auch § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 diente erkennbar diesem Zweck, obwohl die Grunderwerbsteuerbefreiung fertiggestellte Eigenheime und Eigentumswohnungen betraf. Diese Vorschrift gab gleichwohl Anstöße zur Errichtung von Wohnraum durch Bauträger, die Eigenheime und Eigentumswohnungen für Dritte errichten wollten. Durch die steuerliche Förderung des Absatzes dieser Objekte wurde mittelbar auch ihre Errichtung gefördert. Sind die Eigenheime und die Eigentumswohnungen aber von den jeweiligen Bauträgern auf dem Markt placiert worden, ist der Zweck erreicht, um dessentwegen auch die Ersterwerber dieser Objekte von der Grunderwerbsteuer freigestellt wurden. Weitere Veräußerungen durch die Ersterwerber dienen nicht mehr dem erstmaligen Absatz der begünstigten Bauobjekte. Sie werden deshalb von dem Gesetzeszweck nicht mehr erfaßt.
Eine andere Beurteilung der Rechtslage kann nicht daraus hergeleitet werden, daß unter § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 auch die erste Veräußerung des Eigenheimes durch den Bauherrn fiel, der für seine eigenen Wohnzwecke gebaut hatte und das Haus dann aus irgendwelchen Gründen innerhalb der Ersterwerbsfrist veräußerte. Hier gehörte die Veräußerung zwar nicht notwendig zur Erfüllung des Bebauungszwecks. Die Steuerbefreiungsvorschrift hatte aber eine überschießende Tendenz. Keineswegs kann daraus jedoch gefolgert werden, daß auch Zweit- oder gar Dritterwerbe in die Steuerbefreiung einbezogen werden müssen.
Der Gesetzgeber kann zwar dem Gesetz eine andere Zielrichtung geben. Er kann generell die Eigentumsbildung durch den Erwerb von Eigenheimen und Eigentumswohnungen ohne Rücksicht darauf fördern wollen, ob es sich um den ersten Absatz neu errichteter Wohnungen handelt. Diesen Weg sind z. B. Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein gegangen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 12 des Berliner GrEStG vom 18. Juli 1969, GVBl 1969, 1034, BStBl I 1969, 519; § 8 Nrn. 4 und 5 des Hamburgischen GrEStG i. d. F. vom 26. April 1966, GVBl I 1966, 129, BStBl II 1966, 113; § 2 Nrn. 1 und 2 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes i. d. F. vom 16. September 1974, GVBl 1974, 353, BStBl I 1974, 941). Nordrhein-Westfalen ist diesen Weg jedoch nicht gegangen. Dort wurde nur der erste Erwerb eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung von der Grunderwerbsteuer freigestellt.
Mit dieser Zweckbestimmung des nordrhein-westfälischen Rechtes wäre es unvereinbar, ohne Berücksichtigung des systematischen Zusammenhanges, in den die Vorschrift gestellt worden ist, eine lediglich bei isolierter, rein grammatischer Betrachtung mögliche Auslegung zu wählen, die es bestimmten Ersterwerbern ermöglichen würde, das Haus oder die Wohnung steuerfrei zu veräußern und sich dadurch gegenüber anderen Ersterwerbern Veräußerungsvorteile zu verschaffen.
Vom erkennbaren Gesetzeszweck her kann deshalb der Erwerb des Eigenheimes durch die Kläger von der Ersterwerberin des Hauses nicht steuerfrei sein. Diese dem Gesetzeszweck entsprechende Auslegung des § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 steht mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht im Widerspruch. Sie findet in dem Wortlaut eine hinreichende Grundlage, mag auch rein grammatikalisch eine andere Auslegung möglich sein. Es gibt aber keine Auslegungsregel, daß Vergünstigungsvorschriften, die sprachlich verschiedene Auslegungen möglich erscheinen lassen, entgegen dem Sinnzusammenhang und dem Zweck der Vorschrift zugunsten der Steuerzahler auszulegen sind.
Das gefundene Auslegungsergebnis wird durch die historische Entwicklung der Vorschrift bestätigt.
Bei der Anwendung des § 1 Nr. 4 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 - GrESWG 1952 - (GVBl 1952, 33, BStBl II 1952, 46), das noch auf den Erwerb zur ersten Nutzung abstellte, waren Schwierigkeiten in den Fällen entstanden, in denen die fertiggestellten Eigenheime bzw. Eigentumswohnungen nicht sofort veräußert werden konnten, vielmehr zunächst vermietet werden mußten. Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen hatte zwar im Erlaßwege für die Fälle Erleichterungen gewährt, in denen die Mieter die in Aussicht genommenen Kaufanwärter waren (vgl. Deutsche Verkehrssteuer-Rundschau 1955 S. 96). Steuerfreiheit konnte aber auch unter Berücksichtigung dieses Erlasses dann nicht gewährt werden, wenn die Veräußerung des Hauses erst nach einer - möglicherweise mehrjährigen - zwischenzeitlichen Vermietung an einen Dritten erfolgen konnte.
Vor allem um diese Fälle einzubeziehen, ist die Vorschrift des § 1 Nr. 4 GrESWG 1952 neu formuliert worden. Vgl. hierzu die Drucksache aus der 3. Wahlperiode des Landtages Nordrhein-Westfalen Nr. 643 S. 12 zu Art. 1 Ziff. 6. Dort heißt es, daß "der erste Erwerb von Eigenheimen . . . ohne Berücksichtigung zwischenzeitlicher Fremdnutzungen von der Grunderwerbsteuer befreit werden" soll. Was damit konkret ausgesagt werden sollte, ergibt sich deutlich aus den vorhergehenden Sätzen der Regierungsbegründung:
"Häufig scheidet der Erwerb des Eigenheimes oder der Eigentumswohnung aus und ein Dritter tritt als Zeitnutzer an seine Stelle. Dieser Erwerb des Eigenheims oder der Eigentumswohnung durch den Zweitnutzer ist zur Zeit grunderwerbsteuerpflichtig. Da solche Erwerbe von Eigenheim und Eigentumswohnungen noch zu der unmittelbaren Schaffung von Eigentum gehören, sollen nach dem vorliegenden Entwurf der erste Erwerb von Eigenheimen und Eigentumswohnungen ohne Berücksichtigung zwischenzeitlicher Fremdnutzung von der Grunderwerbsteuer befreit werden, wenn er innerhalb von 12 Jahren nach der Gebrauchsabnahme der Wohnung erfolgt."
Damit wird deutlich, daß der zweitnutzende Ersterwerber neben dem bisher schon begünstigten erstnutzenden Ersterwerber, nicht aber der Zweiterwerber begünstigt werden sollte. Als sich herausstellte, daß gleichwohl zu § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 eine andere Auffassung vertreten wurde, hat der Gesetzgeber dieser Vorschrift zur Vermeidung etwaiger sprachlicher Mißverständnisse eine klarere Fassung gegeben, ohne damit sachlich etwas zu ändern (vgl. § 1 Nr. 5 S. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau i. d. F. vom 20. Juli 1970, ferner die Drucksache des Landtages von Nordrhein-Westfalen aus der 6. Wahlperiode Nr. 1145 S. 44 zu Art. 3 Nr. 2 Buchst. f).
Fundstellen
Haufe-Index 71500 |
BStBl II 1975, 743 |
BFHE 1976, 192 |