Leitsatz (amtlich)
Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Gewerbebetrieb und erfaßt das FA bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns auch die stillen Reserven von zwei Grundstücken mit der Begründung, sie hätten im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung noch zum Betriebsvermögen gehört, so trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) für seine Behauptung, er habe die Grundstücke schon zwei Jahre vor der Betriebsveräußerung aus dem Betriebsvermögen entnommen.
Orientierungssatz
Die Beweislastregelung im Steuerprozeß (Steuergläubiger für den Steueranspruch begründende Tatsachen; Steuerpflichtiger für eine Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begründende bzw. den Steueranspruch aufhebende oder einschränkende Tatsachen gilt nicht uneingeschränkt. Denn die Frage, welcher der Parteien des Rechtsstreits es zum Nachteil gereicht, wenn nicht festzustellen ist, ob bestimmte rechtserhebliche Tatsachen gegeben sind, ist nur von Fall zu Fall unter Würdigung der einschlägigen Rechtsnormen und ihrer Zweckbestimmung zu beantworten (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 16; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist mit seiner während des Revisionsverfahrens verstorbenen Ehefrau für das Streitjahr 1969 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Alleinerbe nach seiner Ehefrau ist der Kläger.
Der Kläger gab in der Einkommensteuererklärung 1969 einen laufenden Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM und einen Gewinn aus der Veräußerung des Gewerbebetriebs in Höhe von ... DM an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erhöhte im Einkommensteuerbescheid 1969 den Veräußerungsgewinn um ... DM auf ... DM. Dabei ging das FA davon aus, daß zwei zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücke nicht schon --wie der Kläger meinte-- im Jahre 1967 entnommen worden, sondern erst mit der Veräußerung im Jahr 1969 aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden seien. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es entschied, daß die Versteuerung der stillen Reserven der Grundstücke nicht für den Veranlagungszeitraum 1969 erfolgen könne. Es sei nicht nachgewiesen, daß die Grundstücke im Jahre 1969 aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden seien; die Darlegung des Klägers sei nicht zu widerlegen, daß die Grundstücke schon im Jahre 1967 aus dem Betriebsvermögen entnommen worden seien.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts und den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Bei der Ermittlung des für das Streitjahr festzustellenden Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) waren auch die in den Grundstücken enthaltenen stillen Reserven zu erfassen, wenn die Grundstücke im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung im Jahre 1969 noch zum Betriebsvermögen gehörten und nicht schon im Jahre 1967 aus dem Betriebsvermögen entnommen waren. Da zwischen den Parteien über diese Frage Streit bestand, mußte das FG insoweit den Sachverhalt von Amts wegen erforschen (§ 76 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden (§ 96 Abs.1 FGO).
Kommt das FG bei der Beweiswürdigung nach § 96 Abs.1 FGO zu dem Ergebnis, daß eine für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche Tatbestandsvoraussetzung nicht als nachgewiesen anzusehen ist, so verliert diejenige Partei den Rechtsstreit, die die objektive Beweislast (Feststellungslast) für den Nachweis dieser Tatsache trifft. Im allgemeinen gilt für den Steuerprozeß, daß der Steuergläubiger die objektive Beweislast für die den Steueranspruch begründenden Tatsachen trägt, während der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, die die Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begründen oder die den Steueranspruch aufheben oder einschränken. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, denn die Frage, welcher der Parteien des Rechtsstreits es zum Nachteil gereicht, wenn nicht festzustellen ist, ob bestimmte rechtserhebliche Tatsachen gegeben sind, ist nur von Fall zu Fall unter Würdigung der einschlägigen Rechtsnormen und ihrer Zweckbestimmung zu beantworten (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5.November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, 164 bis 165, BStBl II 1971, 220; vom 20.Mai 1969 II 25/61, BFHE 96, 129, 134, BStBl II 1969, 550).
Nach diesen Grundsätzen hat im Streitfall der Kläger nachzuweisen, daß er die Grundstücke im Jahre 1967 aus dem Betriebsvermögen entnommen hat; gelingt ihm dieser Nachweis nicht, so ist davon auszugehen, daß im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung im Jahre 1969 die Grundstücke noch zum Betriebsvermögen gehörten und eine Versteuerung der stillen Reserven damit für den Veranlagungszeitraum 1969 zu erfolgen hat. Zwar trägt im allgemeinen die objektive Beweislast für die Tatsache, daß ein Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen gehört die Partei, die sich zu ihren Gunsten auf die Betriebsvermögenseigenschaft des Wirtschaftsguts beruft (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl., § 4 Anm.32 a); dies wäre im Streitfall das FA, weil die Versteuerung der in den Grundstücken enthaltenen stillen Reserven im Einkommensteuerbescheid 1969 die Zugehörigkeit der Grundstücke zum Betriebsvermögen voraussetzt. Hiervon kann jedoch im Streitfall nicht ausgegangen werden. Der Kläger bestreitet nicht, daß die Grundstücke ursprünglich Betriebsvermögen seines Betriebs waren; er ist aber der Meinung, daß er die Grundstücke --entgegen der Annahme des FA-- schon im Jahre 1967 aus dem Betriebsvermögen entnommen habe. Die Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen (§ 4 Abs.1 Satz 2 EStG) setzt eine eindeutige Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen voraus (siehe z.B. BFH-Urteil vom 31.Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395). Diese Entnahmehandlung --in der Regel eine die Entwidmung der Grundstücke festlegende Buchung im Buchführungswerk-- ist ein Tätigwerden des Steuerpflichtigen, das allein in seiner Sphäre liegt und dessen Nachweis ihm bei der Beachtung der erforderlichen Sorgfalt ohne weiteres möglich ist, während das FA auf die Entnahmehandlung keinen Einfluß hat und deshalb auch keine Maßnahmen zur Sicherung des Nachweises ergreifen kann. Der BFH weist in dem Urteil vom 24.Juni 1976 IV R 101/75 (BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562) zur Begründung seiner Auffassung, daß der Steuerpflichtige die objektive Beweislast dafür trägt, daß Minderungen des Betriebsvermögens, die der Steuerpflichtige in seiner Buchführung als betrieblich veranlaßt ausgewiesen hat, tatsächlich betrieblich veranlaßt waren und deshalb Betriebsausgaben sind, zutreffend darauf hin, daß der Steuerpflichtige bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt regelmäßig auch ohne Schwierigkeiten in der Lage sein werde, die tatsächlichen Voraussetzungen, aus denen sich die betriebliche Veranlassung seiner Aufwendungen ergebe, nachzuweisen; Steuerpflichtige müßten deshalb Nachteile in Kauf nehmen, wenn nicht mehr feststellbar sei, ob bestimmte Aufwendungen betrieblich veranlaßt gewesen seien oder außerbetrieblichen Zwecken gedient hätten. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Steuerpflichtige --wie im Streitfall-- die Entnahme von Grundstücken aus dem Betriebsvermögen behauptet.
Für die Beurteilung der Frage, wen die objektive Beweislast trifft, kommt in der Streitsache als wesentlicher Gesichtspunkt hinzu, daß sich der Kläger darauf beruft, daß er die Grundstücke schon im Jahre 1967 aus dem Betriebsvermögen entnommen hat und er damit einen Umstand --Entnahmehandlung im Jahre 1967-- geltend macht, der zur Beseitigung des strittigen Steueranspruchs im Jahre 1969 führt. Die Sachlage ist damit auch nicht mit dem --was die Beweislastregelung angeht-- anders zu beurteilenden Fall vergleichbar, daß das FA die Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen behauptet, während der Steuerpflichtige von der weiteren Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen ausgeht; in diesem Fall trifft im allgemeinen das FA die Beweislast, daß das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen entnommen worden ist.
Damit hat im Streitfall der Kläger die objektive Beweislast dafür zu tragen, daß er die Grundstücke schon im Jahre 1967 aus dem Betriebsvermögen entnommen hat.
Den Gründen des FG-Urteils ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob das FG von einer anderen Beweislastregelung ausgegangen ist; seine Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob das FG seiner Entscheidung eine Beweislastverteilung in der Weise zugrunde gelegt hat, daß das FA die Entnahme der Grundstücke im Jahre 1967 nachweisen mußte. Das FG hat im angefochtenen Urteil ausgesprochen, daß nicht feststellbar gewesen sei, daß die Grundstücke im Jahre 1969 aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden seien und daß die Darlegung des Klägers nicht zu widerlegen sei, er habe die Grundstücke schon 1967 aus dem Betriebsvermögen entnommen. Dies läßt offen, ob das FG den Nachweis der Entnahme im Jahre 1967 nicht als erbracht ansah (die Grundstücke im Jahre 1969 also noch zum Betriebsvermögen rechneten) und dies dem FA zum Nachteil anlastete oder ob es die Entnahme im Jahre 1967 als erwiesen ansah. Da damit dem FG-Urteil möglicherweise eine falsche Rechtsauffassung zugrunde liegt, war es aufzuheben. Die Würdigung der Tatsachen, ob die Entnahme der Grundstücke schon im Jahre 1967 erfolgte, kann der Senat nach § 118 Abs.2 FGO nicht selbst vornehmen; die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
BStBl II 1987, 679 |
BFHE 149, 536 |
BFHE 1987, 536 |
DB 1987, 2185-2185 (ST) |
DStR 1987, 656-656 (ST) |
HFR 1987, 523-524 (ST) |
Information StW 1987, 401-401 (ST) |
DStZ/E 1987, 238-239 (ST) |
StEL 1987, 26-28 (LT) |