Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld - Sechsmonatsfrist nach § 66 Abs. 3 EStG - Wiedereinsetzung
Normenkette
EStG § 66 Abs. 3; AO 1977 § 110 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Sohn (S) der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) vollendete im Juli 1996 sein 18. Lebensjahr. Er befand sich im gesamten Streitjahr 1996 in Berufsausbildung. Die Einkünfte und Bezüge des S in den Monaten August bis Dezember 1996 überschritten den anteiligen Jahresgrenzbetrag von 5 000 DM nicht.
Im September 1995 hatte das Arbeitsamt -Familienkasse- (Beklagter und Revisionskläger ―Beklagter―) die Kindergeldbewilligung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) a.F. mit Wirkung ab Oktober 1995 mit der Begründung aufgehoben, dass die Ausbildungsvergütungen den Grenzbetrag von 750 DM monatlich überstiegen. Der Bescheid wurde nicht angefochten.
Im Mai 1997 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für S. Der Beklagte entsprach diesem Antrag zwar, rückwirkend wurde das Kindergeld unter Hinweis auf § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) allerdings nur ab dem Monat November 1996 gewährt.
Mit der Klage beantragte die Klägerin, das Kindergeld auch für die Monate Januar bis Oktober 1996 zu gewähren. Sie habe die Höhe der Einkünfte des S erst anhand der 1997 erstellten Einkommensteuererklärung feststellen können. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Frist des § 66 Abs. 3 EStG beginne erst, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld nach § 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG vorlägen. Ob der Jahresgrenzbetrag von 12 000 DM überschritten sei oder nicht, stehe erst nach Ablauf des Jahres endgültig fest. Bis zu diesem Zeitpunkt bestehe für den Kindergeldberechtigten insbesondere dann kein Anlass, Kindergeld zu beantragen, wenn dieser mit einem Überschreiten des Jahresgrenzbetrags rechne. Ebenso wenig könne erwartet werden, das Kindergeld zur Vermeidung eines möglichen Rechtsverlustes rein vorsorglich zu beantragen.
Mit der Revision macht der Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. November 1979 8b Rkg 3/79 (BSGE 49, 154) geltend, bei der Frist des § 66 Abs. 3 EStG handle es sich um eine nicht verlängerbare materiellrechtliche Ausschlussfrist, die mit der Antragstellung beginne. In verfassungsmäßige Rechte werde nicht eingegriffen, weil dem Berechtigten der Kinderfreibetrag im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung verbleibe.
Der Beklagte beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Der Kindergeldanspruch für die Monate Januar 1996 bis Oktober 1996 (§ 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) ist nach § 66 Abs. 3 EStG ausgeschlossen.
a) Nach dem Senatsurteil vom 24. Oktober 2000 VI R 65/99 (BStBl II 2001, 109) wird Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, wenn die Berufung der Behörde auf § 66 Abs. 3 EStG nicht missbräuchlich ist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―) ist nicht möglich. In der vorgenannten Entscheidung sind auch die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen der Beklagte eine Billigkeitsmaßnahme vorzunehmen hat.
b) Das FG hat der Klage im Streitfall danach zu Unrecht stattgegeben. Der Kindergeldantrag der Klägerin ging erst im Mai 1997 beim Beklagten ein. Die Berufung des Beklagten auf § 66 Abs. 3 EStG ist trotz der Aufhebung der Kindergeldbewilligung im Jahre 1995 nicht missbräuchlich.
Fundstellen