Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerumgehung durch Einschaltung einer Basisgesellschaft in der Schweiz
Leitsatz (NV)
Hat ein inländisches Unternehmen Waren von einem ausländischen Hersteller über eine zwischengeschaltete Basisgesellschaft mit Sitz in der Schweiz bezogen, so ist die Abwicklung des Wareneinkaufs über die Basisgesellschaft nicht als rechtsmißbräuchlich anzusehen, wenn hierfür beachtliche wirtschaftliche Gründe maßgeblich waren. Das gilt auch dann, wenn die erforderliche Geschäftstätigkeit der Basisgesellschaft nicht durch deren Organe, sondern durch die Geschäftsführer des inländischen Unternehmens ausgeübt wurde.
Normenkette
StAnpG § 6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH & Co KG - wurde im Streitjahr 1971 in der Rechtsform einer OHG betrieben. Gesellschafter waren A. und B. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war u. a. der Handel mit . . . Produkten. Die Klägerin bezog diese Produkte von der R-GmbH im Inland, einer Vertriebsgesellschaft. Die R-GmbH hatte der Klägerin einen Sonderrabatt in Höhe von 10 v. H. auf die Endstaffelpreise eingeräumt. Mit Schreiben vom 18. Dezember 1970 kündigte die R-GmbH diese Rabattvereinbarung zum 31. März 1971 mit der Begründung, ihre Vertriebskosten seien gestiegen. Die R-GmbH wies die Klägerin jedoch darauf hin, daß sie die X-Erzeugnisse möglicherweise von dem Herstellerwerk in Belgien (SA) oder von der R-AG in der Schweiz zu günstigeren Preisen erwerben könne.
Die Klägerin nahm daraufhin Verbindung zu der SA in Belgien auf. Mit Schreiben vom 25. Januar 1971 lehnte es die SA ab, die Klägerin zu beliefern, und stellte es ihr anheim, sich nochmals mit der R-GmbH in Verbindung zu setzen, da alle Erzeugnisse ausschließlich über diese Gesellschaft nach der Bundesrepublik Deutschland ausgeführt würden.
In der Folgezeit bezog die Klägerin die X-Erzeugnisse von der SA unter Einschal
tung der Ende Februar 1971 gegründeten K-AG mit Sitz in der Schweiz. Dabei wurden die Waren unmittelbar von der SA an die Klägerin versandt. Die Rechnungen schickte die SA an die K-AG, die sie an die Gesellschafter der Klägerin weiterleitete. In deren Büro wurden dann unter Verwendung von Rechnungsvordrucken der K-AG Rechnungen an die Klägerin erstellt, in denen die Waren zu höheren Preisen fakturiert wurden. Inhaber sämtlicher Aktien der K-AG sind A. und B. An der Gründung der K-AG waren zunächst drei Schweizer Staatsbürger beteiligt. Von diesen war Z. durch einen mit A. und B. geschlossenen Mandatsvertrag mit dem Mandat als Domizilhalter, Gründer, Verwaltungsratspräsident und einziger Verwaltungsrat betraut worden.
Das Gründungskapital stellten A. und B. zur Verfügung.
Nach der Gründung hielt Z. sämtliche Aktien der K-AG treuhänderisch für A. und B.
Z. oblagen die Verwaltung, die Vertretung nach außen, die Buchführung und die Erledigung der Steuerangelegenheiten der K-AG. A. und B. waren ihm gegenüber weisungsberechtigt und verpflichtet, die Mittel für die Geschäftsführung bereitzustellen.
Die K-AG wurde im Schweizerischen Regionenbuch mit dem Domizilvermerk ,,bei Z." eingetragen.
Einziger Kunde der K-AG war im Streitjahr und in den folgenden Jahren die Klägerin. Die K-AG erzielte in den Jahren 1971 bis 1973 Gewinne in Höhe von . . .
Im Anschluß einer Prüfung der Steuerfahndungsstelle vertrat das Finanzamt (FA) die Ansicht, die bei der K-AG angefallenen Gewinne seien gemäß § 6 StAnpG der Klägerin zuzurechnen, da die K-AG keine eigene wirtschaftliche Funktion habe, sondern nur der Verlagerung von Einkünften ins niedrig besteuernde Ausland diene. Das FA erließ einen entsprechend berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid 1971.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.Das Finanzgericht (FG) ließ offen, ob für die Gründung der K-AG wirtschaftliche Gründe maßgeblich gewesen seien. Die Abwicklung der Geschäftsbeziehungen mit der SA über die K-AG sei jedenfalls deshalb rechtsmißbräuchlich, weil die K-AG keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet habe.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Während des Revisionsverfahrens ist über das Vermögen der Klägerin das Konkursverfahren eröffnet worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
I. Das Revisionsverfahren ist durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Klägerin nicht unterbrochen worden (§ 240 ZPO i. V. m. § 155 FGO). Der Konkurs über das Vermögen einer Handelsgesellschaft berührt das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren nicht, da seine steuerlichen Folgen die Gesellschafter persönlich betreffen (BFH-Urteil vom 13. Juli 1967 IV 191/63, BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790).
II. Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen, ob in der Einschaltung der K-AG ein Rechtsmißbrauch zu sehen ist.
1. Eine Steuerumgehung und damit ein Rechtsmißbrauch i. S. von § 6 StAnpG liegt vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, und wenn hierdurch ein steuerlicher Erfolg angestrebt wird, der bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1966 II 113/61, BFHE 86, 396, BStBl III 1966, 509). Basisgesellschaften im niedrig besteuernden Ausland erfüllen den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs vor allem dann, wenn für ihre Errichtung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wird (BFH-Urteile vom 19. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553; vom 29. Juli 1976 VIII R 142/73, BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263). Ob dies der Fall ist, hängt nicht allein von dem in den Statuten niedergelegten Gesellschaftszweck oder den Angaben der Gründer ab; der Gesellschaftszweck muß tatsächlich vollzogen werden und die behaupteten Gründe müssen durch wirtschaftliches Handeln der Organe in Erscheinung treten (ständige Rspr. vgl. BFH-Urteile vom 16. Januar 1976 III R 92/74, BFHE 118, 277, BStBl II 1976, 401; BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263; vom 29. Oktober 1981 I R 89/80, BFHE 134, 245, BStBl II 1982, 150).
Der BFH hat es als einen beachtlichen wirtschaftlichen Grund für die Errichtung der Basisgesellschaft angesehen, daß diese im Basisland, in Drittländern oder (und) im Inland Beteiligungen von einigem Gewicht erwerben soll, um gegenüber den Gesellschaften, an denen die Beteiligungen bestehen, geschäftsleitende Funktionen wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1980 VIII R 11/77, BFHE 132, 198, BStBl II 1981, 339). Fehlt ein wirtschaftlicher Grund dieser Art, dann sind als sonst beachtliche Gründe nur solche anzuerkennen, welche die Wahl des Sitzes und der Rechtsform gerade in diesem Fall rechtfertigen. Lassen sich die Wahl des Sitzes im niedrig besteuernden Ausland und die Wahl der Rechtsform nur mit der Absicht der Steuerersparnis erklären, dann mangelt es an sonst beachtlichen Gründen (BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263).
Für die Entfaltung einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit genügt es nicht, daß die Basisgesellschaft lediglich das Grundkapital hält und die mit der Verwaltung ihres Vermögens verbundenen Aufgaben wahrnimmt (BFHE 118, 277, BStBl II 1976, 401; BFH-Urteil vom 29. Juli 1976 VIII R 41/74, BFHE 120, 448, BStBl II 1977, 261). Notwendig ist vielmehr eine Beteiligung der Basisgesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (BFHE 120, 448, BStBl II 1977, 261).
2. Im Streitfall hat das FG festgestellt, daß alle wirtschaftlich bedeutsamen Handlungen der K-AG nicht durch deren Organe, sondern unmittelbar durch A. und B. in der Bundesrepublik vorgenommen wurden. Der gesamte Geschäftsverkehr (Bestellung der X-Erzeugnisse bei der SA, Umfakturierung der Rechnungen) wurde im Inland abgewickelt. Am Sitz der K-AG wurde nur die reine Selbstverwaltung der K-AG (steuerliche Angelegenheiten, Buchführung) durchgeführt. Diese Feststellungen rechtfertigen die Schlußfolgerung des FG, daß sich die K-AG nicht durch Handeln ihrer Organe am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt hat. Die gegen diese (auf tatsächlichem Gebiet liegende) Schlußfolgerung des FG gerichteten Verfahrensrügen der Klägerin greifen nicht durch. Dies bedarf gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) keiner Begründung.
Das FG hätte sich jedoch nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, daß die K-AG im Streitjahr keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet hat. Es durfte insbesondere nicht offenlassen, ob für die Errichtung der K-AG wirtschaftliche Gründe maßgeblich waren. Denn das Fehlen einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Basisgesellschaft indiziert nicht ohne weiteres das Fehlen wirtschaftlicher Gründe für ihre Errichtung. Eine Steuerumgehung und damit ein Rechtsmißbrauch i. S. von § 6 StAnpG kann nur angenommen werden, wenn die Einschaltung der Basisgesellschaft auf dem Hintergrund der zu regelnden wirtschaftlichen Verhältnisse unangemessen ist (Debatin in Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1968, 361, 366; BFHE 86, 396, BStBl III 1966, 509). In vielen Fällen wird allerdings schon das Fehlen einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit den Schluß zulassen, daß für die Errichtung der Basisgesellschaft nicht die behaupteten wirtschaftlichen Gründe maßgeblich waren, sondern die Absicht der Steuerumgehung. Dies gilt insbesondere für Basisgesellschaften, deren Tätigkeit sich darauf beschränkt, mit ihrem Nennkapital oder zusätzlichen Darlehensmitteln eines Gesellschafters angeschaffte Wertpapiere zu halten und zu verwalten. In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn der BFH im Urteil in BFHE 118, 277, BStBl II 1976, 401, ausführt, die Frage, ob wirtschaftliche Gründe für die Errichtung einer Gesellschaft vorliegen, sei nicht allein nach dem in den Statuten niedergelegten Gesellschaftszweck oder den Angaben der Gründer zu entscheiden; der Gesellschaftszweck müsse auch tatsächlich vollzogen sein (vgl. auch BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263).
Im Streitfall rechtfertigt der Umstand, daß die K-AG nicht durch Handlungen ihrer Organe am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen hat, für sich allein betrachtet nicht den Schluß, daß wirtschaftliche Gründe für ihre Errichtung fehlten. Denn die K-AG ist jedenfalls gegenüber der SA als Handelsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit aufgetreten, auch wenn die dabei erforderliche Geschäftstätigkeit durch A. und B. in der Bundesrepublik ausgeübt wurde.
Die Klägerin hat als Grund für die Errichtung der K-AG angegeben, daß sich die SA in Belgien geweigert habe, die Klägerin unmittelbar mit X-Erzeugnissen zu beliefern. Die Klägerin habe deshalb, um die Produkte der SA weiterhin zu günstigen Konditionen beziehen zu können, die K-AG mit Sitz in der Schweiz einschalten müssen. Auch unter Berücksichtigung der Preisaufschläge der K-AG sei es für die Klägerin vorteilhafter gewesen, die X-Erzeugnisse von der K-AG zu beziehen, als von der R-GmbH in der Bundesrepublik. Sollte dieses Vorbringen zutreffen, könnte die Errichtung der K-AG nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden.
Das FG wird die erforderlichen Feststellungen zu dieser Frage nachholen müssen.
3. Sollten die Feststellungen des FG dazu führen, daß die Zwischenschaltung der K-AG nicht als rechtsmißbräuchlich zu beurteilen ist, so können die bei der K-AG angefallenen Gewinne nicht bei der Klägerin erfaßt werden. Das FG wird dann allerdings noch prüfen müssen, ob die Zahlungen, die die Klägerin im Zusammenhang mit den Warenlieferungen an die AG geleistet hat, in vollem Umfang betrieblich veranlaßt und damit Betriebsausgaben sind. Dabei kann die betriebliche Veranlassung für die gesamten im Zusammenhang mit Warenlieferungen geleisteten Zahlungen nicht schon allein deshalb bejaht werden, weil die K-AG tatsächlich Waren verkauft hat. Erforderlich ist vielmehr, daß die gesamten Zahlungen dem Grunde und der Höhe nach deshalb geleistet worden sind, um die Waren zu erlangen. Dabei ist die Möglichkeit, daß die Zahlungen teilweise aus anderen, außerbetrieblichen Gründen geleistet worden sind, dann ernsthaft in Betracht zu ziehen, wenn der Sachverhalt außergewöhnlich ist und eine Zahlung aus anderen Gründen möglich erscheinen läßt (vgl. auch BFH-Urteile vom 24. Juni 1982 IV R 151/79, BFHE 136, 375, BStBl II 1982, 751, und vom 6. August 1985 VIII R 280/81, BFHE 144, 386, BStBl II 1986, 17).
Ist aber die Möglichkeit ernsthaft in Betracht zu ziehen, daß die Zahlungen im Zusammenhang mit Warenlieferungen teilweise nicht zur Erlangung der Ware, sondern aus anderen Gründen geleistet wurden, so ist auch zu berücksichtigen, daß der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für die betriebliche Veranlassung von Minderungen des Betriebsvermögens trägt, die er in seiner Buchführung als Betriebsvermögen ausgewiesen hat (BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562).
Fundstellen
Haufe-Index 414504 |
BFH/NV 1986, 509 |