Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorweggenommene Erbfolge - § 7b-Absetzungen und Finanzierungskosten für Ausbauten und Erweiterungen - Begriff der Wohnung i.S. von § 21 Abs. 2 Alt.2 EStG
Leitsatz (NV)
1. Erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG für Ausbauten und Erweiterungen stehen einem Vermögensübernehmer trotz eines Erwerbs nach dem 31.12. 1976 insoweit zu, als er ein Einfamilienhaus unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Vermögensübergeber erworben hat, der das Gebäude vor dem 1.1. 1964 errichtet hat.
2. Herstellungskosten für einen Anbau an einem Einfamilienhaus können insoweit nicht in die Bemessungsgrundlage für erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG miteinbezogen werden, als der Vermögensübergeber sich in dem Übergabevertrag ein Nutzungsrecht an dem Anbau ausbedungen und den Nutzungswert nach § 21 Abs. 2 Alt.2 EStG zu versteuern hat.
3. Für die Annahme einer Wohnung genügt es im Anwendungsbereich von § 21 Abs. 2 Alt.2 EStG, daß eine Küche oder Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sind. Eine Abgeschlossenheitsbescheinigung ist nicht erforderlich.
4. Zum anteiligen Werbungskostenabzug von Schuldzinsen wegen eines Anbaus, der nur zum Teil eigenen Wohnzwecken dient.
Normenkette
EStG § 7b Abs. 1-2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 2 Alt. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt aufgrund Übergabevertrags vom 11. Mai 1985 von ihren Eltern deren im Jahre 1960 errichtetes Einfamilienhaus unter der Auflage übertragen, den Eltern ein dingliches Wohnrecht zunächst an dem gesamten Einfamilienhaus und nach dessen Ausbau von Erd- und Obergeschoß ein solches an Räumen im Obergeschoß zu bestellen. Weiter verpflichtete sich die Klägerin, an ihre Schwester eine Abfindung von 10000 DM zur Abgeltung eines künftigen Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu zahlen. Schließlich verpflichtete sich die Klägerin gegenüber ihren Eltern zu bestimmten Altenteilsleistungen. Als der Ausbau im Dezember 1985 bezugsfertig geworden war, bestellte die Klägerin ihren Eltern vereinbarungsgemäß ein dingliches Wohnrecht an folgenden Räumen im Obergeschoß: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad, WC, Flur außer Treppenhaus, Zimmer Kind I und Balkon. Von der durch den Anbau zusätzlich geschaffenen Wohnfläche nutzten die Kläger 60 qm im Erdgeschoß und die Eltern 58 qm im Obergeschoß. Durch den Ausbau wurde der Charakter des Einfamilienhauses nicht verändert. Die Klägerin finanzierte die Kosten des Ausbaus mit Darlehen, auf die sie Schuldzinsen entrichtete. Sie zahlte im Jahre 1986 an ihre Schwester die Abfindung von 10000 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ermittelte den Nutzungswert für den von den Klägern bewohnten Teil des Einfamilienhauses nach § 21a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er berücksichtigte erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG und Schuldzinsen mit 51 v.H. entsprechend der anteiligen von den Klägern genutzten Wohnfläche des Anbaues im Erdgeschoß.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter, als Werbungskosten erhöhte Absetzungen auch für den von den Eltern genutzten Teil des Anbaues und die strittigen Schuldzinsen absetzen zu können. Hingegen verzichteten sie auf erhöhte Absetzungen aufgrund der Abfindungszahlung an die Schwester der Klägerin.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt. Es beurteilte die geltend gemachten erhöhten Absetzungen und die Schuldzinsen in voller Höhe als Werbungskosten mit der Begründung, die Klägerin habe, um im Erdgeschoß ihres Hauses wohnen zu können, nicht nur die Kosten für den Ausbau dieser Etage, sondern auch die für den Ausbau des Obergeschosses aufwenden müssen. Denn durch den Ausbau des Obergeschosses habe sie das den Eltern ursprünglich auch am Erdgeschoß zustehende Nutzungsrecht abgelöst.
Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision Verletzung der §§ 21 und 21a EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG und die strittigen Schuldzinsen rechtsfehlerhaft in voller Höhe als Werbungskosten beurteilt, ohne sie um den Anteil für die von den Eltern der Klägerin genutzten Wohnräume zu kürzen.
1. Das FG hat zutreffend unerörtert gelassen, ob der Klägerin erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG für die teilentgeltliche Anschaffung eines Einfamilienhauses zustehen könnten, weil sie zum Erwerb des Einfamilienhauses von ihren Eltern aufgrund des Übergabevertrags vom 11. Mai 1985 an ihre Schwester eine Abfindung von 10000 DM zahlen mußte. Denn insoweit hat die Klägerin darauf verzichtet, erhöhte Absetzungen geltend zu machen.
2. Das FG hat auch grundsätzlich zutreffend bejaht, daß die Klägerin die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG infolge des Ausbaus ihres Einfamilienhauses beanspruchen kann.
Nach dieser Vorschrift sind erhöhte Absetzungen für Herstellungskosten gegeben, die für Ausbauten und Erweiterungen an einem Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus oder an einer Eigentumswohnung aufgewendet worden sind, wenn das Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus oder die Eigentumswohnung vor dem 1. Januar 1964 fertiggestellt und nicht nach dem 31. Dezember 1976 angeschafft worden ist. Weitere Voraussetzung ist, daß das Gebäude oder die Eigentumswohnung im Inland belegen ist und die ausgebauten oder neu hergestellten Gebäudeteile zu mehr als 80 v.H. Wohnzwecken dienen.
Die Klägerin hat ganz überwiegend ein Einfamilienhaus im Sinne der vorstehenden Vorschrift ausgebaut. Ihr Einfamilienhaus war im Jahre 1960 und damit vor dem 1. Januar 1964 fertiggestellt worden. Zwar erwarb sie das Gebäude erst nach dem 31. Dezember 1976 aufgrund des Übergabevertrags vom 11. Mai 1985. Sie schaffte es jedoch nur insoweit entgeltlich an, mit der Folge, daß insoweit erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG ausscheiden, als sie aufgrund des Übergabevertrags vom 11. Mai 1985 an ihre Schwester eine Abfindung von 10000 DM zur Abgeltung eines künftigen Pflichtteilsergänzungsanspruchs zahlen mußte. Soweit sie das Gebäude im übrigen unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erworben hatte, trat sie in die Rechtsposition ihres Vaters ein, der das Gebäude im Jahre 1960 errichtet hatte (vgl. zur Zurechnung der Rechtsstellung des Rechtsvorgängers im Falle des unentgeltlichen Erwerbs Oberfinanzdirektion - OFD - Münster, Verfügung vom 20. Mai 1986 S 2197 - 48 - St 16-31, Betriebs-Berater - BB - 1986, 1139).
3. Das angefochtene Urteil war jedoch aufzuheben, weil das FG der Klägerin erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG rechtsfehlerhaft auch nach der Bemessungsgrundlage der Herstellungskosten für den von ihren Eltern bewohnten Teil des Anbaues im Obergeschoß mit der Begründung zuerkannt hat, die Aufwendungen für den Ausbau des Obergeschosses seien Anschaffungskosten, die die Klägerin aufgewendet habe, um das Nutzungsrecht abzulösen, das ihre Eltern sich ursprünglich auch am Erdgeschoß vorbehalten hätten, und um sodann das Erdgeschoß selbst nutzen zu können. Es kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt ein von den Eltern vorbehaltenes Nutzungsrecht an den Wohnräumen im Erdgeschoß ablöste oder ob sie nicht ihren Eltern erst nach dem Ausbau des Obergeschosses erstmals ein Nutzungsrecht an den Wohnräumen im Obergeschoß bestellte. Für letztere Beurteilung sprechen der Übergabevertrag vom 11. Mai 1985 und seine tatsächliche Durchführung.
In jedem Falle durfte das FG die Aufwendungen der Klägerin für den Anbau an das Obergeschoß nicht als Anschaffungskosten in die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG miteinbeziehen. Denn zur Bemessungsgrundlage der erhöhten Absetzungen können nach dem klaren Wortlaut von § 7b Abs. 2 EStG nur Herstellungskosten, nicht aber Anschaffungskosten gerechnet werden.
Als Herstellungskosten lassen sich die Aufwendungen der Klägerin für den Anbau am Obergeschoß nicht in die Bemessungsgrundlage für ihre erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 2 EStG miteinbeziehen. Insoweit dienten ihre Aufwendungen nicht der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch die Klägerin, weil nicht sie, sondern ihre Eltern den Nutzungswert der Wohnräume im Obergeschoß nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zu versteuern hatten. Denn der Übergabevertrag vom 11. Mai 1985 verlieh ihren Eltern eine gesicherte Rechtsposition zur Nutzung des Obergeschosses. Die Anwendbarkeit von § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG setzt allerdings außerdem voraus, daß dem Nutzungsberechtigten eine Wohnung zur Verfügung steht, die als Zusammenfassung von Räumen eine Führung eines selbständigen Haushalts ermöglicht. Für die Annahme einer Wohnung genügt es im Anwendungsbereich von § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG, wenn eine Küche oder Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sind (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791; vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794; vom 25. Juli 1991 XI R 4/89, BFH/NV 1992, 31; vom 11. August 1992 IX R 223/87, BFHE 169, 85, BStBl II 1993, 31). Eine Abgeschlossenheit ist nicht erforderlich.
Die Eltern der Klägerin nutzten im Obergeschoß - entgegen der Auffassung der Klägerin - eine Wohnung im vorstehenden Sinne. Die ihren Eltern allein zur Verfügung stehenden Räume erlaubten ihnen die Führung eines selbständigen Haushalts. Sie besaßen dort nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche, ein Bad, eine Toilette, ein Zimmer Kind I und einen Balkon.
4. Das angefochtene Urteil war schließlich auch deswegen aufzuheben, weil das FG als Werbungskosten in voller Höhe auch die Schuldzinsen berücksichtigt hat, die die Klägerin für Darlehen zur Finanzierung des Ausbaues in den Streitjahren gezahlt hat.
Schuldzinsen sind nur insoweit als Werbungkosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbar, als die Darlehensvaluta zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgenommen und verwendet worden ist (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
Wie bereits oben in Abschn. 3 ausgeführt, diente der mit Darlehen finanzierte Ausbau der Klägerin zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur bezüglich des von ihr bewohnten Erdgeschosses, nicht aber hinsichtlich des von ihren Eltern genutzten Obergeschosses. Der Aufwand für den Ausbau des Obergeschosses waren Herstellungskosten auf einenTeil ihres Einfamilienhauses, den sie nicht zur Einkunftserzielung nutzte. Selbst wenn man - der Klägerin folgend - auch einen wirtschaftlichen Zusammenhang dieses Aufwands mit ihrer Erdgeschoßwohnung deswegen bejaht, weil sie sich zum Ausbau des Obergeschosses verpflichtet hatte, um das elterliche Wohnrecht nicht - wie ursprünglich vorgesehen - am gesamten Einfamilienhaus bestellen zu müssen, so ändert dies nichts an der teilweisen Nichtabziehbarkeit der Schuldzinsen als Werbungskosten. Denn diese hingen unmittelbar und in erster Linie mit dem Ausbau des Obergeschosses zusammen. Sie waren Werbungskosten bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Eltern, die diese aber als von ihrer Tochter getragenen Drittaufwand nicht abziehen konnten.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.
5. Die Sache ist nicht spruchreif; denn es fehlen bisher tatsächliche Feststellungen zu der Frage, inwieweit erhöhte Absetzungen für den Anbau und Schuldzinsen für Darlehen zu seiner Herstellung als Werbungskosten abziehbar sind.
a) Erhöhte Absetzungen für den Anbau nach § 7b Abs. 2 EStG stehen der Klägerin überhaupt nur insoweit zu, als sie das Einfamilienhaus nicht durch Zahlung einer Abfindung an ihre Schwester nach dem 31. Dezember 1976, sondern unentgeltlich erworben hat. Das FG wird daher den Erwerb des Einfamilienhauses samt Grundstück aufgrund des Übergabevertrags vom 11. Mai 1985 in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil entsprechend dem Verhältnis der Anschaffungskosten zu den Verkehrswerten aufzuteilen haben (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1993 X R 25/91 BFHE 171, 202, BStBl II 1993, 704 Abschn. 2b).
b) Nach der Ermittlung der anteiligen, auf den unentgeltlich erworbenen Teil des Einfamilienhauses entfallenden Herstellungskosten für den Anbau wird das FG diese Herstellungskosten nach dem Verhältnis des von der Klägerin genutzten Teil und des von ihren Eltern bewohnten Teils des Einfamilienhauses aufzuteilen haben. Dabei wird es dem Hilfsbegehren der Kläger nachzugehen haben, die Herstellungskosten nicht im Verhältnis der Wohnflächen, sondern der der geschaffenen Bausubstanz aufzuteilen. Abschn. 55 Abs. 2 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 1984 sieht eine Aufteilung nach umbautem Raum vor, wenn die Geschoßhöhen wesentlich voneinander abweichen. Die Kläger haben bereits im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, ein erheblicher Teil der Ausbaukosten entfalle auf Nebenräume, die nicht dem elterlichen Wohnrecht unterlägen.
Fundstellen
Haufe-Index 419411 |
BFH/NV 1994, 537 |