Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung bei Streit um Übertragung des Kinderfreibetrags
Leitsatz (NV)
Bei Streit um die Übertragung des Kinderfreibetrags nach §32 Abs. 6 Satz 4 EStG ist der andere Elternteil auch dann notwendig beizuladen, wenn das FG sein Verfahren gem. §94a FGO nach billigem Ermessen bestimmt.
Normenkette
EStG 1987 § 32 Abs. 6 S. 4; FGO § 60 Abs. 3, § 94a
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Diese ist Mutter eines 1981 geborenen nichtehelichen Kindes. Der Kindesvater zahlte im Streitjahr 1987 monatlich 120 DM Unterhalt. Dazu war er aufgrund einer Festsetzung des Kreisjugendamts verpflichtet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gewährte für das Kind nur den Kinderfreibetrag in Höhe von 1 242 DM, weil der Kindesvater seiner Unterhaltspflicht nachgekommen sei. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit einem nach §94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergangenen Urteil in diesem Punkt statt und ermäßigte das zu versteuernde Einkommen um weitere 1 242 DM. Der Kindesvater, den das FG nicht gemäß §60 Abs. 3 FGO beilud, habe nur deshalb 120 DM monatlich zu zahlen gehabt, weil er insoweit den sog. Zählkindervorteil habe in Anspruch nehmen können. Nach Abschn. 181a Abs. 2 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987 seien Elternteile, die mangels finanzieller Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sind, steuerlich so zu behandeln, als wenn sie ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht nachkämen. Gleiches müsse gelten, wenn ein Elternteil gemäß §1603 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder §1615h BGB nur einen Teil des an sich geschuldeten Unterhalts (Regelunterhalt, 3 072 DM) zu zahlen habe.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Das FG habe §32 Abs. 6 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes 1987 fehlerhaft angewendet, indem es dem Kindesvater den halben Kinderfreibetrag genommen habe, obwohl dieser seiner konkreten, individuellen Unterhaltsverpflichtung nachgekommen sei.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das FG hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, den Kindesvater gemäß §60 Abs. 3 FGO zu dem Verfahren beizuladen. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung ist nach ständiger Rechtsprechung ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der auch ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung und ohne Sachprüfung zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz führt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH-- vom 10. Februar 1966 IV 258/63, BFHE 85, 464, BStBl III 1966, 423; vom 28. Mai 1997 VIII R 1/97, BFH/NV 1997, 874). Nach §60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte notwendig beizuladen, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Die Beiladung ist notwendig, wenn um die Zuordnung eines Kinderfreibetrags zwischen Elternteilen gestritten wird (BFH- Urteil vom 25. Februar 1993 III R 4/91, BFHE 171, 5, BStBl II 1993, 513).
Die notwendige Beiladung des Kindesvaters durfte nicht deshalb unterbleiben, weil das FG gemäß §94a FGO sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmt hat. Das Gesetz ordnet die Beteiligung eines Dritten an dem Verfahren als notwendig an, wenn die gerichtliche Entscheidung unmittelbar Rechte des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt, insbesondere also in Fällen, in denen das, was einen Prozeßbeteiligten begünstigt oder benachteiligt, notwendigerweise umgekehrt den Dritten benachteiligen oder begünstigen muß (vgl. BFH-Urteile vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343; vom 9. April 1991 IX R 78/88, BFHE 163, 517, BStBl II 1991, 809 Abschn. I. 3.c; zum Zweck der Beiladung s. auch Stober, Beiladung im Verwaltungsprozeß, Festschrift für Menger, S. 401, 406ff., m.w.N.). Die Rechtskrafterstreckung und die Wahrung des rechtlichen Gehörs des beizuladenden Dritten gebieten die notwendige Beiladung auch in solchen Fällen, in denen das Gericht im übrigen sein Verfahren nach billigem Ermessen gemäß §94a FGO bestimmt. Auch in diesen Fällen muß das FG die Grundordnung des Verfahrens, zu der die notwendige Beiladung gehört, einhalten.
Wegen der vom FG nunmehr erneut zu treffenden Sachentscheidung wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juli 1997 VI R 113/95 verwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 302985 |
BFH/NV 1998, 1486 |
DStRE 1998, 499 |