Leitsatz (amtlich)
1. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG bei der Beantwortung der Frage, ob Tierbestände nach § 51 BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören (§ 24 Abs.2 Nr.2 UStG 1967/73), im Falle der Kälbermast für die Umrechnung der Tierbestände in Vieheinheiten den Umrechnungsschlüssel der Anlage 1 zum BewG verwendet hat, statt den abweichenden Umrechnungsschlüssel eines Verwaltungserlasses heranzuziehen.
2. Bei der Anwendung des § 51 Abs.1 Satz 1 BewG ist der letzte angefangene nicht als voller Hektar zu berücksichtigen.
3. Ob der Unternehmer auf der von ihm regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche das erforderliche Futter wirklich erzeugt, ist unerheblich.
4. Im Falle der Kälbermast kommt aus dem Umrechnungsschlüssel (Anlage 1 zum BewG) bei der Tierart "Rindvieh" die Position "Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr 0,30 Vieheinheiten" zur Anwendung; als Zahl der Tiere ist nicht die wirkliche Stückzahl eines Jahres anzusetzen, sondern ein nach Maßgabe der Mastdauer reduzierter Wert.
Orientierungssatz
1. Ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG liegt nicht vor, wenn die diesbezüglichen Einkünfte solche aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft sind, zu denen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung im Rahmen der in der Vorschrift bezeichneten, auf eine Berechnung nach Vieheinheiten abgestellten Grenzen gehören. Bei der Ermittlung sind die Tierbestände nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten umzurechnen; § 51 Abs. 2 bis 5 BewG ist anzuwenden (vgl. BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung der landwirtschaftlichen Tierzucht oder Tierhaltung gegenüber der gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung).
2. Die ergänzende Rechtsfortbildung setzt das Vorhandensein einer Lücke im Gesetz voraus. Beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung für einen zu beurteilenden Sachverhalt liegt eine Lücke im Gesetz dann vor, wenn insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts gegeben ist, d.h. wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig ist und wenn die Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Keine Gesetzeslücke in diesem Sinne stellt der sog. rechtspolitische Fehler dar, der dann vorliegt, wenn das Gesetz zwar unter dem Gesichtspunkt der Rechtspolitik verbesserungsbedürftig erscheint, nicht aber, gemessen an der ihm immanenten Teleologie, planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig ist (vgl. BFH-Urteil vom 24.1.1974 IV R 76/70; Literatur).
Normenkette
UStG 1967 § 24 Abs. 2 Nr. 2; UStG 1973 § 24 Abs. 2 Nr. 2; BewG 1974 § 19 Abs. 1, § 33 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, § 95 Abs. 3, §§ 51, 51 Abs. 1 S. 1; BewG 1974 Anl 1; BewG 1974 § 51 Anl 1; BewG 1974 § 51 Abs. 2-5; EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), wie der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) meint, seit 1970 statt eines landwirtschaftlichen einen gewerblichen Betrieb unterhielt, so daß das FA die jetzt noch umstrittenen Umsatzsteuerbescheide 1972 bis 1974 erlassen durfte sowie einen Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1.Januar 1974 und Gewerbesteuermeßbescheide 1975 und 1976.
Das FA gelangte zu der Auffassung, die vom Kläger seit 1970 betriebene Tiermast (im wesentlichen Kälbermast) sei keine landwirtschaftliche, sondern eine gewerbliche Betätigung, weil das vom Kläger gehaltene Vieh, bezogen auf die regelmäßig landwirtschaftlich genutzte Fläche von 20,06 ha, die höchstzulässige Grenze von 200,42 Vieheinheiten nachhaltig überschreite.
Die Anzahl der vom Kläger gemästeten Tiere betrug:
1972 1973 1974
Mastkälber 1 012 1 549 1 814
Masthähnchen 44 800 - -.
Seiner Auffassung entsprechend hatte das FA außer den jetzt noch umstrittenen erwähnten Bescheiden Umsatzsteuerbescheide 1970 und 1971 erlassen, in denen es ebenfalls von einer gewerblichen Betätigung des Klägers ausging.
Den nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobenen drei Klagen gab das Finanzgericht (FG) insoweit statt, als es die jetzt noch umstrittenen Bescheide aufhob. Soweit der Kläger mit der die Umsatzsteuer betreffenden Klage überdies die Umsatzsteuerbescheide 1970 und 1971 angefochten hatte, blieb er vor dem FG erfolglos.
Zur Begründung der Stattgabe führte das FG aus, der Kläger sei ab 1972 nicht gewerblich, sondern als Landwirt tätig gewesen (§ 2 Abs.1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG-- i.V.m. § 13 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- und § 51 des Bewertungsgesetzes --BewG--) und habe einen landwirtschaftlichen Betrieb i.S. des § 24 Abs.2 Nr.2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967/1973) geführt. Entgegen der Auffassung des FA sei die bei der regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche (20,06 ha) gemäß § 51 BewG i.V.m. der Anlage 1 zum BewG zulässige Grenze von 200,42 Vieheinheiten in den Streitjahren nicht überschritten worden. Die durchschnittliche Anzahl der vom Kläger in seinem Betrieb gehaltenen Mastkälber habe unstreitig folgende Höhe gehabt:
1972 1973 1974 1975 1976
264 549 645 631 606.
Unter Berücksichtigung der 1972 verkauften 44 800 Masthähnchen (76,16 Vieheinheiten bei einem Umrechnungsschlüssel von 0,0017 Vieheinheiten pro Masthähnchen) ergäben sich auf Grund des Umrechnungsschlüssels von 0,30 Vieheinheiten pro Mastkalb folgende Vieheinheitenwerte:
1972 1973 1974 1975 1976
102,20 167,70 196,50 189,30 181,80
76,16
------
185,36.
Mithin sei die höchstzulässig Grenze in keinem der Streitjahre erreicht oder gar überschritten.
Die Auffassung des FA (vgl. Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27.November 1976 S 3132 - 7 - V A 4, NWB-Bewertungs-Kartei § 51 BewG 1965 Nr.11), daß die Anzahl der in den einzelnen Streitjahren vom Kläger tatsächlich (nicht durchschnittlich) gemästeten Kälber mit einem Umrechnungsschlüssel von 0,15 Vieheinheiten zu multiplizieren sei, könne nicht geteilt werden. Das Gesetz sehe einen solchen Umrechnungsschlüssel nicht vor. Vielmehr komme aus der Anlage 1 zum BewG die Position "Kälber und Jungvieh unter einem Jahr 0,3 Vieheinheiten" zur Anwendung. Hierbei gehe das Gesetz vom Tierbestand aus (§ 51 Abs.1 Satz 1 BewG), womit der durchschnittliche Tierbestand gemeint sei, sofern --was hier nicht zutreffe-- es nicht um die eigens in der Anlage 1 zum BewG genannten Masttiere gehe, derentwegen die Zahl der wirklich verkauften Tiere maßgebend sei.
Es sei weder Sache der Verwaltung noch der Gerichte, die in der Anlage 1 zum BewG im einzelnen aufgeschlüsselten Tierarten und Gruppen innerhalb einer Tierart um weitere Untergruppen zu vermehren. Die Kompetenz hierzu habe ausschließlich der Gesetzgeber. Es liege ferner keine Gesetzeslücke mit der Folge vor, daß eine das Gesetz abändernde Rechtsfortbildung oder eine teleologische Extension des Gesetzeswortlauts zulässig und erforderlich wäre. Denn das Gesetz habe mit der Aufgliederung der Rindviehhaltung in fünf Gruppen (Anlage 1 zum BewG) eine abschließende Regelung getroffen.
Mit den Revisionen beantragt das FA, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Klagen abzuweisen, hilfsweise, die Streitsachen wegen mangelnder Sachaufklärung zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 51 BewG und des § 162 der Abgabenordnung --AO 1977--) sowie Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zur Begründung macht es geltend: Die Auffassung der Vorinstanz, die in der Anlage 1 zum BewG aufgeschlüsselten Tierarten und -gruppen könnten nur durch den Gesetzgeber verändert oder vermehrt werden, sei rechtsirrig. Der für den vorliegenden Fall der Kälbermast maßgebende erwähnte Erlaß stelle eine zulässigerweise auf Grund von Erkenntnissen der Finanzverwaltung im Wege der Schätzung (§ 162 AO 1977) gewonnene Richtlinie dar, an welche die Finanzgerichte gebunden seien.
Es dürfe nicht etwa aus § 27 (vgl. § 19 Abs.1 Nr.1) i.V.m. § 51 Abs.4 und § 21 Abs.1 BewG im Hinblick auf die bisher ausgebliebenen Hauptfeststellungen geschlossen werden, daß eine Ergänzung des Umrechnungsschlüssels unzulässig sei; denn die Wirkungen des § 27 BewG beträfen nur die Wertverhältnisse, d.h. das Ertrags- und Aufwandsgefüge zum Hauptfeststellungszeitpunkt, nicht aber die tatsächlichen Verhältnisse. Die Änderung des Vieheinheitenschlüssels durch den erwähnten Erlaß berücksichtige Veränderungen im tatsächlichen Bereich, nämlich in Beziehung auf die Stallhaltungstechnik sowie besonders bei der Futterzusammensetzung und -ausnutzung. Die vom Kläger betriebene Kälbermast bewirke eine erhöhte Produktivität des Bodens; denn sie stelle eine Intensivviehhaltung dar. Die Erhöhung der Bodenproduktivität, d.h. der Vieherzeugung im Verhältnis zum bewirtschafteten Boden, sei nicht Ausdruck der Wertverhältnisse (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Oktober 1977 III R 13/75, BFHE 123, 519, BStBl II 1978, 89, unter 3 a). Würde dies nicht anerkannt, so könnten Änderungen in der Betriebsstruktur, z.B. die Einführung von 1964 noch unbekannten Mastarten, nicht berücksichtigt werden, was die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzen würde, indem Betriebe mit hoher Ertragskraft ebenso besteuert würden wie Betriebe mit niedriger Ertragskraft.
Die Veränderungen in der Technik der Tierveredelung hätten es daher erfordert, den Tierkatalog des Umrechnungsschlüssels zu ergänzen und zu differenzieren. Die mit dem erwähnten Erlaß vorgenommenen Änderungen beruhten auf Erfahrungen und Erkenntnissen der Finanzverwaltung über die Futteraufnahme bei Mastkälbern. Sie seien aus einer Vielzahl von Fällen hergeleitet worden. Der Erlaß enthalte eine Richtlinie, die der Verwaltungsvereinfachung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung diene und eine Schätzung der typischen Futterverwertung eines Mastkalbes darstelle. Der Erlaß sei daher in eine Reihe zu stellen mit anderen Bewertungsrichtlinien, Richt- und Pauschsätzen sowie AfA-Tabellen. In der Rechtsprechung sei allgemein anerkannt, daß Richtlinien dieser Art als Schätzungen wegen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch von den Finanzgerichten zu beachten seien, soweit sich nicht im Einzelfall ein offensichtlich willkürliches Ergebnis einstelle. Diese Bindung sei von der Vorinstanz nicht beachtet worden, so daß auch § 162 AO 1977 verletzt sei.
Für den Fall, daß die Vorinstanz Zweifel gehabt haben sollte, ob die im erwähnten Erlaß angesetzten Werte zutreffend ermittelt worden seien bzw. im Einzelfall zu einer offensichtlich willkürlichen Besteuerung führten, wäre sie gemäß § 76 FGO zu eigenen Ermittlungen verpflichtet gewesen. Ermittlungsbedürftig sei die Tatsache gewesen, daß neue Stalltechniken und Futtermethoden zu einem geänderten Mastverfahren geführt hätten, so daß eine Änderung des Umrechnungsschlüssels geboten gewesen sei. Das Ergebnis einer entsprechenden Beweisaufnahme hätte die von der Verwaltung ermittelten Werte bestätigt. Dies wiederum hätte die Vorinstanz zu einer anderen Entscheidung kommen lassen müssen.
Der Kläger ist den Revisionen entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revisionsverfahren V R 110-112/84 werden gemäß § 73 Abs.1 Satz 1 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Revisionen des FA sind unbegründet; sie werden zurückgewiesen (§ 126 Abs.2 FGO). Das FG hat die angefochtenen Bescheide, soweit diese noch umstritten sind, zu Recht aufgehoben.
1. Die vom FA vorgenommene Besteuerung der durch den Kläger in den Besteuerungszeiträumen 1972 bis 1974 bewirkten Umsätze, statt nach § 24 UStG 1967/1973, nach dessen allgemeinen Vorschriften, könnte dann rechtmäßig sein, wenn die Umsätze nicht im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführt worden wären (§ 24 Abs.1 Satz 1 UStG 1967/1973). Dies hätte zur Voraussetzung, daß die diesbezügliche unternehmerische Betätigung des Klägers nicht unter § 24 Abs.2 Satz 1 Nr.2 UStG 1967/1973 fiele, wonach als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe gelten, soweit ihre Tierbestände nach § 51 BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören. Die Zugehörigkeit zur landwirtschaftlichen Nutzung ist vom FG zu Recht bejaht worden (unter 3.).
2. Die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträgen für die Jahre 1975 und 1976 hat zur Voraussetzung, daß der Betrieb des Klägers einen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs.1 Sätze 1 und 2 GewStG darstellte, worunter ein gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG zu verstehen ist. Ein gewerbliches Unternehmen in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die diesbezüglichen Einkünfte solche aus Land- und Forstwirtschaft sind, zu denen nach § 13 Abs.1 Nr.1 EStG auch die Einkünfte aus der Tierzucht und Tierhaltung im Rahmen der in der Vorschrift bezeichneten, auf eine Berechnung nach Vieheinheiten abgestellten Grenzen gehören. Bei der Ermittlung dessen sind die Tierbestände nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten umzurechnen, und § 51 Abs.2 bis 5 BewG ist anzuwenden (vgl. zur Abgrenzung der landwirtschaftlichen Tierzucht oder Tierhaltung gegenüber der gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung: BFH-Urteile vom 12.August 1982 IV R 69/79, unter 3., BFHE 136, 470, BStBl II 1983, 36, und vom 4.Oktober 1984 IV R 195/83, unter 1., BFHE 142, 272, BStBl II 1985, 133). Insoweit hat das FG die Zugehörigkeit zu den Gewerbebetrieben zu Recht verneint (unter 3.).
3. Das FA hätte die angefochtene Feststellung eines Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1.Januar 1974 nicht vornehmen dürfen (vgl. § 19 Abs.1 Nr.2 i.V.m. §§ 95 ff. BewG); denn der Kläger betreibt eine Land- und Forstwirtschaft im bewertungsrechtlichen Sinne, und diese stellt den Hauptzweck seines Unternehmens dar (§ 95 Abs.3 BewG).
Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (vgl. § 19 Abs.1 Nr.1 BewG) umfaßt alle Wirtschaftsgüter, die einem solchen Betrieb dauernd zu dienen bestimmt sind (§ 33 Abs.1 Satz 1 BewG). Hierzu gehört u.a. der Wirtschaftsteil, der u.a. die landwirtschaftliche Nutzung umfaßt (vgl. § 34 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 Nr.1 Buchst.a BewG). Zur landwirtschaftlichen Nutzung rechnen u.a. die Tierbestände nach Maßgabe des § 51 BewG.
a) Das FG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß die beim Kläger vorhandenen Tierbestände im vollen Umfang zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
aa) Tierbestände sind dann im vollen Umfang der landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen, wenn die Anzahl der maßgebenden Vieheinheiten nicht die in § 51 Abs.1 Satz 1 BewG vorgesehene Grenze übersteigt. Die Tierbestände sind nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten umzurechnen (§ 51 Abs.1 Satz 2 BewG). Hierbei ist der Umrechnungsschlüssel der Anlage 1 zum BewG zu entnehmen (§ 51 Abs.4 Satz 1 BewG).
bb) Nach den Feststellungen des FG betrug die vom Kläger in der fraglichen Zeit regelmäßig landwirtschaftlich genutzte Fläche 20,06 ha. Das FG hat mithin zutreffend angenommen, daß die für den Kläger gemäß § 51 Abs.1 Satz 1 BewG maßgebende Grenze bei 200,42 Vieheinheiten liegt.
Die Grenze verläuft nicht etwa bei 207 Vieheinheiten. Denn dem § 51 Abs.1 Satz 1 BewG ist kein Anhalt dafür zu entnehmen, daß ein angefangener als voller Hektar zu berücksichtigen sei (a.A. offenbar Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 14.Aufl., § 51 BewG, Tabelle in Rdnr.4).
Ob der Kläger auf der von ihm regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche das für die Kälbermast erforderliche Futter wirklich erzeugt hat, ist unerheblich, weil es nur auf das Vorhandensein einer eigenen Futtergrundlage ankommt (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8.Aufl., § 51 BewG Rdnr.11; Rössler/Troll, a.a.O., § 51 BewG Rdnr.4; siehe auch BFH-Urteil vom 29.Juni 1988 X R 33/82, unter II 2 a, BFHE 154, 184, BStBl II 1988, 922).
cc) Das FG hat die Umrechnung der Tierbestände des Klägers nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten zutreffend vorgenommen (§ 51 Abs.1 Satz 2 und Abs.4 Satz 1 BewG, Anlage 1 zum BewG).
Aus dem in der Anlage 1 zum BewG enthaltenen Umrechnungsschlüssel kommt allein die Anwendung der Werte für die Tierart "Rindvieh" und aus dieser der Wert der Gruppe "Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr 0,30 Vieheinheiten" in Betracht. Maßgebend ist nicht etwa die Gruppe "Kühe, Färsen, Masttiere 1,00 Vieheinheiten". Wie die Gleichsetzung der "Masttiere" dem Vieheinheitenwert nach (1,00) mit Kühen und Färsen sowie die übrige Struktur des Umrechnungsschlüssels zur Tierart "Rindvieh" ergibt, kann mit "Masttiere" nur solches Rindvieh gemeint sein, das auf Grund seines Alters nicht in die Gruppe "Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr" fällt, z.B. Mastrinder, Mastbullen und Mastochsen.
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Auffassung des FG, bei der Anwendung des Schlüssels zur Umrechnung der Tierbestände nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten (Anlage 1 zum BewG) sei der maßgebende Vieheinheitenwert (0,30) nicht mit der Zahl der in den einzelnen Streitjahren vom Kläger wirklich gemästeten Kälber zu multiplizieren, sondern mit einer kleineren Zahl, bei der berücksichtigt wird, daß die Mastkälber im Gegensatz zu Zuchtvieh nur eine beschränkte, weit unter einem Jahr liegende Zeitspanne im Betrieb des Klägers verweilen. Die im Umrechnungsschlüssel enthaltenen Vieheinheitenwerte beruhen auf dem Futterbedarf für die Erzeugung eines Tieres (z.B. eines Mastschweines) bzw. für dessen zwölfmonatige Haltung (z.B. einer Milchkuh) --vgl. BTDrucks IV/1488 S.46 l.Sp. vorletzter Ab.; Steinhardt, Bewertungsgesetz, Vermögensteuergesetz, Kommentar, 6.Aufl., § 51 BewG Tz.5; Gürsching/Stenger, a.a.O., § 51 BewG Rdnr.12; Rössler/Troll, a.a.O., § 51 BewG Rdnr.5--. Dies ist im Umrechnungsschlüssel teilweise berücksichtigt, z.B. bei den innerhalb der Tierart Schweine jeweils eine selbständige Gruppe darstellenden Zuchtschweinen (0,33 Vieheinheiten) einerseits und Mastschweinen (0,16 Vieheinheiten) andererseits. Eine entsprechende Differenzierung liegt bei der Tierart Rindvieh in der Gruppe "Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr" nicht vor, so daß davon ausgegangen werden kann, das Gesetz habe insoweit für das einzelne Tier den Futterbedarf für eine ein Jahr umfassende Zeitspanne zugrunde gelegt.
Die vom Kläger gemästeten Kälber verlassen, wie das FG --ungerügt-- festgestellt hat, den Betrieb des Klägers bereits nach 130 Tagen (ca. 19 Wochen). Das FG hat deshalb den Umrechnungsschlüssel zutreffend ausgelegt und angewendet, indem es die Zahl der vom Kläger in den einzelnen Streitjahren erzeugten Mastkälber im Verhältnis von 19 zu 52 Wochen gekürzt hat. Auch im übrigen weist die vom FG vorgenommene Berechnung keine Fehler auf, so daß sich gegen die Annahme des FG, der Tierbestand beim Kläger habe die Grenzen des § 51 Abs.1 Satz 1 BewG nicht überschritten, keine Bedenken ergeben.
4. Angesichts dessen ist die Rüge des FA unbegründet, das FG hätte bei der erörterten Berechnung gemäß § 51 Abs.1 Satz 1 und Abs.4 Satz 1 BewG, statt die Anlage 1 zum BewG heranzuziehen, den bereits erwähnten Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen S 3132 - 7 - V A 4 (a.a.O.; vgl. auch Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 19.Januar 1981 S 3132 - 1 - 34, Der Betrieb --DB-- 1981, 769) anwenden müssen. die Anwendung dieses Erlasses war weder nach den Grundsätzen der Zulässigkeit einer Rechtsfortbildung noch unter dem vom FA geltend gemachten Gesichtspunkt geboten, daß die Finanzgerichte eine zulässigerweise auf dem Wege der Schätzung gewonnene Richtlinie zu beachten hätten.
a) Die ergänzende Rechtsfortbildung setzt das Vorhandensein einer Lücke im Gesetz voraus (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 4 AO 1977 Tz.113, m.w.N.). Beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung für einen zu beurteilenden Sachverhalt liegt eine Lücke im Gesetz dann vor, wenn insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts gegeben ist, d.h. wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie (einschließlich des aus der Rechtsidee abzuleitenden Gleichbehandlungsgrundsatzes), unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist und wenn die Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Keine Gesetzeslücke in diesem Sinne stellt der sog. rechtspolitische Fehler dar, der dann vorliegt, wenn das Gesetz zwar unter dem Gesichtspunkt der Rechtspolitik verbesserungsbedürftig erscheint, nicht aber, gemessen an der ihm immanenten Teleologie, planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig (BFH-Urteil vom 24.Januar 1974 IV R 76/70, unter 2 a, BFHE 111, 329, BStBl II 1974, 295; vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO 1977 Tz.113).
Hinsichtlich der Umrechnung des Tierbestandes beim Kläger in Vieheinheiten mittels der Anlage 1 zum BewG ist eine Lücke im erörterten Sinne nicht vorhanden. Zwar differenziert die Anlage 1 bei der Tierart "Rindvieh" in der Gruppe "Kälber und Jungvieh unter 1 Jahr" nicht zwischen der Tierhaltung zu Zucht- und zu Mastzwecken. Die vom Senat gebilligte Auslegung des Umrechnungsschlüssels durch das FG (unter II.3.) ermöglicht jedoch die Anwendung der Anlage 1 auch auf Kälber, die zu Mastzwecken gehalten werden. Das rechtliche Ergebnis einer solchen Auslegung und Anwendung im Streitfall widerspricht nicht Sinn und Zweck des Gesetzes.
Von einer gesetzlichen Lücke kann ferner nicht in dem Sinne die Rede sein, daß der Gesetzgeber nicht bedacht hätte, die dem Umrechnungsschlüssel zugrunde liegenden wirtschaftlichen Gegebenheiten, insbesondere das Verhältnis zwischen der eigenen Futtergrundlage und der Größe des durch diese gewährleisteten Tierbestandes, könnte sich im Lauf der Zeit verändern. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit einer solchen Möglichkeit gerechnet und hat sogar Erleichterungen für die Anpassung der Anlage 1 zum BewG vorgesehen, wie die Regelung in § 51 Abs.4 Satz 2 BewG belegt. Nach der zitierten Vorschrift kann für die Zeit von einem nach dem 1.Januar 1964 liegenden Hauptfeststellungszeitpunkt an der Umrechnungsschlüssel für Tierbestände in Vieheinheiten durch Rechtsverordnung den Änderungen der wirtschaftlichen Gegebenheiten, auf denen der Umrechnungsschlüssel beruht, angepaßt werden. Hierin kommt zum Ausdruck, daß die erleichterte Anpassung des Umrechnungsschlüssels für den sich an die Hauptfeststellung auf den 1.Januar 1964 anschließenden Hauptfeststellungszeitraum nicht möglich sein soll. Dies wiederum ist ein Indiz für den gesetzgeberischen Willen, den Umrechnungsschlüssel in Anlage 1 zum BewG bis zur zweiten --immer noch ausstehenden-- Hauptfeststellung unverändert bestehen zu lassen. Der Gesetzgeber mag hierbei davon ausgegangen sein, daß der erste Hauptfeststellungszeitraum erheblich kürzer sein würde, als er es wirklich ist. Angesichts der beim Erlaß des BewG bereits vorliegenden Erfahrungen damit, daß Hauptfeststellungszeiträume eine unerwartet lange Dauer haben können, kann ausgeschlossen werden, daß der Gesetzgeber hiermit nicht gerechnet hätte. Es gibt auch keinen Anhalt dafür, daß der gesetzgeberische Wille, den Umrechnungsschlüssel bis zur zweiten Hauptfeststellung unverändert bestehen zu lassen, eine zeitliche Begrenzung dahin enthalten hätte, daß der unveränderte Fortbestand jedenfalls nicht mehr für die Streitjahre gelten solle.
Entgegen der Annahme des FA ergibt sich nichts Gegenteiliges aus § 27 BewG, wonach bei Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für den Grundbesitz und für Mineralgewinnungsrechte die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen sind. Diese Regelung spricht eher für die hier vertretene Ansicht als für die des FA. Denn der Umrechnungsschlüssel von Tierbeständen in Vieheinheiten (Anlage 1 zum BewG) gehört zu den unverändert zugrunde zu legenden Maßzahlen (vgl. Rössler/Troll, a.a.O., § 27 BewG Rdnr.10). Auch dies deutet auf den gesetzgeberischen Willen hin, den Umrechnungsschlüssel während des gesamten ersten Hauptfeststellungszeitraumes unverändert maßgebend sein zu lassen, und schließt die Annahme aus, daß insoweit eine gesetzliche Lücke vorhanden sein könnte.
b) Der Senat vermag dem FA schließlich nicht darin zu folgen, daß das FG den Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen S 3132 - 7 - V A 4 (a.a.O.) hätte beachten müssen, mindestens aber gehalten gewesen sei, die dem Erlaß zugrunde liegenden Ermittlungen nachzuvollziehen.
Die vom FA insoweit vertretene Ansicht läuft auf die Frage nach der Anwendung bzw. Nichtanwendung des Umrechnungsschlüssels aus der Anlage 1 zum BewG hinaus. Diese Frage betrifft die von Verfassungs wegen bestehende Verpflichtung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung, gültige Gesetze ebenso wie die das Recht zu beachten (Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland). Die Anwendung des Umrechnungsschlüssels aus der Anlage 1 zum BewG war mithin nicht in das Belieben des FG gestellt. Angesichts dessen braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob und inwieweit eine Bindung der Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit durch Verwaltungsvorschriften eintreten kann (vgl. hierzu Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO 1977 Tz.32 ff.).
Sowohl die Rüge einer Verletzung des die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen betreffenden § 162 AO 1977 ist unbegründet als auch die der Verletzung des § 76 FGO.
Dadurch, daß der Senat durch Vorbescheid erkennt (unter 6.), erhält der Bundesminister der Finanzen Gelegenheit, in Kenntnis der Erwägungen des Senats dem Verfahren beizutreten (§ 122 Abs.2 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 62820 |
BFH/NV 1989, 53 |
BStBl II 1989, 1036 |
BFHE 158, 157 |
BFHE 1990, 157 |
BB 1989, 2325-2325 (L1-4) |
DB 1989, 2583 (LT) |
DStR 1989, 722 (K) |
HFR 1990, 176 (LT) |