Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Berücksichtigung als Pflegekind, eigene Kostenbelastung der Pflegeeltern
Leitsatz (NV)
Aufgrund der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ab 1996 bedarf es für die Berücksichtigung eines Kindes als Pflegekind auch bei einer Betreuung im Rahmen der sog. Familienvollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) der Prüfung des Einzelfalls, ob die den Pflegeeltern entstandenen ‐ und grundsätzlich nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen der Pflegeeltern zu berücksichtigenden ‐ Unterhaltskosten (einschließlich der Kosten für die Betreuung, Ausbildung und Erziehung) die Aufwandserstattungen (z.B. Pflegegeld) mit der Folge überschreiten, dass die Pflegeeltern zumindest 20 v.H. ‐ und damit einen nicht unwesentlichen Teil (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996) ‐ der gesamten (angemessenen) Unterhaltskosten des Pflegekindes tragen.
Normenkette
EStG 1996 § 32 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Das 1990 geborene Kind A befindet sich seit Juni 1998 im Haushalt des Klägers und Revisionsklägers (Kläger). Der Kläger und seine Ehefrau erhalten ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 848 DM sowie Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 1 263,61 DM (bis April 1999: 1 229,51 DM).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) lehnte den Antrag des Klägers auf Kindergeld für A mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 1998 ab. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 579 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision beantragt der Kläger sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für A zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Der Senat kann nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht entscheiden, ob dem Kläger Kindergeld für A zustand.
1. Anspruch auf Kindergeld besteht gemäß §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1997 (im Folgenden: EStG). Gemäß § 32 Abs. 1 EStG sind Kinder im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sowie Pflegekinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Im Streitfall kommt nur die Berücksichtigung des A als Pflegekind in Betracht.
a) Ein Pflegekind ist nach der Legaldefinition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG eine Person, mit der der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat, das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht und der Steuerpflichtige sie mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält.
b) Unstreitig hat der Kläger A in seinen Haushalt aufgenommen und ist mit ihm durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden. Auch das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern des Kindes besteht nicht mehr.
c) Der Senat kann jedoch aufgrund der Feststellungen des FG nicht abschließend dazu entscheiden, ob A zu einem nicht unwesentlichen Teil auf Kosten des Klägers unterhalten wurde. Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 29. Januar 2003 VIII R 71/00 (BFHE 201, 292) im Einzelnen dargelegt hat, bedarf es nach der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ab 1996 für die Berücksichtigung eines Kindes als Pflegekind der Prüfung des Einzelfalls, ob die den Pflegeeltern entstandenen ―und grundsätzlich nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen der Pflegeeltern zu berücksichtigenden― Unterhaltskosten (einschließlich der Kosten für die Betreuung, Ausbildung und Erziehung) die Aufwandserstattungen (z.B. Pflegegeld) mit der Folge überschreiten, dass die Pflegeeltern zumindest 20 v.H. ―und damit einen nicht unwesentlichen Teil (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996)― der gesamten (angemessenen) Unterhaltskosten des Pflegekindes tragen. Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen und hiernach erneut über den Klageantrag zu entscheiden haben.
2. Der Kläger hat nicht auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Der Senat hält eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid für zweckmäßig (§ 121, § 90a FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 968326 |
BFH/NV 2003, 1298 |