Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsausgabenabzug für Kosten eines Skilehrgangs?
Leitsatz (NV)
1. Die Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang, der von einem Ärzteverband veranstaltet wird und mit bestimmten Stundenzahlen auf die Voraussetzungen zur Erlangung der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" angerechnet werden kann, ist nicht ganz überwiegend betrieblich veranlaßt, wenn der Lehrgang nach Programm und Durchführung in nicht unerheblichem Maße die Verfolgung privater Erholungs- und Erlebnisinteressen, z. B. die Ausübung von Wintersport zur Skihauptsaison an einem bekannten Wintersportort, zuläßt.
2. Die Aufwendungen eines freiberuflich tätigen Arztes für einen solchen Lehrgang sind daher - abgesehen von der Teilnahmegebühr - nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig (Anschluß an BFH-Urteil vom 19. Oktober 1989 IV R 155/88, BFHE 158, 532, BStBl II 1990, 134).
3. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung kann grundsätzlich nicht widerrufen werden.
4. Wird auf Antrag des Klägers ein Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens beim BFH, so entscheidet der BFH über den ursprünglichen Streitstoff aufgrund der Tatsachenfeststellungen des FG, muß jedoch wegen der neuen Streitpunkte, die der Änderungsbescheid enthält, die Sache an das FG zurückverweisen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2; FGO §§ 44, 68, 90
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der mit der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), seiner Ehefrau, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wird, erzielte im Streitjahr (1981) Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Facharzt für innere Medizin. Bei der Ermittlung des Gewinns aus der freiberuflichen Tätigkeit zog der Kläger u. a. die Kosten der Teilnahme an einer Veranstaltung des Deutschen Sportärztebundes in St. Moritz vom 6. bis 19. September 1981 in Höhe von 2 461,74 DM als Betriebsausgaben ab. Dazu machte der Kläger geltend, er habe an der Veranstaltung teilgenommen, um die Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" führen zu können.
Die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer . . . sieht für die Vergabe der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" die Erfüllung folgender Voraussetzungen vor: Entweder 1. eine einjährige ganztägige Weiterbildung in einem sportmedizinischen Institut unter der Leitung eines ermächtigten Arztes oder 2. Teilnahme an von der Ärztekammer anerkannten Einführungskursen in Theorie und Praxis der Leibesübungen von mindestens 120 Stunden Dauer, Teilnahme an von der Ärztekammer anerkannten sportmedizinischen Kursen von insgesamt mindestens 120 Stunden Dauer und einjährige praktische sportärztliche Tätigkeit in einem Sportverein oder Sportverband.
Das Programm, an dem der Kläger nach vorgelegten Testaten teilgenommen hat, sah folgendes vor: 9.00 Uhr bis 10.00 Uhr autogenes Training, 10.00 Uhr bis 11.00 Uhr Spiroergometrie, 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr bzw. 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr aktive Übungen, 16.00 Uhr bis 17.00 Uhr EKG-Kurs bzw. Notfall- und Rettungsmedizin, 17.00 Uhr bis 19.30 Uhr wissenschaftliche Referate. Als aktive Übungen wurden u. a. Ballspiele, Leichtathletik, Segeln, Reiten, Tennis, Golf, Windsurfen, Bergwandern, Bergsteigen und Höhentraining angeboten. Der Kläger nahm nach seinen Angaben an einem Ausdauertraining, Schwimmübungen, Radfahrtraining und Sommerskilauf teil und betrieb außerdem täglich Frühgymnastik.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ den Abzug der streitigen Aufwendungen zunächst in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Einkommensteuerbescheid zu. Nach einer Betriebsprüfung lehnten der Prüfer und, ihm folgend, das FA den Betriebsausgabenabzug unter Hinweis auf § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Das FA erließ gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Kongreßgebühr in Höhe von 200 DM zum Abzug zu, wies jedoch im übrigen die Klage als unbegründet ab.
Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision, mit der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Abs. 4 und § 12 Nr. 1 EStG) gerügt werden.
Nach Ergehen des FG-Urteils ist der angefochtene und durch das FG-Urteil geänderte Bescheid durch das FA gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 und danach und im Zusammenhang damit erneut gemäß § 129 AO 1977 geändert worden. Den Änderungsbescheiden vom 23. Juni 1988 und vom 16. Juni 1989 liegt folgendes zugrunde: Der Kläger hat 1982 an einer Veranstaltung in Wolkenstein teilgenommen und die Kosten als Betriebsausgaben abgezogen. Eine Anzahlung in Höhe von 830 DM war im Streitjahr 1981 geleistet und als Betriebsausgabe abgezogen worden. Das FA ließ die Kosten für die Veranstaltung nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zu, erhöhte demzufolge den Gewinn 1981 um 830 DM und änderte den Bescheid 1981 entsprechend. Der Kläger hat beantragt, den geänderten Bescheid vom 16. Juni 1989 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, da beide Parteien auf eine solche verzichtet haben. Der späteren Anregung der Kläger, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, falls eine gutachtliche Stellungnahme des Direktors des Instituts für Leistungs- und Sportmedizin der Universität . . . für sinnvoll erachtet wird, konnte der Senat nicht folgen, da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Verzicht auf mündliche Verhandlung nicht widerrufen werden kann (vgl. Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 90 Rz. 13 mit Rechtsprechungsnachweisen) und außerdem der BFH im Revisionsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen des FG mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO) und insoweit keine weiteren Beweise erheben kann.
II. Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Nach der Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids durch den Änderungsbescheid vom 23. Juni 1988 und dessen Änderung durch den weiteren Änderungsbescheid vom 16. Juni 1989 ist gemäß § 68 FGO entsprechend dem Antrag des Klägers der Änderungsbescheid vom 16. Juni 1989 zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
2. Der VI. Senat des BFH hat mit Urteil vom 19. Oktober 1989 VI R 155/88 (BFHE 158, 532, BStBl II 1990, 134) entschieden, die Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang, der von einem Ärzteverband veranstaltet werde und mit bestimmten Stundenzahlen auf die Voraussetzungen für die Erlangung der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" angerechnet werden könne, sei nicht ganz überwiegend beruflich veranlaßt, wenn der Lehrgang nach Programm und Durchführung in nicht unerheblichem Maße die Verfolgung privater Erlebnis- und Erholungsinteressen zulasse. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn der Lehrgang zur Skihauptsaison an bekannten Wintersportorten stattfinde und weitgehend Gelegenheit zur Ausübung des Wintersports biete. Im Anschluß daran hat der erkennende Senat mit Urteil vom heutigen Tage IV R 60/88, BFHE 160, 313, BStBl II 1990, 736 im Falle eines freiberuflich tätigen Arztes entschieden, daß die Kosten für einen nach gleichen Grundsätzen durchgeführten Lehrgang gemäß § 12 Nr. 1 EStG auch nicht als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit als Arzt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abgezogen werden können. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Urteil IV R 60/88 verwiesen.
3. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall erweist sich die Entscheidung des FG, die streitigen Aufwendungen mit Ausnahme der Kongreßgebühr von 200 DM nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zuzulassen, als zutreffend. Die vom Kläger nach seinem eigenen Vorbringen abgeleisteten praktischen Übungen bestanden allerdings nicht, wie in den Fällen des Urteils in BFHE 158, 532, BStBl II 1990, 134 und des Urteils IV R 60/88 im wesentlichen in der Teilnahme an Skikursen. Für die vom Kläger durchgeführten Übungen, nämlich Ausdauertraining, Schwimmen, Radfahren und Sommerski, kann jedoch nichts anderes als für den winterlichen Skisport gelten. Denn wie dieser so sind auch jene bei objektiver Betrachtung als allgemein der Gesundheit förderliche Ausübung von Sport an einem bekannten und beliebten Urlaubsort und damit als Teil der privaten Lebensführung anzusehen. Ungeachtet des mit den Übungen verbundenen Nutzens für die berufliche Tätigkeit, nämlich die Anrechnung von Übungsstunden auf die Pflichtzahl der Übungen zur Erlangung der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" wird hiernach der Abzug der damit verbundenen Aufwendungen durch § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeschlossen.
4. Gleichwohl mußte das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden. Wird ein Änderungsbescheid auf Antrag des Klägers in einem beim BFH anhängigen Verfahren nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens, so entscheidet der BFH über den ursprünglichen Streitstoff aufgrund der Tatsachenfeststellungen des FG, muß jedoch wegen der neuen Streitpunkte, die der Änderungsbescheid enthält, die Sache an das FG zurückverweisen, das insoweit ohne Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens nach § 44 FGO entscheidet (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1973 VI R 144-145/70, BFHE 110, 401, BStBl II 1974, 34, und vom 8. Oktober 1985 VIII R 78/82, BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302). Dem steht nicht entgegen, daß die Kläger gegen den Änderungsbescheid zunächst Einspruch eingelegt haben. Mit dem Antrag nach § 68 FGO ist nämlich gleichzeitig der Einspruch zurückgenommen worden (Urteil in BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302).
Fundstellen
Haufe-Index 63009 |
BFH/NV 1991, 37 |