Leitsatz (amtlich)
1. § 23 Nr. 2 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 373, BStBl I 1954, 575) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Verkauft eine Einkaufsgenossenschaft im Hinblick auf das kurz bevorstehende Aufgehen in einer anderen Genossenschaft (Verschmelzung) das ihr gehörende Lagergrundstück, kann die Veräußerung ein Hilfsgeschäft sein, wenn diese Maßnahme darauf gerichtet ist, die Zwecke der künftigen größeren Genossenschaft zu fördern; ein Hilfsgeschäft entfällt, wenn die Veräußerung dazu dient, eine Ausschüttung an die Mitglieder der untergehenden Genossenschaft zu finanzieren.
Normenkette
GG Art. 80 Abs. 1; KStG § 23 Nr. 2; KStDV § 35
Tatbestand
Die H-eGmbH (Genossenschaft H) und die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - Einkaufsgenossenschaften gleicher Haftungsart - beschlossen in 1965 die Verschmelzung beider Genossenschaften zum 31. Dezember 1965. Die Genossenschaft H war die übertragende, die Klägerin die aufnehmende Genossenschaft. Die Genossenschaft H beschloß in ihrer Generalversammlung am 27. Oktober 1965, in der auch die Verschmelzung von den Genossen genehmigt wurde, ihr Betriebsgrundstück in H mit den aufstehenden Gebäuden zu veräußern. Das Grundstück wurde am 28. Dezember 1965 zum Preis von 375 000 DM an ein Nichtmitglied verkauft. Dadurch ergab sich ein Veräußerungsgewinn von 319 736 DM.
Zum 31. Dezember 1965 schüttete die Genossenschaft H eine Warenrückvergütung von 322 874 DM an ihre Mitglieder aus. Für 1965 erklärte sie unter Berücksichtigung dieser Warenrückvergütung ein körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen von 54 820 DM. Entsprechend dieser Erklärung wurde die Körperschaftsteuer vorläufig auf 26 861 DM festgesetzt. Aufgrund einer späteren Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionskläger (FA) in der Veräußerung des Betriebsgrundstücks ein Nebengeschäft, dessen Ertrag nicht als Warenrückvergütung steuerfrei ausgeschüttet werden könne. Es ermittelte die Obergrenze für die steuerfreie Ausschüttung einer Warenrückvergütung mit 20 501 DM, so daß sich im Hinblick auf die tatsächlich als Warenrückvergütung ausgeschütteten Beträge von 322 874 DM eine verdeckte Gewinnausschüttung von 302 373 DM ergab. Auf dieser Grundlage erfolgte die endgültige Körperschaftsteuerveranlagung. Der Bescheid erging gegen die Klägerin als die Rechtsnachfolgerin der Genossenschaft H. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren, die Warenrückvergütung auch insoweit als steuerfrei zu behandeln, als sie sich auf den Gewinn aus der Grundstücksveräußerung erstrecke. Sie vertrat die Ansicht, daß die Grundstücksveräußerung durch die Genossenschaft H ein Hilfsgeschäft gewesen sei, so daß sich die den Mitgliedern gewährte Warenrückvergütung innerhalb der steuerfreien Obergrenze gehalten habe. Sie beantragte, die Körperschaftsteuer wie in dem vorläufigen Bescheid auf 26 861 DM herabzusetzen.
Das FG gab der Klage statt. Es führte aus, die Veräußerung des Betriebsgrundstücks durch die Genossenschaft H sei kein Nebengeschäft im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 5 KStDV, sondern ein Hilfsgeschäft gewesen. Sie stehe eindeutig im Zusammenhang mit den satzungsmäßigen Zweck- und Gegengeschäften, weil das Betriebsgrundstück bis zu seiner Veräußerung der Durchführung der genannten Geschäfte gedient habe. Würden Anlagegegenstände veräußert, weil sie nicht mehr benötigt werden oder weil die Genossenschaft sich auflöse, zählten diese Geschäfte ebenfalls zu den Hilfsgeschäften. Die Liquidation einer Genossenschaft sei als letzter Akt ihrer Tätigkeit nicht anders zu behandeln als ihre bisherige Tätigkeit auch. Der Geschäftsbetrieb einer Genossenschaft bringe es mit sich, daß die Genossenschaft eines Tages Liquidiert und das Anlagevermögen veräußert werde. Aber auch wenn man der Ansicht des FA folge, daß Geschäfte zur Abwicklung der Genossenschaft nicht zu den Hilfsgeschäften gehören könnten, liege im vorliegenden Fall ein Hilfsgeschäft vor. Entgegen der Auffassung des FA sei nämlich die Genossenschaft H durch die Verschmelzung mit der Klägerin nicht aufgelöst worden. Die Genossenschaft H lebe mit ihren wirtschaftlichen Grundlagen in der neuen Genossenschaft weiter.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des FA mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Das FA rügt vornehmlich die Verletzung des § 35 Abs. 2 KStDV. Es führt aus, in dem auch vom FG angeführten Urteil vom 14. Oktober 1970 I R 67/68 (BFHE 100, 375, BStBl II 1971, 116) habe der BFH die Veräußerung eines zum Anlagevermögen gehörenden Betriebsgrundstücks nur deshalb als Hilfsgeschäft anerkannt, weil die aus der Veräußerung stammenden Mittel der Finanzierung neuer Betriebsräume haben dienen sollen. Gerade daran fehle es im Streitfalle. Der erzielte Kaufpreis habe der Finanzierung der Ausschüttung an die Mitglieder gedient. Nach dem Grundgedanken des § 35 KStDV sollten nur die im Mitgliedergeschäft erwirtschafteten Beträge ausschüttungsfähig sein. Wenn auch die ausschüttungsfähigen Beträge nicht entsprechend ihrer Herkunft, sondern nach einer Verhältnisrechnung zwischen Mitgliederumsatz und Gesamtumsatz aufzuteilen seien, dürfe dieser Grundgedanke nicht außer Betracht bleiben und müsse bei der Auslegung dieser Bestimmung berücksichtigt werden. Bei Zuordnung des Veräußerungsgeschäfts zu den Hilfsgeschäften würde der Veräußerungsgewinn, der weder unmittelbar noch mittelbar im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden sei, steuerfrei an die Mitglieder ausgeschüttet werden können. Das könne aber nicht zutreffend sein, denn die Veräußerung des Betriebsgrundstücks habe nichts mit dem Mitgliedergeschäft zu tun. Die Veräußerung des Betriebsvermögens ohne entsprechende Reinvestition könne daher nur ein Nebengeschäft sein. Der vom FG festgestellte Sachverhalt rechtfertige nicht die rechtliche Folgerung, es handle sich um eine Veräußerung aus Rationalisierungsgründen. Eine Rationalisierung würde eine entsprechende Neuanschaffung oder anderweitige betriebliche Verwendung des Erlöses voraussetzen. Die Frage, ob die Verschmelzung zu einer Auflösung der Genossenschaft H geführt habe, sei ohne Bedeutung. Wirtschaftlich gesehen sei der Betrieb der Genossenschaft H in jedem Falle eingestellt worden und die Veräußerung des Grundstücks eine echte Abwicklungsmaßnahme gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die mit der Klägerin verschmolzene Genossenschaft H zählte als Einkaufsgenossenschaft zu dem Kreis der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG der Körperschaftsteuer unterliegen. Sie gehörte - das ist unstreitig - nicht zu den Genossenschaften und Zentralkassen, die nach § 23 Nr. 1 KStG in Verbindung mit §§ 31, 33, 34 KStDV 1964 von der Körperschaftsteuer befreit sind oder für die ein ermäßigter Körperschaftsteuersatz angeordnet ist.
2. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Auslegung des § 35 KStDV, der bei Genossenschaften den Abzug von Warenrückvergütungen bei der Gewinnermittlung regelt. § 35 KStDV beruht auf § 23 Nr. 2 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Körperschaftsteuergesetzes, der bestimmt, daß die Bundesregierung ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, unter welchen Voraussetzungen Genossenschaften Warenrückvergütungen bei der Ermittlung des Gewinns absetzen dürfen. § 23 KStG hat durch Art. 4 Nr. 12 des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 373, BStBl I 1954, 575) seine hier maßgebliche Fassung erhalten, die ihrem Inhalt nach wesentlich von der vorhergehenden, auf das Änderungsgesetz vom 29. April 1950 (BGBl I 1950, 95) zurückgehenden Fassung abweicht.
a) In seiner Entscheidung vom 8. März 1972 I R 183/70 (BFHE 105, 23, BStBl II 1972, 498) konnte es der erkennende Senat auf sich beruhen lassen, ob die genannte auf das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 zurückgehende Fassung des § 23 Nr. 2 KStG mit Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar ist, weil in dem damals zu entscheidenden Streitfall die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit von Warenrückvergütungen nach § 35 KStDV nicht gegeben waren. Im vorliegenden Fall kann aber die Vereinbarkeit des als nachkonstitutionelles Recht anzusehenden § 23 Nr. 2 KStG mit Art. 80 Abs. 1 GG nicht dahingestellt bleiben.
Der Senat ist der Auffassung, daß die Ermächtigungsvorschrift des § 23 Nr. 2 KStG in der hier in Rede stehenden Fassung mit Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Der Gesetzgeber muß selbst die Entscheidung treffen, daß bestimmte Fragen geregelt werden sollen. Er muß die Grenzen einer solchen Regelung verdeutlichen und angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll (Beschluß des BVerfG vom 30. Mai 1973 2 BvL 37/71, BVerfGE 35, 179). Es genügt, wenn Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung hinreichend bestimmt sind (BVerfG-Beschlüsse vom 12. November 1958 2 BvL 4, 26, 40/56 u. a. , BVerfGE 8, 274 [312]; vom 30. Januar 1968 2 BvL 15/65, BVerfGE 23, 62 [72]). Bei einer konkreten Ermächtigungsnorm können Inhalt, Zweck und Ausmaß nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Sie erläutern sich gegenseitig und ergeben so erst ihren vollen Sinngehalt. Zur Klärung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung sind - wie auch sonst bei der Auslegung einer Rechtsnorm - der Sinnzusammenhang mit anderen Normen und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, zu berücksichtigen. Gegebenenfalls kann die Entstehungsgeschichte - insbesondere zur Bestätigung des Ergebnisses der Auslegung - herangezogen werden (BVerfG-Beschluß vom 4. Februar 1975 2 BvL 5/74, BVerfGE 38, 348 [358]). Es genügt somit, wenn das dem Verordnungsgeber anvertraute Programm nach den allgemeinen Auslegungsregeln feststellbar ist (BVerfG-Beschluß vom 11. Dezember 1973 2 BvL 16/69, BVerfGE 36, 224 [228]).
Erkennbarer Zweck des § 23 Nr. 2 KStG ist, die an sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG körperschaftsteuerpflichtigen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften steuerlich zu begünstigen. Ihrem Inhalt nach bezieht sich die Vergünstigung auf die Warenrückvergütungen. Diese sollen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt werden dürfen. Der Gewinn ist eine der wichtigsten Grundlagen des Einkommens ertragsteuerpflichtiger Körperschaften. Das Einkommen ist aufgrund des § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG nach den Vorschriften des EStG zu ermitteln. Für die Gewinnermittlung gelten daher insbesondere die §§ 4, 5 ff. EStG.
Was unter Warenrückvergütungen zu verstehen ist, ist in der Ermächtigungsvorschrift und auch sonst im Körperschaftsteuergesetz nicht näher bestimmt. Der Gesetzgeber verwendet in § 23 Nr. 2 KStG einen Begriff, der im Rechtsleben der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften eine erhebliche Rolle spielt. Zwar regelt das Genossenschaftsgesetz (GenG) den Begriff der Warenrückvergütung nicht unmittelbar; in § 19 GenG sind nur dispositive Bestimmungen über die Gewinn- und Verlustverteilung enthalten. Für zulässig wird aber die Gewinnverteilung nach dem Umfang des Warenbezugs des einzelnen Genossen gehalten, nämlich in Form einer Waren- oder Umsatzrückvergütung. Als gesicherte Auffassung kann angesehen werden, daß die Warenrückvergütung der Rechtsform der Genossenschaft eigentümlich ist. Die Überschüsse des genossenschaftlichen Geschäftsbetriebs sollen den Mitgliedern in Gestalt der Warenrückvergütung zugeführt werden. Sie entspricht damit dem Zweck der eingetragenen Genossenschaft, der nicht auf Erzielung eines Gewinns im erwerbswirtschaftlichen Sinn, sondern nach § 1 GenG auf Förderung der Wirtschaft der Mitglieder gerichtet ist. Die Warenrückvergütung ist ihrem Wesen nach eine Folge der der Genossenschaft obliegenden Förderungsaufgabe, auf deren Erfüllung die Genossen einen Rechtsanspruch haben. Sie hat ihre Wurzel nicht im einzelnen Umsatzgeschäft, sondern im Mitgliedschaftsverhältnis. Wegen dieser Besonderheiten wird die Warenrückvergütung nach der Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil des BGH vom 9. Oktober 1963 I b ZR 50/62, NJW 1964, 352; BFH-Urteil vom 28. November 1968 I 47/65, BFHE 94, 390, BStBl II 1969, 245) und der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. die Literaturangaben in BB 1966, 346, 424 -; ferner Meyer-Meulenbergh, Genossenschaftsgesetz, 11. Auflg., § 19 Anm. 3) nicht als Preisnachlaß angesehen. Maßgeblich für die Höhe der Warenrückvergütung ist die Inanspruchnahme der genossenschaftlichen Einrichtungen durch die Mitglieder im Laufe des Geschäftsjahres. Ihre Höhe richtet sich daher nach dem Gesamtergebnis der Genossenschaft sowie nach den Gesamtbezügen des einzelnen Genossen.
Über die steuerliche Charakterisierung der Warenrückvergütungen in der Hinsicht, ob es sich um verteilte Gewinne oder um Betriebsausgaben handelt, herrscht Streit (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1953 I 38/53 U, BFHE 58, 320, BStBl III 1954, 36, mit umfangreichen Literaturangaben). In § 23 Nr. 2 KStG hat der Gesetzgeber eine Entscheidung dahin getroffen, daß er die genossenschaftlichen Warenrückvergütungen als Betriebsausgaben ansieht oder wenigstens wie Betriebsausgaben behandelt wissen will.
Aus alledem ergibt sich aber auch, daß das Ausmaß der gesetzlichen Ermächtigung hinreichend bestimmt ist. Bei der Gewinnermittlung sollen die Auszahlungen von Überschüssen aus Geschäften mit Mitgliedern, die dem satzungsmäßigen Zweck der Genossenschaft entsprechen, abgezogen werden. Dem Verordnungsgeber wird es übertragen, die Voraussetzungen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Warenrückvergütungen zu bestimmen. Das hat seinen Grund darin, daß der Begriff der Warenrückvergütung, so wie er sich im Laufe der Jahrzehnte herausgebildet hat, nicht ganz eindeutig ist und sich bei der praktischen Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben können. Der Verordnungsgeber soll gewisse formelle Voraussetzungen aufstellen, z. B. daß ordnungsmäßige Beschlüsse der satzungsmäßigen Organe hinsichtlich der Ausschüttung von Warenrückvergütungen vorliegen müssen und die Rückvergütungen tatsächlich in die Verfügungsgewalt der Mitglieder gelangen; ferner welcher Berechnungsmodus anzuwenden ist, wenn auch Geschäfte mit Nichtmitgliedern getätigt werden oder sonstige Geschäfte vorkommen, die keine Mitgliedergeschäfte sind.
Die Ermächtigungsvorschrift läßt ferner erkennen, wie weit die Begünstigung gehen und durch welche steuertechnischen Mittel sie erreicht werden soll: Die Warenrückvergütungen sollen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt, also wie gewinnmindernde Betriebsausgaben behandelt und dadurch von der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer ausgenommen werden. Das Ausmaß des dem Verordnungsgeber anvertrauten Programms läßt sich daher im Wege der Auslegung und aus dem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften und aus dem sich im Laufe der Jahrzehnte gebildeten Begriff der Warenrückvergütung bei Genossenschaften hinreichend erschließen.
Die steuerliche Begünstigung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften hat eine längere Geschichte. Seit dem Körperschaftsteuergesetz 1925 sind diese Genossenschaften - wenn auch mit unterschiedlichen steuertechnischen Mitteln und in unterschiedlichem Umfang - auf dem Gebiet der Körperschaftsteuer begünstigt worden, so daß das Ergebnis der Auslegung der hier in Rede stehenden Ermächtigungsvorschrift des § 23 Nr. 2 KStG auch von ihrer Entstehungsgeschichte her bestätigt wird.
b) Die Behandlung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften auf dem Gebiet der Ertragsteuern wird im Schrifttum zum Teil angegriffen (über den Stand der Meinungen vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl., § 23 KStG, Anm. 5). Der Senat ist der Auffassung, daß der Gesetzgeber nicht willkürlich vorgegangen ist. Er durfte berücksichtigen, daß die Genossenschaften wirtschaftlich gesehen eine Hilfsfunktion für die gewerbliche Betätigung ihrer Mitglieder ausüben und sich ihrer Struktur und ihrem Wesen nach wesentlich von Kapitalgesellschaften unterscheiden. Einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen den Grundsatz der Freiheit der Berufswahl und gegen das Sozialstaatsprinzip vermag der erkennende Senat in der in § 23 Nr. 2 KStG getroffenen Regelung nicht zu erblicken.
3. Warenrückvergütungen an die Mitglieder einer Genossenschaft gelten nach § 35 Abs. 2 Satz 2 KStDV nur insoweit als Betriebsausgaben, als die dafür verwendeten Beträge im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden sind. In Übereinstimmung mit dem BFH-Urteil vom 25. September 1956 I 226/55 U (BFHE 63, 443, BStBl III 1956, 367) ist davon auszugehen, daß in Satz 2 der Vorschrift einer der Grundgedanken der die steuerliche Abzugsfähigkeit der Warenrückvergütungen regelnden Bestimmungen enthalten ist. Zur Feststellung der im Mitgliedergeschäft erwirtschafteten Beträge ist nach Satz 3 bei Einkaufsgenossenschaften der Überschuß im Verhältnis des Mitgliederumsatzes zum Gesamtumsatz aufzuteilen. Überschuß in diesem Sinne ist das um den Gewinn aus Nebengeschäften geminderte Einkommen vor Abzug aller Warenrückvergütungen und vor Berücksichtigung des Verlustabzuges (Satz 5).
Um die zutreffende Ermittlung dieses Überschusses, insbesondere ob der aus der Veräußerung des Betriebsgrundstücks erzielte Gewinn zu dem genannten Überschuß gehört, geht hier der Streit. Die Entscheidung dieser Frage ist davon abhängig, ob die in Rede stehende Grundstücksveräußerung zu den Hilfsgeschäften, die zur Abwicklung der satzungsmäßigen Zweck- und Gegengeschäfte der Genossenschaft H notwendig waren, gehörte oder ob es sich bei dieser Veräußerung um ein Nebengeschäft, d. h. um ein Geschäft handelte, das mit dem Satzungszweck in keinem Zusammenhang stand und daher zu den Gelegenheitsgeschäften gehörte (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1970 I R 125/68, BFHE 99, 34, BStBl II 1970, 532). Gegenstand des Unternehmens der Genossenschaft H war insbesondere der gemeinschaftliche Einkauf der zum Betrieb des Gewerbes der Mitglieder erforderlichen Waren und Geräte und deren Abgabe an die Mitglieder.
Zu den Hilfsgeschäften können Geschäfte unterschiedlicher Art gehören. Ihr Kreis ist nicht auf den Erwerb und die Veräußerung von Gegenständen des Umlaufvermögens beschränkt. Auch die Veräußerung eines Betriebsgrundstücks kann ein Hilfsgeschäft sein. Bedenklich ist allerdings die Auffassung des FG, die Veräußerung von Gegenständen des Anlagevermögens könne auch dann zu den Hilfsgeschäften gehören, wenn diese Gegenstände anläßlich der Auflösung und der anschließenden Liquidation der Genossenschaft veräußert werden. Mit der Auflösung wird der Zweck der Genossenschaft, werbend tätig zu sein, beendet; sie besteht lediglich zum Zweck der Abwicklung weiter. Zu dieser Frage braucht der erkennende Senat nicht abschließend Stellung zu nehmen, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um die Auflösung und Liquidation einer Genossenschaft nach §§ 78 ff. GenG, sondern um eine Verschmelzung nach §§ 93 a ff. GenG handelt.
Die Verschmelzung mit einer anderen Genossenschaft (aufnehmenden Genossenschaft) hat den liquidationslosen Übergang des Vermögens der übertragenden Genossenschaft auf die aufnehmende Genossenschaft zum Gegenstand (§ 93 a Abs. 1 GenG). Die Verschmelzung erfolgt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 93 e Abs. 1 GenG). Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister des Sitzes der übertragenden Genossenschaft erlischt diese (§ 93 e Abs. 2 GenG). Die Eintragung hat die Beendigung der eigenen Rechtspersönlichkeit der übertragenden Genossenschaft zur Folge. Ihre Mitglieder erwerben unmittelbar kraft Gesetzes die Mitgliedschaft bei der übernehmenden Genossenschaft (§ 93 h Abs. 1 GenG).
Bei einer Verschmelzung gehen somit wirtschaftlich gesehen persönliches und sachliches Substrat der übertragenden Genossenschaft - Mitgliederbestand und Vermögen - nicht unter, sondern leben in dem größeren Verband der aufnehmenden Genossenschaft fort. Maßnahmen der Rationalisierung, die im Hinblick auf das Weiterleben im Rahmen der aufnehmenden größeren Genossenschaft getroffen werden, können sich als Hilfsgeschäfte darstellen, wenn sie darauf gerichtet sind, die Zwecke des künftigen größeren Verbands zu fördern.
Ob die Grundstücksveräußerung durch die Genossenschaft H eine Rationalisierungsmaßnahme gewesen ist, vermag der erkennende Senat nicht abschließend zu beurteilen. Gegen eine Rationalisierungsmaßnahme und damit gegen das Vorliegen eines Hilfsgeschäfts kann sprechen, daß die Genossenschaft H den weitaus überwiegenden Teil des Erlöses aus dem Grundstücksverkauf an ihre Mitglieder ausgeschüttet hat. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß das Grundstück nicht im Hinblick auf eine Rationalisierung im Rahmen der aufnehmenden Genossenschaft nach der Verschmelzung, sondern in der Absicht veräußert worden ist, einen großen Teil des Vermögens von dem Übergang auf die aufnehmende Genossenschaft - die Klägerin - auszunehmen und noch den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft zuzuwenden. Wäre das der Fall, läge - wie das FA angenommen hat - eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Hierzu fehlt es aber an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Dem Begehren der Klägerin, die etwaigen sich ergebenden betrieblichen Mehrsteuern für 1965 nicht in der Steuerbilanz der Genossenschaft H zum 31. Dezember 1965 zu passivieren, kann nicht entsprochen werden. Diese Steuerschulden mindern schon deshalb das Betriebsergebnis der Genossenschaft H für das Streitjahr, weil diese infolge ihrer Verschmelzung mit der Klägerin ein Wahlrecht, die betrieblichen Mehrsteuern in einem späteren Jahr gewinnmindernd zu berücksichtigen, nicht mehr ausüben kann.
Fundstellen
Haufe-Index 71808 |
BStBl II 1976, 351 |
BFHE 1976, 7 |