Leitsatz (amtlich)
1. Ein Staatsangehöriger der USA, der in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) Wohnsitz und Gewerbebetrieb unterhält, bleibt in der BRD auch dann unbeschränkt steuerpflichtig, wenn er mit einer Angehörigen der Streitkräfte der USA in der BRD die Ehe schließt.
2. Seine Ehefrau wird in der BRD durch Wohnsitzbegründung unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie mit ihrem Ehemann eine gemeinsame Familienwohnung innehat.
Normenkette
EStG §§ 1, 3, 26; Truppenvertrag Art. 1 Nr. 7; Steuerabkommen Art. 2 Abs. 3 Buchst. a; DBA USA 1954 Art. 11 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 Buchst. b
Tatbestand
Streitig ist, ob der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) der unbeschränkten oder der beschränkten Steuerpflicht unterliegt.
Nach den unbestrittenen Feststellungen des FG ist der in Deutschland geborene Steuerpflichtige seit dem Jahre 1951 Staatsangehöriger der USA. Er hat seit dem Jahre 1956 seinen ständigen Wohnsitz in der BRD, wo er einen Gewerbebetrieb unterhält. Er ist seit dem Jahre 1957 mit einer Staatsangehörigen der USA verheiratet, die seit dem Jahre 1953 als Angestellte im Dienste der in der BRD stationierten Streitkräfte ihres Landes tätig ist.
Der Steuerpflichtige beantragte für das Streitjahr (1962) hinsichtlich der von ihm erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau, deren Einkünfte nach § 3 EStG unbestritten steuerfrei sind.
Der Revisionskläger (das FA) lehnte die Veranlagung ab und führte auf den Einspruch des Steuerpflichtigen aus, daß dieser infolge seiner Eheschließung nach den Vorschriften des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der BRD (Truppenvertrag - BGBl II 1955, 321) und des Abkommens über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der BRD (Steuerabkommen - BGBl II 1955, 469) zu den Mitgliedern der Streitkräfte zähle, die in der BRD weder einen Wohnsitz begründeten noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hätten.
Die Klage des Steuerpflichtigen zum FG hatte Erfolg. Dieses setzte die Einkommensteuer 1962 auf den Betrag herab, der sich für den Fall der Zusammenveranlagung ergab.
Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die formund fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Steuerpflichtige und seine Ehefrau seien in der BRD beschränkt steuerpflichtig. Selbst wenn man dem FG in der Auslegung der Vorschriften des Truppenvertrages und des Steuerabkommens folge, sei es auf keinen Fall angängig, auch die Ehefrau des Steuerpflichtigen als in der BRD unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln, wie es das FG ohne nähere Begründung getan habe. Es sei offenbar davon ausgegangen, daß sich die den Streitkräften ihres Landes angehörende Ehefrau nicht mehr allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Streitkräften in der BRD aufhalte, wenn sie mit ihrem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehemann eine gemeinsame Wohnung benutze, so daß es auf die Vorschriften des Truppenvertrages und des Steuerabkommens nicht mehr ankomme. Dem könne nicht gefolgt werden. Der von den Vorschriften des Truppenvertrages und des Steuerabkommens betroffene Personenkreis habe gewissermaßen mit steuerlicher Exterritorialität ausgestattet werden sollen. Das müsse konsequenterweise aber auch dann gelten, wenn die Mitgliedschaft zu den Streitkräften erst später, wie z. B. durch Heirat, begründet werde.
Das FG habe darüber hinaus seine eigene Auffassung nicht folgerichtig zu Ende geführt, weil - die unbeschränkte Steuerpflicht der Ehefrau unterstellt - nicht § 3 Nr. 36 EStG, sondern § 3 Nr. 41 EStG in Verbindung mit den Vorschriften des Abkommens zwischen der BRD und den USA zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen vom 22. Juli 1954 (DBA-USA 1954 - BStBl I 1955, 70), insbesondere Art. XI Abs. 1 und der Progessionsvorbehalt des Art. XV Abs. 1 Buchst. b DBA-USA 1954, angewendet werden müßten.
Der Steuerpflichtige hat einen ausdrücklichen Antrag auf Zurückweisung der Revision nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die auf den vorliegenden Streitfall anzuwendenden Vorschriften sind im Truppenvertrag und im Steuerabkommen (a. a. O.) enthalten, die erst mit dem Inkrafttreten des NATO-Truppenvertrags und der Zusatzvereinbarungen (darunter das Abkommen über das Außerkrafttreten des Truppenvertrages, des Finanzvertrages und des Steuerabkommens - BGBl II 1961, 1352 -) mit Ablauf des 30. Juni 1963 für die BRD außer Kraft getreten sind (Art. 26 Abs. 3 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen vom 18. August 1961, BGBl II 1961, 1183; Bekanntmachung über das Inkrafttreten des NATO-Truppenstatuts und der Zusatzvereinbarungen vom 16. Juni 1963, BGBl I 1963, 428).
2. a) Der Truppenvertrag definiert in seinem Art. 1 Nr. 7 den Begriff "Mitglieder der Streitkräfte" als (a) militärisches Personal und (b) Gefolge. Er bestimmt ferner: "Als 'Mitglieder der Streitkräfte' gelten: Angehörige, worunter Ehegatten und Kinder von Personen im Sinne von Unterabsatz (a) und (b) oder nahe Verwandte, die von solchen Personen unterhalten werden und für die ihnen materielle Unterstützung seitens der Streitkräfte zusteht, zu verstehen sind." Inwieweit dieser Begriff auch deutsche Staatsangehörige umfaßt, ist für den vorliegenden Streitfall ohne Belang, da sowohl der Steuerpflichtige als auch seine Ehefrau Staatsangehörige der USA sind.
Das Steuerabkommen schließt in seinem Art. 2 Abs. 3 die Maßgeblichkeit der Begriffe "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" (§ 1 Abs. 1 EStG, §§ 13 und 14 StAnpG als Grundlage der Einkommensteuerpflicht nach deutschem Steuerrecht aus.
b) Der Steuerpflichtige hielt sich im Streitjahr (1962) nach den tatsächlichen Feststellungen des FA und des FG nicht "als Mitglied der Streitkräfte" in der BRD auf, d. h. weder als militärisches Personal noch als Gefolge noch als wirtschaftlich abhängiger Angehöriger eines Mitglieds der Streitkräfte. Er hatte vielmehr in der BRD einen Wohnsitz und war in der BRD gewerblich tätig.
c) Der Senat kann es daher dahingestellt lassen, ob der Steuerpflichtige daneben die Voraussetzungen eines Mitglieds der Streitkräfte erfüllt. Er vermag dem FA nicht darin zu folgen, daß diese Vorschriften für die Mitglieder der Streitkräfte und ihre Angehörigen eine Art steuerrechtlicher Exterritorialität begründen sollten oder zu begründen vermöchten. Auch die Mitglieder der Streitkräfte und ihre Angehörigen, die als Mitglieder der Streitkräfte gelten, sind grundsätzlich steuerpflichtig, sofern sie in der BRD Einkünfte im Sinne der Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG erzielen (Art. 2 Abs. 1 des Steueraufkommens). Allein soweit nach deutschem Steuerrecht die Begründung eines Wohnsitzes oder die Tatsache des gewöhnlichen Aufenthalts in der BRD für die Begründung einer Steuerpflicht bestimmend ist, gilt "die Tatsache, daß eine Person sich als Mitglied der Streitkräfte im Bundesgebiet aufhält, nicht als Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet" (Art. 2 Abs. 3 Buchst. a des Steuerabkommens). Die Mitglieder der Streitkräfte und ihre Angehörigen sind somit mit ihren Einkünften in der BRD grundsätzlich beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 2, § 49 EStG), sofern sie sich allein als "Mitglieder der Streitkräfte" in der BRD aufhalten, ausgenommen diejenigen Einkünfte, die sie als Entgelt für ihre dienstliche Tätigkeit bei den Streitkräften erhalten (Art. 2 Abs. 4 des Steuerabkommens; siehe dazu auch Kutscher, Bonner Vertrag und Zusatzvereinbarungen, Anm. I bis IV zu Art. 2 des Steuerabkommens).
Dazu kommt, daß auf den Steuerpflichtigen die den Begriff des Angehörigen erläuternden Merkmale nicht zutreffen, die auf die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Mitglied der Streitkräfte abstellen und den Angehörigen deshalb - was Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt betrifft - dem Mitglied der Streitkräfte begrifflich und steuerrechtlich gleichstellen.
Durch die Regelung in Art. 2 Abs. 3 des Steuerabkommens soll verhütet werden, daß ein Mitglied der Streitkräfte infolge seiner dienstlichen Tätigkeit außerhalb seines Heimatstaates für sich und seine von ihm wirtschaftlich abhängigen Angehörigen eine Schlechterstellung hinsichtlich seiner steuerrechtlichen Verhältnisse erleidet (siehe auch Kutscher, a. a. O.). Eines Vorgreifens des NATO-Truppenvertrags bedarf es für diese Auslegung der genannten Vorschriften nicht.
Der Steuerpflichtige, der im Streitjahr unbeschränkt steuerpflichtig ist, weil er bereits seit dem Jahre 1956 Wohnsitz und Gewerbebetrieb in der BRD unterhielt, bevor er im Jahre 1957 mit einem Mitglied der Streitkräfte die Ehe schloß, erfuhr durch diese Eheschließung auch keinen Nachteil in seinen steuerrechtlichen Verhältnissen, den auszugleichen Sinn und Zweck der genannten Vorschriften erfordern würden.
d) Dagegen ist die Ehefrau des Steuerpflichtigen im Streitjahr in der BRD nur dann unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie sich, die auch im Streitjahr im Dienst der Streitkräfte tätig war, vornehmlich infolge ihrer Eheschließung und nicht vornehmlich infolge ihres Dienstverhältnisses bei den Streitkräften in der BRD aufhielt. Das FG hat hierzu in tatsächlicher Hinsicht keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.
Der Senat stimmt der im Urteil des Hessischen FG III 1133/61 vom 19. September 1963 (EFG 1964, 281) vertretenen Auffassung auch insoweit zu, als sie in der Eheschließung eines Mitglieds der Streitkräfte einen Umstand sieht, der zu dessen unbeschränkter Steuerpflicht durch Wohnsitzbegründung in der BRD führen kann. Kann auf der einen Seite die dienstliche Tätigkeit eines Mitglieds der Streitkräfte außerhalb seines Heimatstaates nicht über den Begriff des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts seine unbeschränkte Steuerpflicht im Aufenthaltsstaat begründen, so kann auf der anderen Seite ein Mitglied der Streitkräfte nicht als gehindert angesehen werden, aufgrund anderer Tatsachen einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Aufenthaltsstaat, hier in der BRD, zu begründen. Als eine solche andere Tatsache kann die Eheschließung mit einem in der BRD wohnhaften Ehepartner angesehen werden.
Das FG wird in tatsächlicher Hinsicht festzustellen haben, ob die Ehefrau des Steuerpflichtigen mit diesem und mit den gemeinsamen Kindern die Familienwohnung teilt und Umstände vorliegen, die nach § 13 StAnpG einen Wohnsitz begründen (Urteile des BFH VI 236/62 U vom 24. April 1964, BFH 79, 626, BStBl III 1964, 462; I 254/65 vom 28. August 1968, BFH 93, 428, BStBl II 1968, 818).
e) Die Durchführung einer Zusammenveranlagung erfordert jedoch nicht nur die unbeschränkte Steuerpflicht beider Ehegatten (§ 26 Abs. 1 EStG), sondern auch eine entsprechende Willenserklärung beider Ehegatten. Da die Einkommensteuererklärung 1962 nur vom Steuerpflichtigen, nicht auch von seiner Ehefrau unterschrieben worden ist, das FA indes von seinem Standpunkt aus zur Herbeiführung einer Klarstellung keinen Anlaß hatte, wird das FG auch insoweit für eine Ergänzung der tatsächlichen Voraussetzungen sorgen. Auf die gesetzliche Unterstellung in § 26 Abs. 3 EStG würde nur zurückgegriffen werden können, wenn feststeht, daß die Ehefrau mit ihrer Eheschließung einen Wohnsitz in der BRD begründet hat.
Fundstellen
BStBl II 1970, 869 |
BFHE 1971, 102 |