Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung einer gesellschaftsvertraglichen Witwenrente
Leitsatz (NV)
Im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Versorgungsleistungen einer Personengesellschft an die - selbst nicht Gesellschafterin gewordene - Witwe des durch Tod ausgeschiedenen geschäftsführenden Gesellschafters sind in der Zeit vor Inkrafttreten des § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG als Betriebsausgaben abzugsfähig. Sie sind gleichwohl gewerbesteuerrechtlich nicht hinzurechnungspflichtig, weil es an dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Anteilserwerb der verbliebenen Gesellschafter und der Witwenrente fehlt.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 1; EStG § 15 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Aufgrund einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag zahlte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) an die im Jahre 1974 verstorbene Witwe des X, des früheren persönlich haftenden Gesellschafters der Klägerin, eine Rente in Höhe von 5 v. H. ihres Gewinns. Einvernehmlich behandelten die Klägerin und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Zahlungen als betriebliche Versorgungsrente und zogen die einzelnen Leistungen bei der Ermittlung des Gewinns für Einkommensteuerzwecke als Betriebsausgaben ab. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung rechnete das FA folgende an die Witwe in den Streitjahren gezahlte Beträge zur Ermittlung des Gewerbeertrages dem Gewinn wieder hinzu:
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Bei der Ermittlung des Gewerbekapitals rechnete das FA den Kapitalwert der Rentenverpflichtung dem Einheitswert des Betriebsvermögens in Höhe der folgenden Beträge hinzu:
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, auch betriebliche Versorgungsrenten seien unter den Voraussetzungen des § 8 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzuzurechnen. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Gesellschaftsanteil des ausgeschiedenen Gesellschafters entgeltlich oder unentgeltlich auf einen anderen übergehe. Der im Zeitpunkt des Ablebens des X gültige Gesellschaftsvertrag habe vorgesehen, daß die Gesellschaftsrechte den verbliebenen Gesellschaftern anwachsen sollten. Die durch den Tod bedingte Anwachsung des Gesellschaftsanteils hänge daher wirtschaftlich mit dem Erwerb der Versorgungsrente zusammen. Die Rente wäre ohne den Anteilserwerb nicht gezahlt worden. Anders als in dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. November 1983 IV R 14/83 (BFHE 139, 549, BStBl II 1984, 431) zugrundeliegenden Sachverhalt habe bereits vor Eintritt des Erbfalles festgestanden, auf wen der Gesellschaftsanteil des Gesellschafters nach seinem Tode übergehen würde. Danach habe das FA ebenfalls zu Recht die Rentenverpflichtung dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes zugerechnet.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Hinzurechnung der Versorgungsrente müsse unterbleiben, weil sie nicht aus Anlaß des Ausscheidens eines Gesellschafters vereinbart worden sei. Sie sei vielmehr als Gegenleistung für die frühere Tätigkeit des verstorbenen Gesellschafters gezahlt worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; die Vorentscheidung ist aufzuheben; die Einspruchsentscheidung und die Bescheide über die Gewerbesteuer für 1971 bis 1974 (Sammelbescheid) sind teilweise aufzuheben und dem FA gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) aufzugeben, den einheitlichen Steuermeßbetrag und die Gewerbesteuer nach Maßgabe der Gründe dieses Urteils zu errechnen. Das FG hat zu Unrecht die in den Streitjahren an die Witwe geleisteten Zahlungen dem Gewerbeertrag und die Kapitalwerte der diesen Zahlungen zugrundeliegenden Rentenverbindlichkeiten dem Gewerbekapital hinzugerechnet.
I. Nach § 8 Nr. 2 GewStG werden Renten und dauernde Lasten, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb eines Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb zusammenhängen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.
Das FG hat die an die Witwe des ehemaligen geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin geleisteten Zahlungen im Einvernehmen mit den Beteiligten zu Recht als eine den Gewinn mindernde betriebliche Versorgungsrente gewertet.
Gleichwohl sind die Rentenzahlungen nicht hinzurechnungspflichtig. Sie hängen nicht ,,mit dem Erwerb eines Anteils am Betrieb" wirtschaftlich zusammen.
Der Grund für die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 GewStG liegt darin, daß Renten und dauernde Lasten ähnlich wie Zinsen auf Dauerschulden Entgelte für die Überlassung des im Gewerbebetrieb arbeitenden Kapitals darstellen. Im Hinblick auf den Objektsteuercharakter soll damit sichergestellt werden, daß für die Höhe der Gewerbesteuer nicht der auf ein bestimmtes Steuersubjekt bezogene Gewinn, sondern der Ertrag maßgebend ist, den der vom jeweiligen Rechtsträger losgelöste Gewerbebetrieb an sich abwirft (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 126/83, BFHE 151, 175, BStBl II 1988, 70 m. w. N.). Unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes ist daher ein wirtschaftlicher Zusammenhang stets zu bejahen, wenn Versorgungsrente und Anteilserwerb kausal miteinander verknüpft sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 1979 IV R 194/74, BFHE 126, 560, BStBl II 1979, 266). Demgemäß ist der wirtschaftliche Zusammenhang zu verneinen für den Fall, daß die Versorgungsrente auch ohne den Anteilserwerb vereinbart worden wäre.
Der I. Senat des BFH hat im Anschluß an das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 7. Februar 1940 VI 140/39 (RStBl 1940, 461) in dem nicht veröffentlichten Urteil vom 24. Februar 1959 I 62/58 entschieden, daß solche Versorgungsrenten gewöhnlich mit der Gründung einer Personengesellschaft wirtschaftlich im Zusammenhang stehen, die sich die Gesellschafter gegenseitig bei der Gesellschaftsgründung für ihre Witwen zusagen. Dabei ist unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen die Erben des verstorbenen Gesellschafters in der Gesellschaft verbleiben oder ausscheiden. Denn die Versorgungszusage bildet einen nicht zu trennenden Teil des Gesellschaftsvertrages und es läßt sich in der Regel nicht bestimmen, in welchem Umfang den Versorgungszusagen Gegenleistungen gegenüberstehen.
Demgegenüber hat der IV. Senat des BFH in den Urteilen in BFHE 139, 549, BStBl II 1984, 431 und vom 25. Oktober 1984 IV R 165/82 (BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212) ausgeführt, daß § 8 Nr. 2 GewStG auf die im Gesellschaftsvertrag als Vergütung für die Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers zugesagte Witwenrente nicht anzuwenden ist. Dabei geht er primär davon aus, daß die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Witwenversorgung nicht mit dem Erwerb des Gesellschaftsanteils des verstorbenen Gesellschafters durch dessen Erben wirtschaftlich zusammenhängt, wenn bei Abschluß des Gesellschaftsvertrags noch nicht vorhersehbar ist, auf wen der Anteil des Gesellschafters nach dessen Tod übergeht. Ebenso sei ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu verneinen, wenn im Gesellschaftsvertrag bereits vereinbart ist, daß der Gesellschaftsanteil auf die als Kommanditisten beteiligten Kinder des verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafters übergehen soll. Auch in diesem Fall sei ungewiß, auf wen der Gesellschaftsanteil übergeht.
Der IV. Senat des BFH sieht also einen wirtschaftlichen Zusammenhang nicht schon dann, wenn Anteilserwerb und Witwenrente in einem einheitlichen Gesellschaftsvertrag geregelt sind. Seiner Auffassung nach kann die betriebliche Versorgungsrente vielmehr selbständig neben dem Anteilserwerb bestehen. Maßgebendes Kriterium dafür ist, ob bei Vertragsabschluß vorhersehbar ist, auf wen der Anteil übergeht.
Aus Gründen der Kontinuität höchstrichterlicher Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des IV. Senats an, soweit es um bereits im Gesellschaftsvertrag geregelte Versorgungsleistungen einer Personengesellschaft an die nicht als Gesellschafter beteiligte Witwe eines geschäftsführenden Gesellschafters geht. Dafür spielt nicht zuletzt eine Rolle, daß in diesen Fällen die Hinzurechnung entsprechender Versorgungsrenten nach § 8 Nr. 2 GewStG ab dem 1. Januar 1986 entfällt, weil die Versorgungsleistungen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht vom Gesamtgewinn der Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) abgesetzt werden können.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Witwenrente und dem Anteilserwerb zu verneinen.
II. Bei der Ermittlung des Gewerbekapitals gilt Entsprechendes. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 GewStG sind dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes diejenigen Verbindlichkeiten, die den Renten und dauernden Lasten im Sinne des § 8 Nr. 2 GewStG entsprechen, hinzuzurechnen. Hängen die bezeichneten Renten und dauernden Lasten nicht mit dem entgeltlichen Erwerb des Betriebes oder Betriebsanteils zusammen, so kommt auch eine Hinzurechnung beim Ansatz des Gewerbekapitals nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 417075 |
BFH/NV 1991, 477 |