Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvergünstigung für Bezüge nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses? - Verpflegungsmehraufwendungen und Reisekosten eines Rechtsanwalts als Betriebsausgaben
Leitsatz (NV)
1. Laufende Bezüge, die aufgrund der vorzeitigen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer gezahlt werden, sind nicht nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG tarifbegünstigt, wenn sie sich über mehrere Veranlagungszeiträume verteilen.
2. Ein Rechtsanwalt kann - ebenso wie andere Steuerpflichtige - nicht nachgewiesene Verpflegungsmehraufwendungen und PKW-Kosten als Betriebsausgaben nur in Höhe der in den Richtlinien dafür vorgesehenen Pauschbeträge ansetzen.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 1-2, § 24 Nr. 1a, § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revionskläger (Kläger) war Vorstandsmitglied der A-AG (im folgenden: AG). Sein Anstellungsvertrag vom 21. /24. November 1969 wurde aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusses vom 26. Juni 1973 bis zum 31. Dezember 1978 verlängert. Gleichzeitig wurde der Kläger für weitere fünf Jahre zum Vorstandsmitglied bestellt.
Im Zuge der Eingliederung der AG in den B-Konzern kam es zu einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der AG. Danach schied der Kläger im gegenseitigen freundschaftlichen Einvernehmen mit Wirkung vom 31. Dezember 1975 aus dem Vorstand aus und sagte der AG Beratungsdienste für die Zeit bis 31. Dezember 1978 zu. Diese Beratungsvereinbarung war ,,gegenüber der Regelung betreffend den Vorstandsvertrag unabhängig".
Bis zum 31. Dezember 1978 sollten nach den getroffenen Absprachen die Bestimmungen des Vorstandsvertrages weiter gelten (Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 1. Juli 1975). Die darin vorgesehenen Bezüge einschließlich Nebenleistungen hatte die AG bis zum 31. Dezember 1978 uneingeschränkt weiterzuzahlen bzw. zu gewähren. Auf dieser Grundlage erhielt der Kläger 1976 insgesamt . . . DM als Arbeitslohn.
Seit dem 1. Januar 1976 ist der Kläger als Rechtsanwalt und Industrieberater tätig. In seinen Beratungsverträgen vereinbarte er mit seinen Auftraggebern für Geschäftsreisen Tagegelder von . . . DM (Inland) bzw. . . . DM (Ausland) sowie einen pauschalen Ersatz seiner PKW-Kosten in Höhe von . . . DM oder . . . DM je gefahrenen Kilometer.
In seiner Einkommensteuererklärung für 1976 beantragte der Kläger die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die von der AG erhaltenen Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit. Ferner setzte er bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit für seine Geschäftsreisen PKW-Kosten mit 0,40 DM je Kilometer und seine Tagegelder mit 75 DM bzw. 112,50 DM an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte die beantragte Steuervergünstigung. Außerdem berücksichtigte er die Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers nur in Höhe der in Abschn. 119 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) vorgesehenen Pauschbeträge. Die PKW-Kosten anläßlich der Geschäftsreisen setzte er lediglich mit 0,32 DM je Kilometer an.
Die dagegen erhobene Sprungklage hatte nur teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Rechtsfehlerfrei hat das FG die Anwendung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG auf die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit abgelehnt. Der Vorinstanz ist auch darin beizupflichten, daß der Kläger für seine Reisekosten keine höheren Beträge als die vom FA angesetzten Pauschalen beanspruchen kann.
1. Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG werden, wenn sie außerordentliche Einkünfte darstellen, mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz besteuert (§ 34 Abs. 1 und 2 EStG).
Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) sind bei nichtselbständig Tätigen nur solche Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht in Erfüllung der Ansprüche aus einem bestehenden Dienstverhältnis geleistet werden. Sie müssen vielmehr auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Für die Entscheidung, ab wann Gehaltsansprüche des Dienstverhältnisses nicht mehr entstehen und deshalb die Leistungen auf einer neuen Grundlage beruhen können, ist von dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Dienstverhältnis arbeitsrechtlich wirksam beendet haben. Ferner beinhaltet der Entschädigungsbegriff, daß die entscheidenden Ursachen für die Auflösung des Dienstverhältnisses der Arbeitgeber gesetzt hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Dezember 1981 III R 133/78, BFHE 135, 66, BStBl II 1982, 305).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zählen indessen nicht alle Leistungen, die als Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu werten sind, zu den tarifbegünstigten außerordentlichen Einkünften des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Tarifbegünstigung erfordert vielmehr zusätzlich, daß eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegt, die sich bei einem normalen Geschehensablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten. Außerdem muß die Zusammenballung der Einnahmen dergestalt sein, daß die Entschädigung in einem Betrag gezahlt wird. Ausnahmsweise kann sie, wenn sie ursprünglich als einmaliger Zahlungsvorgang gedacht war, auch in zwei Raten in zwei verschiedenen Kalenderjahren geleistet werden. Dagegen können laufende Bezüge, die in mehr als einem Veranlagungszeitraum anfallen, nicht mehr als außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG angesehen werden (BFH-Urteil vom 21. November 1980 VI R 179/78, BFHE 132, 60, BStBl II 1981, 214). Denn bei einer Einnahmeverteilung auf mehrere Veranlagungszeiträume tritt im Regelfall bereits eine weitreichende Progressionsmilderung ein; die Gewährung einer zusätzlichen Tarifermäßigung würde für die Zuflußjahre ungerechtfertigte Steuervorteile begründen. Dies gilt selbst dann, wenn nicht auszuschließen ist, daß sich bei einem normalen Verlauf die Zahlungen auf einen noch größeren Zeitraum verteilt hätten, wovon der Kläger im Streitfall entgegen den Ausführungen des FG ausgeht. Für die bei dieser Beurteilung möglicherweise verbleibende Progressionsverschärfung besteht keine einkommensteuerrechtliche Entlastungsmöglichkeit.
Etwas anderes könnte nur angenommen werden, wenn - wie der Kläger meint - die steuerliche Belastung der Entschädigungszahlung konkret mit den Verhältnissen bei einem unveränderten Zufluß verglichen werden müßte. Einen derartigen Belastungsvergleich sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Er würde auch in vielen Fällen schon an der praktischen Durchführbarkeit scheitern, weil die Entschädigungsleistung meistens nicht bestimmten Veranlagungszeiträumen zugerechnet werden kann (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, BStBl II 1983, 221). Für die unterschiedliche Besteuerung von Entschädigungen in Form von Einmalbeträgen einerseits und laufenden Zahlungen andererseits bestehen deshalb sachgerechte Gründe. Der Senat sieht hierin keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -).
Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es ist in tatsächlicher Hinsicht - wie der Kläger - zu dem Ergebnis gekommen, daß die auf der Grundlage des Vorstandsvertrages von der AG fortgezahlten Bezüge Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG waren, weil das Dienstverhältnis bereits zum 31. Dezember 1975 auf Veranlassung der AG aufgelöst wurde.
Gleichwohl konnte die Vorinstanz die Entschädigungszahlung des Jahres 1976 nicht nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG ermäßigt besteuern. Denn die Zahlungen erstreckten sich nach den Feststellungen des FG auf mindestens drei Jahre.
2. Zutreffend hat das FG auch entschieden, daß der Kläger nicht nachgewiesene Verpflegungsmehraufwendungen und PKW-Kosten nur in Höhe der in den Richtlinien dafür vorgesehenen Pauschbeträge ansetzen kann.
Verpflegungsmehraufwendungen und PKW-Kosten, die aus Anlaß einer Geschäftsreise entstehen, sind Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG).
Für Fälle, in denen die Verpflegungsmehraufwendungen vom Steuerpflichtigen nicht nachgewiesen werden, hat die Finanzverwaltung in Abschn. 119 Abs. 3 Nr. 3 EStR Pauschbetragsregelungen geschaffen. Vergleichbare Anweisungen bestehen hinsichtlich der PKW-Kosten.
Die in den Richtlinien enthaltenen Tagessätze haben ihrem Wesen nach typisierenden Charakter. Sie dienen der Verwaltungsvereinfachung und der gleichmäßigen Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Im Rahmen dieser Zielsetzung werden sie auch von den Steuergerichten angewendet, solange die Beträge nicht wegen der Eigenart des Einzelfalls zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen können (BFH-Urteil vom 23. April 1982 VI R 30/80, BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500). Mit der Funktion solcher Anweisungen als Beweiserleichterungen, die sowohl dem Interesse des Steuerpflichtigen als auch jenem der Finanzbehörden Rechnung tragen, ließe es sich nicht vereinbaren, wenn im Streitfall mit Rücksicht auf die Regelungen in § 28 BRAGO höhere Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers als Reisekosten angesetzt würden.
Wie der Kläger selbst einräumt, stellen die in dieser Vorschrift enthaltenen Sätze z.B. für Tage- oder Abwesenheitsgelder ihrerseits typisierende Schätzungen dar. Sie sind für den Streitfall nicht aussagekräftiger als die Pauschbeträge der Richtlinien. Der Kläger wäre bei ihrer Berücksichtigung - ohne daß eine Veränderung in der Beweislage eingetreten wäre - bessergestellt als andere Steuerpflichtige, die den Anwaltsberuf nicht ausüben. Dies würde aber gerade dem Gebot der gleichmäßigen Durchführung des Besteuerungsverfahrens zuwiderlaufen.
Für die PKW-Kosten, die das FA mit dem in den Richtlinien vorgesehenen Pauschbetrag von 0,32 DM je gefahrenen Kilometer angesetzt hat, gilt dasselbe. Überdies läßt § 28 Abs. 1 BRAGO offen, nach welchen Grundsätzen der Betrag von 0,40 DM je angefangenen Kilometer festgesetzt wurde. Es ist nicht auszuschließen, daß es sich um kalkulatorisch ermittelte Durchschnittswerte handelt, die ebenso wie jene der ADAC-Kostentabellen (vgl. dazu zuletzt BFH-Urteil vom 27. Juni 1980 VI R 147/77, BFHE 131, 53, BStBl II 1980, 651) zum Zwecke des Nachweises einkommensteuerrechtlich abziehbarer Aufwendungen ungeeignet sind.
Fundstellen
Haufe-Index 414017 |
BFH/NV 1985, 72 |