Leitsatz (amtlich)
1. Die Fortschreibung eines Einheitswerts zur Fehlerbeseitigung ist von Amts wegen auf den Beginn des Kalenderjahres durchzuführen, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Nachsicht) wegen verspäteten Hinweises auf den Fehler durch den Steuerpflichtigen ist deshalb nicht möglich.
2. Das Wohngebäude eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ist nicht deshalb als Grundvermögen zu bewerten, weil der Betrieb nicht als Haupterwerbsquelle dient.
2. Ab 1. Januar 1974 beträgt der Streitwert bei Anfechtung des Einheitswerts für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft 60 v. T. des streitigen Wertunterschieds.
Normenkette
AO § 225a Abs. 2 i.d.F. des VStRG 1974; BewG 1974 § 22 Abs. 4 Nr. 2, § 33; FGO § 155; ZPO § 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft mit 6 ha landwirtschaftlicher und 2 ha forstwirtschaftlicher Nutzfläche erworben. Für diesen Betrieb war durch Hauptfeststellung 1964 ein Einheitswert von 7 600 DM festgestellt worden. Aufgrund des Eigentumswechsels und des Abbruchs des alten und der Errichtung eines neuen Wohnhauses führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zum 1. Januar 1974 eine Zurechnungsfortschreibung an die Kläger und eine Wertfortschreibung auf 30 300 DM durch. Dieser Feststellungsbescheid wurde unanfechtbar.
Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 7. Januar 1976, das Wohnhaus dieses Betriebs zum 1. Januar 1975 als Einfamilienhaus zu bewerten und dementsprechend den Einheitswert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu ermäßigen, denn der Betrieb werde nur noch als Nebenerwerbsbetrieb bewirtschaftet. Das FA lehnte die Fortschreibung mit der Begründung ab, daß das Wohngebäude zum Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehöre, weil mindestens ein zum Haushalt des Inhabers gehörender Familienangehöriger mehr als nur durch eine gelegentliche Tätigkeit an den Betrieb gebunden sei. Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab.
Mit der Revision beantragen die Kläger, das Wohnhaus ihres Betriebs der Land- und Forstwirtschaft zum 1. Januar 1975 als Einfamilienhaus zu bewerten und den Einheitswert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft um den Wohnwert zu ermäßigen, d. h. auf 4 900 DM festzustellen. Sie sind der Meinung, das FG habe zu Unrecht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die Bewertung von Nebenerwerbsstellen auf ihren Fall nicht angewendet. Wegen der verspäteten Antragstellung für eine Fortschreibung zum 1. Januar 1975 hätte das FG Nachsicht gewähren müssen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist entgegen der Auffassung des FA zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
I.
1. Streitgegenstand dieses Verfahrens sind die Feststellungen zum 1. Januar 1975, und zwar sowohl eine Fortschreibung des Einheitswerts des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft nach unten als auch eine Nachfeststellung für das aus diesem Betrieb ausscheidende Wohngebäude, das die Kläger als Einfamilienhaus bewertet haben wollen. Der Herabsetzung des Einheitswerts für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft steht somit eine bisher noch nicht bestehende Wertfeststellung für das aus dem Betrieb ausscheidende Wohngebäude gegenüber. Die beiden begehrten Wertfeststellungen wirken damit gegenläufig, denn die Wertermäßigung im land- und forstwirtschaftlichen Vermögen hat eine Wertfeststellung (Werterhöhung) im Grundvermögen zur Folge. Aus diesem Grund können für die Bemessung des Streitwerts des Revisionsverfahrens nicht die steuerlichen Auswirkungen beider Wertfeststellungen zusammengerechnet werden.
2. Der Senat bemißt bei begehrter Erfassung von Teilen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft als Grundvermögen den Streitwert gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nach der Wertminderung, die sich durch das begehrte Ausscheiden dieser Teile aus dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen beim Einheitswert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft ergibt. Für diese Behandlung der Streitwertfestsetzung spricht auch, daß im Fall der Maßgeblichkeit des Grundvermögens-Einheitswerts für den in das Grundvermögen zu überführenden Teil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft nur zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Streitwertfestsetzung eine Bewertung dieses Teils als Grundvermögen durchgeführt werden müßte, obwohl das Begehren des Klägers möglicherweise - wie der Streitfall zeigt - in der Sache keinen Erfolg hat.
Für die Streitwertfestsetzung geht der Senat von der pauschalierten regelmäßigen steuerlichen Belastung des streitigen Wertunterschieds für drei Jahre aus (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Februar 1977 III B 28/75, BFHE 121, 300, BStBl II 1977, 352). Das land- und forstwirtschaftliche Vermögen wird an laufenden Steuern mit Grundsteuer und Vermögensteuer belastet.
a) Bei der Pauschalierung der Grundsteuerbelastung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist zu beachten, daß die Steuermeßzahl für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft durch das ab 1. Januar 1974 wirksame Grundsteuergesetz (GrStG) 1973 auf 6 v. T. festgesetzt wurde (§ 14 i. V. m. § 37 Abs. 1 Satz 1 GrStG vom 7. August 1973). Der durchschnittliche Hebesatz in der Bundesrepublik Deutschland betrug 1974 für die Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) 230 v. H. (vgl. Statistisches Jahrbuch 1976 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 434, Nr. 22.17.2). Damit ergibt sich für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen eine durchschnittliche jährliche Belastung mit Grundsteuer von 13,8 v. T. des Einheitswerts.
b) Das steuerpflichtige Vermögen natürlicher Personen wurde ab 1. Januar 1974 mit 0,7 v. H. (= 7 v. T.) Vermögensteuer belastet (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes i. d. F. des Vermögensteuerreformgesetzes vom 17. April 1974 - VStRG 1974 -, BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233). Der Zuschlag von 40 v. H. des § 121 a des Bewertungsgesetzes i. d. F. vom 26. September 1974 - BewG 1974 - (BGBl I 1974, 2369, BStBl I 1974, 862) wird auf die Einheitswerte des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nicht angebracht.
c) Damit ergibt sich für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen eine jährliche pauschalierte Belastung mit laufenden Steuern von 20,8 v. T. oder abgerundet 20 v. T. Dementsprechend bemißt der Senat den Streitwert bei Anfechtung oder bei einem Antrag auf Fortschreibung des Einheitswerts eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft pauschal mit 3 x 20 v. T. = 60 v. T. des streitigen oder begehrten Wertunterschieds (vgl. auch BFH-Beschluß III B 28/75).
d) Die Kläger wollen mit der Revision erreichen, daß der Einheitswert für ihren Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auf dem Wege der Wertfortschreibung zum 1. Januar 1975 von bisher 30 300 DM auf 4 900 DM herabgesetzt wird. Dementsprechend beträgt der Streitwert des Revisionsverfahrens 60 v. T. aus (30 300 DM ./. 4 900 DM =) 25 400 DM, mithin 1 524 DM. Damit übersteigt das Revisionsbegehren die für eine zulässige Revision erforderliche Revisionssumme von 1 000 DM (§ 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlastG -).
II.
1. Nach § 225 a Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) i. d. F. des Art. 7 § 1 VStRG 1974 ist ein Fortschreibungsbescheid zu erteilen, wenn dem FA bekannt wird, daß die Voraussetzungen für eine Fortschreibung vorliegen. Diese Voraussetzungen sind in § 22 BewG 1974 geregelt.
Das FG ist mit zutreffenden Gründen bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse des Betriebs der Kläger zum 1. Januar 1975 nicht eingetreten ist. Die von den Klägern geltend gemachte Änderung in der Bewirtschaftungsweise kleinerer Familienbetriebe, die dahin gehe, diese Betriebe zunehmend nur im Nebenerwerb zu führen, ist eine langfristige Entwicklung, die nicht die tatsächlichen Verhältnisse des einzelnen Betriebs betrifft, sondern die Struktur der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft schlechthin. Solche Änderungen könnten allenfalls bei einer Hauptfeststellung der Einheitswerte des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens berücksichtigt werden.
Damit verbleibt nur die Möglichkeit einer Fortschreibung des Einheitswerts zur Beseitigung eines Fehlers, mit dem die vorhergehende Feststellung behaftet ist. Nach § 22 Abs. 4 Nr. 2 BewG 1974 ist eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung auf den Beginn des Kalenderjahres durchzuführen, in dem der Fehler dem FA bekannt wird. Da der von den Klägern behauptete Fehler dem FA erst durch Schreiben vom 7. Januar 1976 bekannt wurde, könnte auch eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung unter der Voraussetzung, daß die vorhergehende Feststellung überhaupt fehlerhaft war, erst zum 1. Januar 1976 durchgeführt werden. Streitgegenstand dieses Verfahrens sind aber die Feststellungen zum 1. Januar 1975. Zu diesem Feststellungszeitpunkt haben FA und FG nach vorstehenden Ausführungen zu Recht eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung abgelehnt.
Das FG hat sich auch ohne Rechtsverletzung mit der Frage der Nachsichtgewährung wegen Fristversäumnis nicht auseinandergesetzt. Denn Nachsicht könnte nach § 86 AO nur bei Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist oder der Frist für einen rechtsbehelfsähnlichen Antrag gewährt werden (vgl. auch § 110 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Seit der Neufassung des § 225 a Abs. 2 AO durch das Vermögensteuerreformgesetz 1974 hängt die Fortschreibung eines Einheitswerts aber nicht mehr von einem Antrag ab, sondern das FA hat von Amts wegen tätig zu werden. Für einen bloßen Hinweis, daß eine Einheitswertfeststellung fehlerhaft sei, gibt es somit keine gesetzliche Frist und damit auch keine Nachsicht bei Versäumung der Frist. Entgegen der Auffassung der Kläger ist es für die Entscheidung des Streitfalles ohne Bedeutung, daß grundsätzlich eine rückwirkende Fortschreibung zulässig ist, solange nicht alle an den zurückliegenden Feststellungszeitpunkt anknüpfenden Steuern verjährt sind. Denn die zeitliche Begrenzung der Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung durch § 22 Abs. 4 Nr. 2 BewG 1974 schließt eine darüber hinausgehende Rückwirkung regelmäßig aus.
2. Das FG hat sich, obwohl eine Fortschreibung zum 1. Januar 1975 nach vorstehenden Ausführungen schon aus Gründen der Regelung des Fortschreibungsverfahrens nicht möglich ist, auch mit der Frage befaßt, ob der zum 1. Januar 1974 festgestellte Einheitswert aus den von den Klägern vorgetragenen Gründen fehlerhaft ist. Auch diese Ausführungen des FG lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das Urteil des erkennenden Senats vom 26. Januar 1973 III R 122/71 (BFHE 108, 445, BStBl II 1973, 282) berufen. Danach ist bei landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen das Wohngebäude des Inhabers in der Regel dem Grundvermögen zuzurechnen. Nebenerwerbsstellen haben jedoch in der Regel eine Landzulage, die 3 000 qm nicht übersteigt. In diesen Fällen ist nicht die Wohnlage durch die Bindung an die landwirtschaftliche Tätigkeit vorgegeben, sondern das Wohngrundstück wird so bemessen, daß es eine geringfügige landwirtschaftliche Nebentätigkeit ermöglicht. Bei dem Betrieb der Kläger ist dagegen die Wohnlage durch die landwirtschaftliche Nutzung vorgegeben, die immerhin 6 ha beträgt, und die auch nach dem Vortrag der Kläger eine nicht nur vorübergehende, sondern eine ständige Anwesenheit erfordert. Damit ist das Wohnhaus einem Betriebder Land- und Forstwirtschaft i. S. des § 33 BewG zu dienen bestimmt. Aus der Vorschrift des § 40 a Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes über die Pauschalierung der Lohnsteuer für eine Beschäftigung in geringem Umfang kann für die hier zu entscheidende Frage, ob die Bewirtschaftung des Betriebs eine wohnliche Bindung an die landwirtschaftlichen Kulturflächen erfordert, nichts hergeleitet werden. Es kommt auch nicht darauf an, daß die Kläger ihren Betrieb nur zum Nebenerwerb führen, weil er möglicherweise nicht mehr die Existenzgrundlage für eine bäuerliche Durchschnittsfamilie bildet. Entscheidend ist vielmehr, daß dieser Betrieb mit einem durchschnittlichen Viehbesatz von mindestens fünf Vieheinheiten durch den Eigentümer selbst bewirtschaftet wird und daß diese Bewirtschaftung es erfordert, daß der Eigentümer bei den Betriebsflächen wohnt. Dabei ist von Bedeutung, daß die land- und forstwirtschaftliche Nutzung im Verhältnis zu den Gebäuden nach ihrer Struktur nicht wie ein Wohngebäude mit vergrößertem Hausgarten zu beurteilen ist, sondern daß das Wohngebäude im Zusammenhang mit einer Nutzung steht, die der wirtschaftlichen Einheit das Gepräge der Landwirtschaft gibt.
Fundstellen
BStBl II 1978, 642 |
BFHE 1979, 459 |