Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufdeckung stiller Reserven nach Begründung einer Betriebsaufspaltung zwischen Einzelunternehmen des Ehemannes und von den Eheleuten bar gegründeter GmbH
Leitsatz (amtlich)
Errichtet ein Einzelunternehmer mit seiner Ehefrau durch Bargründung eine GmbH und wird anschließend zwischen der GmbH und dem Einzelunternehmen eine echte Betriebsaufspaltung begründet, so sind stille Reserven aus dem Einzelunternehmen jedenfalls nicht deshalb aufzudecken, weil die Ehefrau an dem Einzelunternehmen nicht beteiligt ist und sie ihre Geschäftsanteile an der GmbH in ihrem Privatvermögen hält.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 16.06.1992; Aktenzeichen 4 K 1940/89) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger betrieb im Rahmen eines Einzelunternehmens den Groß- und Einzelhandel mit Werkzeugen und Industriebedarf sowie eine Kundendienstwerkstatt. Er war überdies --zu 80 v.H.-- gemeinsam mit der Klägerin --diese zu 20 v.H.-- Gesellschafter einer GmbH, die Ende 1982 als Bargründung errichtet worden war und deren Gegenstand dem des Einzelunternehmens entsprach. Das Einzelunternehmen als Besitzunternehmen und die GmbH als Betriebsunternehmen wurden im Streitjahr (1983) durch eine echte Betriebsaufspaltung verbunden: Durch Verträge vom 2.Januar 1983 verpachtete der Kläger an die GmbH die beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens des Einzelunternehmens sowie die in seinem Eigentum stehenden gewerblich genutzten Grundstücke. Zugleich veräußerte er an die GmbH das Umlaufvermögen des Einzelunternehmens.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Betriebsaufspaltung steuerlich an, vertrat aber die Auffassung, anders als seine Ehefrau, die Klägerin, hätte der Kläger einen fremden Dritten nur dann an der GmbH beteiligt, wenn dieser ein entsprechendes Aufgeld für die ihm aus dem Anteilserwerb erwachsenden Rechte und Ertragsaussichten geleistet hätte. Indem der Kläger auf dieses Aufgeld verzichtet habe und die von ihr übernommenen GmbH-Anteile im Privatvermögen der Klägerin verblieben seien, sei ein Entnahmetatbestand verwirklicht. Die Entnahme sei mit 70 000 DM zu bewerten. Dementsprechend wurden gegen die Kläger die Einkommensteuer 1983 und gegen den Kläger der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag 1983 festgesetzt.
Den hiergegen nach erfolglosen Vorverfahren erhobenen Klagen gab das Finanzgericht (FG) statt. Sein in der Sache wegen Einkommensteuer 1983 ergangenes Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 580 wiedergegeben. Das Urteil des FG wegen Gewerbesteuermeßbetrag 1983 stimmt hiermit inhaltlich überein.
Mit seinen Revisionen rügt das FA unter Hinweis auf die Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16.Juni 1978 IV B 2-S 1909-8/78 (BStBl I 1978, 235), und vom 22.Januar 1985 IV B 2-S 1909-2/85 (BStBl I 1985, 97) sowie die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Münster vom 16.August 1990 S 1978-69-St 11-31 (Der Betrieb --DB-- 1990, 1797) Verletzung von § 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Allerdings sei der Entnahmewert in den angefochtenen Festsetzungen zu hoch angesetzt worden. Er sei statt mit 70 000 DM nur mit 49 000 DM zu beziffern.
Das FA beantragt, die Urteile des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 1983 sowie den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1983 auf der Grundlage eines Gewinns aus Gewerbebetrieb von 81 988 DM festzusetzen.
Die Kläger haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen (§ 73 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) Revisionen sind nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß es zu keiner Entnahme von Wirtschaftsgütern mit der Folge der Aufdeckung stiller Reserven (§§ 4 Abs.1 Satz 1, 6 Abs.1 Nr.4 EStG) gekommen ist.
Wird ein bisher einheitliches gewerbliches Unternehmen in der Weise aufgeteilt, daß ein Teil des Betriebsvermögens auf die Betriebsgesellschaft übertragen wird und mindestens eine der wesentlichen Betriebsgrundlagen beim nunmehrigen Besitzunternehmen verbleibt, aber dem Betriebsunternehmen zur Nutzung überlassen wird, handelt es sich, sofern die Voraussetzungen der persönlichen und sachlichen Verflechtung zwischen den beiden Unternehmen --wie im Streitfall-- erfüllt sind (siehe zu diesen Voraussetzungen zusammenfassend z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.Januar 1989 IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 15 Anm.143 ff. m.w.N.), um eine sog. echte Betriebsaufspaltung. Die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 1978, 235; in BStBl I 1985, 97) hat es in ständiger Praxis zugelassen, daß die übertragenen Wirtschaftsgüter von der Betriebsgesellschaft zu Buchwerten fortgeführt werden können; stille Reserven werden danach nicht aufgedeckt, da es sich bei der Betriebsaufspaltung nicht um eine Betriebseinbringung i.S. von § 20 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) handele. Das Schrifttum ist dieser Praxis überwiegend gefolgt (zu den Nachweisen siehe Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.150; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar, Tz.6804.0.9; Biergans, Einkommensteuer, 6.Aufl., S.145 f.). Anders verhält es sich nach Auffassung der Verwaltung allerdings dann, wenn an der neugegründeten Betriebsgesellschaft eine nahestehende Person beteiligt wird, die nicht am Besitzunternehmen beteiligt ist und die kein Aufgeld für die übernommenen Anteile an der Kapitalgesellschaft zu leisten hat (BMF-Schreiben in BStBl I 1985, 97; s.a. BFH- Urteil vom 16.April 1991 VIII R 63/87, BFHE 164, 513, BStBl II 1991, 832). Überträgt die Besitzgesellschaft oder übertragen ihre Gesellschafter Anteile an der Betriebsgesellschaft auf die nahestehende Person zu einem Kaufpreis, der niedriger ist als der bei Veräußerung an einen fremden Dritten erzielbare Kaufpreis, so soll in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen erzieltem und erzielbarem Kaufpreis eine Entnahme aus dem Besitzunternehmen vorliegen. Gleichermaßen wird hiernach eine Entnahme auch dann angenommen, wenn der Inhaber des Besitzunternehmens es der nahestehenden Person ermöglicht, Anteile an der aus der Betriebsaufspaltung hervorgegangenen Kapitalgesellschaft gegen Leistung einer Einlage zu erwerben, die niedriger als der Wert der Anteile ist. Es fehle dann zwar an einer unmittelbar auf die Anteile bezogenen Entnahmehandlung. Eine Entnahme liege aber dennoch vor, weil anderenfalls stille Reserven von den den Gesellschaftern der Besitzgesellschaft gehörenden Anteilen auf Personen übergingen, bei denen sie nicht zum Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft gehören und bei denen folglich ihre spätere steuerliche Erfassung nicht sichergestellt sei (dem zustimmend z.B. Biergans, a.a.O., S.146).
Der erkennende Senat kann offenlassen, ob in den vorbezeichneten Fallkonstellationen der Auffassung der Verwaltung zu folgen ist (skeptisch z.B. Widmann/Mayer, a.a.O., Tz.6804.0.9 m.w.N.). Über einen solchen oder einen hiermit vergleichbaren Sachverhalt ist --anders als die Finanzverwaltung meint (s. OFD Münster, DB 1990, 1797)-- nicht zu entscheiden. Die GmbH ist Ende 1982 im Wege der Bargründung (vgl. § 5 Abs.1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) neu gegründet worden. Die Stammeinlagen wurden in bar geleistet. Sie befanden sich zu keinem Zeitpunkt im Betriebsvermögen des von den Klägern betriebenen Einzelunternehmens. Zu einer Entnahme und Aufdeckung stiller Reserven konnte es infolge der Übernahme von Anteilen an der GmbH durch die Klägerin also nicht kommen. Der Umstand, daß der Kläger zu Beginn des Streitjahres die beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens des Einzelunternehmens sowie die in seinem Eigentum stehenden, gewerblich genutzten Grundstücke an die GmbH verpachtet hat, ändert hieran nichts. Ohne Bedeutung bleibt auch, daß die Klägerin die von ihr übernommenen Anteile in ihrem Privatvermögen hält und daß sich der innere Wert der Geschäftsanteile durch die nachfolgende Betriebsaufspaltung erhöht haben kann. Denn die Verpachtung des Anlagevermögens des nunmehrigen Besitzunternehmens an das Betriebsunternehmen läßt die Gewerblichkeit (vgl. § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.1 EStG) des Besitzunternehmens unberührt. Es entspricht gerade dem Wesen der Betriebsaufspaltung im Gegensatz zur Betriebsverpachtung, daß eine sonst als Vermögensverwaltung anzusehende Tätigkeit die Eigenschaft eines Gewerbebetriebs erlangt und der bisherige Betrieb nicht aufgegeben wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24.August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014; vom 23.Januar 1991 X R 47/87, BFHE 163, 460, 466, BStBl II 1991, 405; Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.140 m.w.N.). Die der Betriebs-GmbH zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter sind dem Besitzunternehmen weiterhin als notwendiges Betriebsvermögen zuzurechnen (z.B. BFH-Urteile vom 8.März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, 446, BStBl II 1989, 714; in BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405; Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.149 b). Auch der Firmenwert des Besitzunternehmens geht infolge der Vermietung und Verpachtung dieser Wirtschaftsgüter nicht notwendigerweise auf das Betriebsunternehmen über (vgl. BFH-Urteile vom 28.November 1962 II 165/59, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963, 170; vom 28.Juni 1989 I R 25/88, BFHE 158, 97, 100, BStBl II 1989, 982; ferner Brandenberg u.a., Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1990/1991, 235 ff.). Die stillen Reserven des Einzelunternehmens bleiben sonach bei diesem steuerverhaftet.
Zu einer Aufdeckung stiller Reserven kann es deshalb allenfalls dann kommen, soweit einzelne Wirtschaftsgüter (des Umlauf- oder Anlagevermögens) des Besitzunternehmens an das Betriebsunternehmen veräußert werden, vorausgesetzt, hierin sind stille Reserven enthalten. Ansonsten werden entsprechende Gewinne erst dann realisiert, wenn das Besitzunternehmen als solches veräußert oder aufgegeben und die Betriebsaufspaltung aufgelöst wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13.Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474; in BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405).
Die Vorinstanz ist im Ergebnis von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat sie zutreffend auf den Streitfall angewandt. Eine Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH mit den Rechtsfolgen der §§ 20 ff. UmwStG lag nach den den Senat bindenden (§ 118 Abs.2 FGO) Feststellungen des FG nicht vor. Daß in den vom Kläger an die GmbH veräußerten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens stille Reserven enthalten gewesen wären, ist nicht festgestellt und auch vom FA nicht behauptet worden. Anlaß, eine Steuerumgehung (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--) anzunehmen, besteht nicht.
Die Revisionen konnten deshalb keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 64711 |
BFHE 171, 282 |
BB 1993, 1486-1487 (LT) |
DB 1993, 1802-1803 (LT) |
DStR 1993, 1174 (KT) |
DStZ 1993, 600 (KT) |
HFR 1993, 565 (KT) |
StE 1993, 406 (K) |
StRK, BetrAufsp. R. 55 (LT) |
FR 1993, 566 (KT) |
GmbH-Rdsch 1993, 595-597 (LT) |
BuW 1993, 617 (K) |
Stbg 1993, 410 (KT) |
StBp 1993, 216 (K) |