Leitsatz (amtlich)
Dem nach § 5 Nr. 1 Buchst. b GrEStG Baden-Württemberg 1966 steuerfreien Erwerb eines Erbbaurechts mit Wohnhaus kann ein in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 14 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 10 GrEStG 1966 steuerfreier Kauf des Grundstücks nachfolgen.
Normenkette
GrEStG Baden-Württemberg i.d.F. vom 2. August 1966 § 5 Nr. 1 Buchst. b; GrEStG Baden-Württemberg i.d.F. vom 2. August 1966 § 6 Abs. 1 Nr. 10; GrEStG Baden-Württemberg i.d.F. vom 2. August 1966 § 6 Abs. 1 Nr. 14
Tatbestand
I.
Die Klägerin hat am 6. November 1969 das Grundstück X gekauft (Vertrag II). Sie hatte bereits durch Vertrag vom 6. Dezember 1968 (Vertrag I) mit dem Siedlungswerk Y die Übertragung des Erbbaurechts an diesem Grundstück samt dem darauf errichteten Wohnhaus vereinbart. Das Haus, das den für Kleinwohnungen geltenden Bestimmungen entsprach, war am 1. Dezember 1964 bezugsfertig und auch bezogen worden.
Das FA, das den Vertrag I nach § 5 Nr. 1 Buchst. b GrEStG 1966 von der Steuer freigestellt hatte, erhob wegen des Vertrags II Grunderwerbsteuer. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, auch der Vertrag II müsse steuerfrei sein. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Der Kaufvertrag II ist in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 14 GrEStG 1966 steuerfrei.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 14 GrEStG 1966 ist unter anderem auf Antrag der Erwerb eines solchen Grundstücks von der Besteuerung ausgenommen, auf dem der Erwerber bereits ein steuerbegünstigtes Gebäude erstellt hat. Die Vorschrift hat ihren Vorläufer in dem gleichlautenden § 1 Abs. 1 Nr. 14 des Baden-Württembergischen II. GrEStWG (GBl 1962, 74). Diese Bestimmung wurde damals in das Gesetz unter anderem zur Regelung derjenigen Fälle aufgenommen, in denen der Bauinteressent -- häufig wegen finanzieller Schwierigkeiten -- zunächst in Ausübung eines Erbbaurechts auf fremdem Grund und Boden gebaut hatte und nachträglich das Grundstück erwarb (vgl. die Begründung zu § 1 Abs. 1 Nr. 14 des Gesetzentwurfes, Beilage 1765 zu den Sitzungsprotokollen des 3. Landtages Baden-Württemberg). Es ist kein Grund ersichtlich, diejenigen Personen schlechter zu stellen, die das Erbbaurecht mit einem fertigen Haus gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 10 II. GrEStWG bzw. jetzt § 6 Abs. 1 Nr. 10 oder § 5 Nr. 1 Buchst. b GrEStG steuerfrei erworben und das Gebäude nicht selbst in Ausübung des Erbbaurechts errichtet haben. Aus der Systematik des Gesetzes ist vielmehr eine Gleichstellung beider Personenkreise zu folgern; denn die Vorschriften über die Steuerbegünstigung des ersten Erwerbes bestimmter Gebäude einschließlich Erbbaurecht bzw. Grund und Boden sollen auch eine Benachteiligung derjeingen Bevölkerungskreise verhindern, die -- oft aus wirtschaftlichen Gründen -- ein Haus nicht selbst bauen können und auf den Erwerb eines sogenannten Kaufeigenheimes angewiesen sind. Demnach muß der Klägerin der Rechtsgedanke des § 6 Abs. 1 Nr. 14 GrEStG ebenfalls zugute kommen.
Daß der Baden-Württembergische Gesetzgeber später durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 5. Februar 1974 (GVBl) durch Einfügung des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. b GrEStG ausdrücklich Fälle der vorliegenden Art grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Schluß, daß nach dem Willen des Gesetzgebers von 1974 solche Fälle vor diesem Zeitpunkt steuerpflichtig sein sollten, ist weder dem Text der Novelle von 1974 noch sonstigen Umständen zu entnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 71914 |
BStBl II 1976, 580 |
BFHE 1977, 191 |