Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei der Betriebsaufspaltung in eine Besitz- Personengesellschaft und eine Betriebs-Kapitalgesellschaft übt die Besitz-Personengesellschaft eine Vermögensverwaltung gewerblicher Art aus, mit der sie gewerbesteuerpflichtig ist.
In den der Betriebs-Kapitalgesellschaft pachtweise überlassenen Betriebstätten übt die Besitz-Personengesellschaft in der Regel keinen eigenen Gewerbebetrieb mehr aus, so daß eine Zerlegung des einheitlichen Steuermeßbetrags der Besitz- Personengesellschaft auf die Belegenheitsgemeinden der verpachteten Betriebstätten nicht stattfindet.
Der Betriebs-Kapitalgesellschaft ist mit den gepachteten Betriebstätten auch nicht ständiger Vertreter der Besitz- Personengesellschaft im Sinn des § 16 Abs. 2 Ziff. 2 AnpG.
Zur verfahrensmäßigen Behandlung der nach den Vorschriften der AO wirksam eingelegten weiteren Beschwerde in Zerlegungssachen nach dem Inkrafttreten der FGO.
Normenkette
GewStG § 28; StAnpG § 16 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Die Gesellschafter der ... Kommanditgesellschaft in X. (KG) gründeten eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die gleichfalls ihren Sitz in X. hatte. Sie übernahmen das Stammkapital im Verhältnis ihrer Beteiligungen an der KG. Die GmbH sollte das Unternehmen der KG (Herstellung und Vertrieb) fortführen. Zu diesem Zweck verpachtete die KG ihre Betriebe einschließlich Grundstücken an die GmbH. Diese hatte alle ihr in Pacht überlassenen Wirtschaftsgüter in dem übernommenen Zustand zu unterhalten. Die Aktiven und Passiven des Umlaufvermögens gingen samt der mit den Betrieben zusammenhängenden öffentlichen und privaten Lasten auf die GmbH über; desgleichen trat die GmbH in die Verträge mit den in den Betrieben beschäftigten Arbeitnehmern ein. Die GmbH hatte gegenüber Behörden und auch sonst das Interesse der KG zu wahren.
Das Finanzamt (FA) hatte den Gewerbesteuermeßbetrag der KG auf mehrere Gemeinden zerlegt, in denen sich gepachtete Fabriken der GmbH befanden.
Auf die Beschwerde der Gemeinden X. hob die Oberfinanzdirektion (OFD) die Zerlegung des Gewerbesteuermeßbetrags 1956 der KG ersatzlos auf, weil seit der Betriebsspaltung die KG in den verpachteten Betrieben keine betrieblichen Handlungen mehr vornehme; dort habe ausschließlich die GmbH einen Gewerbebetrieb.
Gegen diese Entscheidung legte die Gemeinde Y., in deren Bezirk einer der verpachteten Betriebe liegt, weitere Beschwerde ein. Für die Entscheidung hierüber war nach § 388 Abs. 1 AO a. F. der Bundesfinanzhof (BFH) zuständig. Er hatte im Beschlußverfahren zu entscheiden.
In dem Verfahren konnten nach § 306 AO a. F. auch neue Tatsachen vorgebracht werden. Seit dem 1. Januar 1966 ist als Rechtsbehelf gegen Zerlegungsbescheide nach § 229 Ziff. 13 AO n. F. der Einspruch gegeben. Gegen die Einspruchsentscheidung findet nach §§ 40 ff. FGO das Klageverfahren beim Finanzgericht (FG) statt. Gegen die Entscheidung des FG ist die Revision an den BFH möglich. Zur überleitung auf die neuen Vorschriften bestimmt § 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO, daß die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen die vor dem Inkrafttreten der FGO ergangenen Entscheidungen sich nach den bisherigen Vorschriften richtet. Die Anrufung des BFH gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD bleibt also wirksam. Nach § 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO richtet sich aber das weitere Verfahren "nach den Vorschriften dieses Gesetzes". Die Rechtsmittelführer dürfen indessen durch die überleitung in ihren Rechten nicht beschnitten werden. Da nach den Vorschriften der AO, die bei der Einlegung der weiteren Beschwerde galten, der Rechtsmittelführer vor dem BFH als einziger richterlicher Instanz auch neue Tatsachen vorbringen konnte, darf er in dieser Hinsicht durch die änderung der Rechtslage nicht beeinträchtigt werden. Es können also bei der Bearbeitung der vor dem 1. Januar 1966 eingelegten weiteren Beschwerden in Zerlegungssachen nicht die Grundsätze der Revision Platz greifen, bei der neue Tatsachen nicht vorgebracht werden können (§ 118 Abs. 1 und 2 FGO). Die vor dem 1. Januar 1966 wirksam eingelegten Rechtsbehelfe der weiteren Beschwerde sind als erstinstanzliche Klage vor dem BFH zu behandeln. über diese Klagen ist durch Urteil zu entscheiden (§ 95 FGO).
Die beschwerdeführende Gemeinde (Klägerin) meint, daß auch nach der Verpachtung allein die KG das Unternehmen betreibe, für die die GmbH tätig werde. Daß sich in Wirklichkeit nichts geändert habe, werde schon dadurch bewiesen, daß die GmbH zum 1. Januar 1962 aufgelöst worden sei und nunmehr die KG wieder voll das Unternehmen führe. Zudem widerspreche die Auffassung der OFG dem Urteil des RFH VI 96/42 vom 1. Juli 1942, (RStBl 1942, 1081). Danach seien bei einer Betriebsaufspaltung die verpachteten Anlagen stets der Verpächterin als ihre Betriebsstätte zuzurechnen. Ferner müsse die GmbH als Angestellte der KG gelten, weil sie infolge der Identität der beiderseitigen Gesellschafter und Geschäftsführer von der KG vollständig beherrscht werden. Hinzu komme der im Pachtvertrag enthaltene Genehmigungsvorbehalt der KG bei größeren Investitionen und bei der Anstellung und Entlassung leitender Angestellter, ferner das Mitspracherecht bei der Absetzung für Abnutzung (AfA) auf die verpachteten Anlagen. Danach sei die GmbH ständige Vertreterin der KG im Sinne des § 16 Abs. 2 StAnpG; ihr sei die Wahrung der Interessen der KG ausdrücklich auferlegt, so daß auch in den Pachtanlagen der Betrieb der KG umgehe. Die Klägerin rügt auch, das FA sei seiner Aufklärungspflicht nach § 383 Abs. 1 AO a. F. nicht genügend nachgekommen. Der Sitz der KG sei überhaupt nicht X. sondern er liege nach wie vor im Bereich der Klägerin. Sie beantragt, ihr einen Zerlegungsanteil wie im Bescheid des FA zuzuweisen, ersatzweise die Sache zur weiteren Sachverhaltsermittlung an die OFD zurückzuweisen, schließlich den Termin zu vertagen, um ihr Gelegenheit zu geben, weiteres Tatsachenmaterial beizuschaffen.
Die Gemeinde X. hat von einer Stellungnahme abgesehen und gebeten, nach Aktenlage zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Nach § 28 GewStG ist der Gewerbesteuermeßbetrag zu zerlegen, wenn in mehreren Gemeinden Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden. Betriebstätte ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Gewerbes dient. Neben dem Ort, an dem sich die Geschäftsleistung befindet, sind Betriebsstätten auch Zweigniederlassungen, Fabrikationsstätten, Warenlager usw., die dem Unternehmer oder seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des Gewerbes dienen (§ 16 Abs. 1 und 2 StAnpG).
Was den Sitz der Geschäftsleitung der KG betrifft, so ist nach dem Akteninhalt nicht zweifelhaft, daß diese in der Gemeinde X. liegt. Die Briefbogen der KG, ihre Bilanzen, Steuererklärungen usw. weisen als Betriebssitz X. aus. Unter dieser Ortsbezeichnung ergehen die Steuerbescheide und anderen Zuschriften der Finanzbehörden, einschließlich des den Ausgang des gegenwärtigen Rechtsstreits bildenden Zerlegungsbescheids vom 29. November 1960. Von dort her bekommt der auf die Beteiligung am Gewerbesteuermeßbetrag der KG gerichtete Rechtsstreit überhaupt auch erst seinen Sinn. Der Senat stellt danach fest, daß X. Sitz der KG ist.
Das Unternehmen der KG ist in der Weise aufgespalten worden, daß aus dem einheitlichen Betrieb eine Besitzfirma und eine Betriebsfirma gebildet wurden. Die Besitzfirma behielt die Rechtsform der KG bei und verpachtete an die neue GmbH als Betriebsfirma die Anlagewerte, während das Umlaufvermögen auf die GmbH überging. Die Zulässigkeit einer solchen Betriebsaufspaltung ist von der Rechtsprechung anerkannt, z. B. in den Entscheidungen des BFH i 119/56 U vom 25. Juni 1957 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 65 S. 181 - BFH 65, 181 -, BStBl III 1957, 303) und I 131/59 S vom 8. November 1960 (BFH 71, 706, BStBl III 1960, 513). Trotz der Verpachtung der Anlagegüter und der übertragung des Umlaufvermögens auf die Betriebs-GmbH ist jedoch die Tätigkeit der KG keine reine nichtgewerbliche Grundstücksverwaltung. Vielmehr sind die zwischen ihr und der Betriebsgesellschaft bestehenden wirtschaftlichen Zusammenhänge zu berücksichtigen, insbesondere die Vorgänge, die zu den gegenwärtigen Verhältnissen geführt haben. Auch nach der Spaltung liegt wirtschaftlich ein einheitliches Unternehmen vor. Dieser Umstand führt bei Feststellung der Art der Einkünfte zu dem Ergebnis, daß die Besitz-Personengesellschaft weiter ein Gewerbe betreibt. Siehe dazu die Entscheidungen des BFH I 217/58 U vom 3. November 1959 (BFH 70, 134, BStBl III 1960, 50); I 251/60 S vom 7. März 1961 (BFH 72, 578, BStBl III 1961, 211); IV 417/60 S vom 25. Juli 1963 (BFH 77, 504, BStBl III 1963, 505). Die Tätigkeit der KG ist mithin eine Vermögensverwaltung gewerblicher Art, mit der sie gewerbesteuerpflichtig ist.
Diese für die Bestimmung der Einkunftsart der KG betonte wirtschaftliche Einheit führt jedoch nicht auch dazu, die Unternehmen im ganzen als gewerbesteuerliche Einheit anzusehen. Das würde der Tatsache widersprechen, daß die Aufspaltung in eine Besitz-Personengesellschaft und eine Betriebs-Kapitalgesellschaft steuerlich grundsätzlich anerkannt ist. Darüber hinaus besteht gewerbesteuerlich trotz der Unternehmeridentität zwischen den beiden Gesellschaften keine Unternehmenseinheit. Der Betrieb einer Kapitalgesellschaft bildet stets einen selbständigen Gewerbebetrieb, sofern nicht die Voraussetzungen einer Organschaft vorliegen (Entscheidung des BFH I 251/60 S, a. a. O.). Für ein Organverhältnis reicht aber nicht aus, daß die Obergesellschaft, etwa auf Grund ihrer Beteiligung oder über den gemeinschaftlichen Geschäftsführer, Einfluß auf die Tochtergesellschaft ausübt und ihren Geschäftsbetrieb fördert. Vielmehr muß umgekehrt die Tochtergesellschaft in der Organisation dem Betrieb der Obergesellschaft dienen und ihm förderlich sein. übt die Obergesellschaft lediglich eine Vermögensverwaltung aus, so ist die Tochtergesellschaft, die die Produktion usw. betreibt, kein Organ der Obergesellschaft, auch wenn die von der Obergesellschaft ausgeübte Vermögensverwaltung als gewerbliche Tätigkeit zu werten ist (Entscheidungen des BFH I 119/56 U, a. a. O., sowie das Urteil I 102/63 vom 26. April 1966, BStBl III 1966, 462).
Somit ist für die Frage nach der Betriebstätte zwischen der Vermögensverwaltung der KG und den Herstellungs- und Verkaufsbetrieben der GmbH zu unterscheiden. Die verschiedenen Betriebstätten der GmbH sind nur dieser und nicht zugleich auch der KG zuzurechnen. Das ist entscheidend für die Frage, ob der Gewerbesteuermeßbetrag der KG zerlegt werden kann oder muß. Die Klägerin mißversteht die Entscheidung des RFH VI 96/42 (a. a. O.), wenn dort im Rechtssatz gesagt ist, ein Fabrikgrundstück, auf dem der Eigentümer einen Gewerbebetrieb unterhalten habe und das er zur Fortsetzung des Betriebs an eine von ihm gegründete und beherrschte AG verpachtet habe, sei ein gewerblicher Betrieb des Eigentümers. In den Gründen des Urteils wird untersucht, ob eine reine Vermögensverwaltung durch Verpachtung des Grundstücks vorliege oder ob der Verpächter sich über den Betrieb der AG am wirtschaftlichen Verkehr beteilige. Der RFH bejahte das letztere und erklärte den Eigentümer mit den Pachteinnahmen für gewerbesteuerpflichtig. Dafür, daß das Grundstück örtlich eine Betriebstätte des Verpächters sei, enthält die Entscheidung nichts. Im übrigen hat der BFH wiederholt ausgesprochen, daß ein verpachteter Betrieb keine Betriebstätte des Verpächters begründe, z. B. in den Entscheidungen I B 148/59 U vom 30. August 1960 (BGH 71, 585, BStBl III 1960, 468) und I B 223/61 S vom 16. August 1962 (BFH 75, 573 BStBl III 1962, 477).
Nach § 16 Abs. 2 Ziff. 2 StAnpG gelten als Betriebstätten auch Geschäftseinrichtungen, die dem ständigen Vertreter des Unternehmers zur Ausübung des Gewerbes dienen. Ständiger Vertreter ist eine Person, die auf Grund eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses für den Unternehmer tätig wird, so daß ihre Handlungen als solche des Unternehmers erscheinen (Entscheidung des RFH VI 7/51 vom 23. April 1941, RStBl 1941, 355). In Frage kommen natürliche und juristische Personen, Angestellte und selbständige Gewerbetreibende (Entscheidungen des BFH IV 155/60 U vom 10. Mai 1961, BFH 73, 134, BStBl III 1961, 317; I B 156/58 S vom 9. März 1962, BFH 74, 614, BStBl III 1962, 227). Der ständige Vertreter muß anstelle des Unternehmers die in dessen Betrieb fallenden Handlungen übernehmen (Beschluß des RFH I B 1/27 vom 4. März 1927, Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 20 S. 310, 315; Entscheidung des BFH I 335/60 U vom 27. November 1963, BFH 78, 189, BStBl III 1964, 76). Eine solche Vertretung bestand hier nicht. Die Tätigkeit, die die GmbH in den von ihr gepachteten Betriebstätten ausübt, geschieht nicht kraft eines Auftrages der KG oder in deren Vertretung. Die GmbH wird vielmehr aus eigenem Recht und im eigenen Namen tätig. Der Betrieb der gepachteten Unternehmungen und der Vertrieb der dort hergestellten Produkte ist gerade Gegenstand des Unternehmens der GmbH. Wollte man diese Tätigkeit der KG zurechnen, so würde die Unterscheidung zwischen dem Geschäftsbetrieb der KG und dem der GmbH beseitigt; die steuerliche Rechtsprechung zur Anerkennung der Betriebsaufspaltung müßte dann grundsätzlich geändert werden. Wenn nach dem Pachtvertrag die GmbH in Erklärungen gegenüber Behörden "und auch sonst das Interesse der KG Dritten gegenüber in jeder Weise zu wahren" hat, so wird dadurch die GmbH nicht im Sinne des § 16 Abs. 2 Ziff. 2 StAnpG zum ständigen Vertreter der KG für in deren Betrieb fallende Handlungen. Die GmbH soll vielmehr nur die wirtschaftlichen Interessen der KG im Auge behalten. Selbst gewisse Kontrollbefugnisse, die der Verpächter vertraglich über die Betriebsprüfung des Pächters ausüben darf, rechtfertigen nicht, in der verpachteten Betriebstätte eine Betriebstätte des Verpächters zu sehen (Entscheidungen des BFH I B 156/58 S, a. a. O; IV B 411/62 U vom 18. März 1965, BFH 82, 217, BStBl III 1965, 324).
Ohne Bedeutung für das Streitjahr 1956 ist, daß zum 1. Januar 1962 die KG die Herstellungs- und Verkaufsbetriebe wieder selbst übernahm.
Fundstellen
Haufe-Index 412152 |
BStBl III 1966, 598 |
BFHE 1966, 590 |
BFHE 86, 590 |