Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsaustausch zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bei Überlassung von Gegenständen
Leitsatz (amtlich)
Vermieten die Gesellschafter ihrer Sozietät einzelne Gegenstände gegen eine jährliche Pauschalvergütung, werden umsatzsteuerrechtlich Leistungen ausgetauscht.
Orientierungssatz
Ausführungen mit BFH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft (Abgrenzung nicht steuerbarer Leistungsbeitrag - steuerbarer Leistungsaustausch).
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Entscheidung vom 02.10.1989; Aktenzeichen 14 K 180/88 U) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt mit zwei weiteren Steuerberatern eine Sozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR). Die Gesellschafter schlossen mit der GdbR am 9.Juni 1975 als Mietverträge bezeichnete Verträge ab, denen zufolge der einzelne Gesellschafter jeweils sein Kfz und das von ihm erworbene Büroinventar der Sozietät zur Verfügung stellt. Die Kosten für Unterhaltung und Ersatzbeschaffung hatte der einzelne Gesellschafter zu tragen. Die Sozietät gewährte für "die Kosten der Autounterhaltung und die Zurverfügungstellung des Büroinventars" eine jährliche Vergütung von 5 000 DM bzw. 1 000 DM zzgl. Umsatzsteuer. Es wurde ausdrücklich festgelegt, daß sich die Höhe der Vergütung bei Änderung von Art, Umfang und Wert der vermieteten Gegenstände nicht ändern sollte.
Der Gesellschaftsvertrag vom 20.Mai 1975 regelt unter Nr.VII die Gewinnverteilung mit der Ergänzung, daß daneben jedem Gesellschafter für die Kosten der Autounterhaltung eine jährliche entnahmefähige Vergütung von 6 000 DM gewährt werde. Die Kosten der Autoanschaffung und -unterhaltung sowie die Kosten für Reisen, Bewirtung und Präsente hatte jeder Gesellschafter selbst zu tragen. Nach ausdrücklicher Vereinbarung waren diese Kosten bei der Ermittlung des verteilungsfähigen Gewinns nicht abziehbar und als Sonderbetriebsausgaben des einzelnen Gesellschafters zu erfassen.
Der Kläger behandelte die von der Sozietät gezahlten Vergütungen sowie Honorareinnahmen für Tätigkeiten, die er im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbracht hatte, als steuerbaren Umsatz und ermittelte unter Berücksichtigung entsprechender Vorsteuerbeträge die von ihm geschuldete Umsatzsteuer gemäß § 19 Abs.1 und 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Unter Hinweis auf Abschn.6 Abs.10 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 1985 vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in der Einspruchsentscheidung die Auffassung, daß hinsichtlich der erklärten Vermietungsumsätze kein Leistungsaustausch, sondern ein nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag an die Sozietät vorliege. Die Klage hatte keinen Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in der Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1991, 21 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Im einzelnen trägt er vor:
Entgegen der Auffassung des FG sei von umsatzsteuerbaren Vermietungsleistungen gegen Entgelt auszugehen.
Es gehöre nicht zu den Aufgaben eines Gesellschafter-Geschäftsführers seiner Gesellschaft Kfz und Inventar zur Nutzung zu überlassen. Gegen Sonderentgelt könne ein Gesellschafter eine Leistung der Gesellschaft gegenüber erbringen, die als Leistungsaustausch anzusehen sei. Daß keine Gewinnverteilungsabrede vorliege, ergebe sich eindeutig aus den unterschiedlichen "Restgewinnquoten"; diese habe ab 1979 33,3 % - 35,7 % - 31 % betragen. Da die Vergütung der Sozietät für die Überlassung des Inventars und der PKW in allen Fällen gleich hoch gewesen sei, sei nachgewiesen, daß es sich bei der Vereinbarung nicht um eine Gewinnverteilungsabrede handele.
Der Mietvertrag vom 9.Juni 1975 sei ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen (Gleichbehandlung der Gesellschafter; Kostenbegrenzung) abgeschlossen worden. Mit dem Abschluß der Mietverträge sei kein steuerlicher Vorteil verbunden; auch bei der Sozietät wären die Vorsteuern abziehbar gewesen. § 19 Abs.3 UStG sei erst 1980 eingeführt worden.
Im Fall der Anerkennung des Mietvertrags seien auch die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Überlassung des PKW und der Büroausstattung an die Sozietät könne nicht von einer unternehmerischen Tätigkeit des Klägers ausgegangen werden. Der Gesellschaftsvertrag deklariere den Betrag von 6 000 DM eindeutig als Zuschuß. Die als Mietvertrag bezeichnete Vereinbarung, die sich ausdrücklich auf die Regelungen des Gesellschaftsvertrags beziehe, sei keine "Miete". Die unterschiedliche Verteilung des "Restgewinns" habe keinen Einfluß auf die Abmachung, daß die Gesellschaft zu den PKW-Kosten einen einheitlichen "Kostenbeitrag" leiste.
Der Auffassung des Klägers, daß die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen seien, könne nicht gefolgt werden (Abschn.10 Abs.1 UStR 1988). Im übrigen sei diese Frage ohne Bedeutung, wenn wegen fehlenden Leistungsaustausches keine unternehmerische Tätigkeit vorliege.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Mit der Überlassung des PKW und des Büroinventars an die Sozietät hat der Kläger gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 gegen Entgelt sonstige Leistungen im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt.
Der Leistungsaustausch ist gekennzeichnet durch die innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Die Leistung wird erbracht, um die Gegenleistung zu erhalten. Diese wiederum wird bewirkt, um die Leistung zu erhalten. Stehen die einander gewährten Leistungen in dieser Wechselbeziehung und gegenseitigen Abhängigkeit ist der Tatbestand der entgeltlichen Leistung erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.Februar 1980 V R 90/75, BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535; vom 7.Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495, und vom 4.Juli 1985 V R 107/76, BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153).
Bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dementsprechend zu unterscheiden zwischen Leistungen, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden, und solchen, die als Gesellschafterbeitrag i.S. des § 706 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch das Gesellschaftsverhältnis (causa societatis) veranlaßt sind und die durch die Beteiligung an Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden (BFH-Urteile vom 17.Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622; vom 10.Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757, und vom 7.November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269). Dabei ist unerheblich, ob die Leistung auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruht.
Steuerbare entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 sind danach gegeben, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft beruhen, die auf den Austausch der Gesellschafterleistung gegen dafür gewährtes Entgelt ausgerichtet sind, wenn also die Gesamtumstände derart gestaltet sind, daß der leistende Unternehmer erkennbar um der Gegenleistung willen leistet (BFH in BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757, unter II. 2. a). Die Abhängigkeit des Entgeltanteiles (Gewinnanteiles) vom Umfang des jeweiligen Leistungsbeitrages ist das entscheidende Merkmal der Abgrenzung zwischen nicht steuerbarem Leistungsbeitrag und steuerbarem Leistungsaustausch (BFH-Urteil vom 7.Dezember 1967 V 45/65, BFHE 91, 448, BStBl II 1968, 398); die Zahlungen müssen von der jeweiligen Leistung abhängig sein (Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 19.Juli 1935 V A 500/34, RStBl 1935, 1152).
2. Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall hinsichtlich der Überlassung des PKW und des Büroinventars entgegen der Auffassung des FG ein Leistungsaustausch gegen (Sonder-) Entgelt vor. Der Kläger hat der Gesellschaft gegen Entgelt seinen PKW und Teile des Büroinventars zur Verfügung gestellt. Leistung und Gegenleistung stehen in einem inneren Zusammenhang. Der Kläger erhält das Entgelt dafür, daß er der Gesellschaft die bezeichneten Gegenstände zur Nutzung überläßt. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß sich die Höhe der Vergütung bei Änderung von Art, Umfang und Wert der vermieteten Gegenstände nicht ändern sollte. Mit dieser Vereinbarung wird nicht die Abhängigkeit des Entgelts vom Umfang der Leistung beseitigt; vielmehr handelt es sich um eine pauschalierende Vereinbarung, die die Beteiligten aus Gründen der Vereinfachung und der Gleichbehandlung getroffen haben, die aber die grundsätzliche Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht berührt. Dies ergibt sich auch daraus, daß die anderen Gesellschafter --trotz abweichender Gewinnanteile-- gleich hohe Entgelte für die Überlassung der Wirtschaftsgüter erhielten. Ebenso steht der Annahme eines Leistungsaustausches nicht entgegen, daß die Regelung dem Grunde nach bereits im Gesellschaftsvertrag vereinbart war; entscheidend ist der materielle Inhalt der Vereinbarung, nicht die äußere Form.
3. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob die vom Kläger erklärten Besteuerungsgrundlagen der Besteuerung zugrunde zu legen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 64718 |
BFH/NV 1993, 50 |
BStBl II 1993, 529 |
BFHE 171, 114 |
BFHE 1994, 114 |
BB 1993, 1577 |
BB 1993, 1577 (LT) |
DStR 1993, 914 (KT) |
DStZ 1993, 445 (KT) |
StE 1993, 328 (K) |