Leitsatz (amtlich)
1. Durch die Umstellung von Ausspielgeräten auf Schwachstrom wird kein neues Wirtschaftsgut i. S. von § 19 Abs. 2 Satz 1 BHG 1964 geschaffen.
2. Läßt der Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 19 Abs. 4 BHG 1964 nicht den gesamten für die Beurteilung erheblichen Sachverhalt erkennen, so kann sich der Antragsteller gegenüber einem späteren Rückforderungsbescheid nicht auf eine mangelnde Sachaufklärung des FA berufen.
Normenkette
BHG 1964 § 19 Abs. 2, 5
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) eine an den Kläger und Revisionskläger (Kläger) ausbezahlte Investitionszulage nach § 19 BHG vom 19. August 1964 (BGBl I 1964, 675) zurückfordern durfte.
Der Kläger ließ im Jahre 1967 32 Ausspielgeräte, die er 1965 angeschafft hatte, durch eine mechanische Werkstätte auf Schwachstrom (40 Volt) umstellen. Die Kosten dafür und die Kosten der Zulassung der Geräte betrugen zusammen 11 900 DM. Der Kläger beantragte für diese Kosten eine Investitionszulage. Als begünstigte Wirtschaftsgüter gab er in seinem Antrag an:
"Ausspielgeräte XY Umbau in 40 V Schwachstrom."
Seinem Antrag fügte er eine Rechnung bei, die - neben einem Ausweis von Zulassungs- und Neuzulassungskosten - im wesentlichen die gleichen Angaben wie der Zulageantrag enthält. Das FA gab dem Antrag mit Bescheid vom 16. April 1968 statt. Es ging dabei davon aus, daß die Geräte fabrikneu waren. Erst durch eine Betriebsprüfung im Jahre 1971 wurde ihm bekannt, daß diese nur umgebaut worden waren. Daraufhin forderte es die Investitionszulage mit Bescheid vom 24. Februar 1972 zurück.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte in seiner - in den EFG 1972, 574, veröffentlichten - Entscheidung im wesentlichen aus:
Der Antrag des Klägers ließe nicht mit genügender Deutlichkeit erkennen, daß die Geräte nur umgebaut worden seien. Deshalb könne der Kläger dem FA nicht mit Erfolg eine Verletzung seiner Ermittlungspflicht entgegenhalten. Es sei auch unerheblich, daß das FA dem Kläger auch bei dem von ihm angenommenen Sachverhalt die Investitionszulage nicht hätte gewähren dürfen, weil jedenfalls die Anschaffungskosten für das einzelne Gerät unter 600 DM gelegen hätten. Dieser Rechtsirrtum beruhe auf dem Tatsachenirrtum über die Fabrikneuheit der Geräte. Das FA habe die Zulage auch zu Recht in voller Höhe zurückgefordert. Eine Investitionszulage stehe dem Kläger bei Herstellungsaufwand aufgrund eines Werksvertrages nicht zu.
Mit seiner Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung und - sinngemäß - den Rückforderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben. Er rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 19 Abs. 1 und Abs. 5 BHG 1964).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FA hat die Investitionszulage zu Recht zurückgefordert. Nach § 19 Abs. 1 und 2 des für das Streitjahr anzuwendenden BHG 1964 wird u. a. eine Investitionszulage dann gewährt, wenn der Steuerpflichtige neue, abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter anschafft oder herstellt und die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten 600 DM nicht übersteigen. Nach § 19 Abs. 5 BHG 1964 ist die Investitionszulage zurückzuzahlen, wenn nach ihrer Auszahlung festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht oder nur zum Teil vorgelegen haben. Dem FA steht ein solches Rückforderungsrecht zu (1.); der Geltendmachung dieses Rechts stehen Treu und Glauben nicht entgegen (2.).
1. Der Kläger hat keine neuen Wirtschaftsgüter angeschafft. Er hat bereits zu seinem Anlagevermögen gehörende Wirtschaftsgüter durch eine Werkstätte auf Schwachstrom umstellen lassen. Die mit solchen Werkleistungen zusammenhängenden Kosten sind entweder Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand. Ob das eine oder das andere vorliegt, kann hier dahinstehen. Handelt es sich um Erhaltungsaufwand, dann kann eine Investitionszulage in keinem Fall gewährt werden (vgl. z. B. Urteil des BFH vom 9. März 1967 IV R 149/66, BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238, mit weiteren Nachweisen). Handelt es sich um Herstellungsaufwand, so ist dieser jedenfalls dann nicht zulagefähig, wenn durch die Werkleistung kein neues Wirtschaftsgut geschaffen wird. Die Umstellung eines Ausspielgerätes auf Schwachstrom führt zu keinem neuen Wirtschaftsgut in diesem Sinne. Denn dadurch wird - bei gegenständlicher Betrachtung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung - das Wirtschaftsgut weder in seiner Substanz wesentlich vermehrt oder in seiner Wesensart verändert (BFH-Urteil vom 31. Januar 1956 I 111/54 U, BFHE 62, 230, BStBl III 1956, 86), noch ist die Umstellung auf eine andere Stromspannung - bei Berücksichtigung des Zwecks des BHG - geeignet, die Wirtschaftskraft des Unternehmens durch Modernisierung zu fördern. Der Senat braucht deshalb auf die weitere Frage, ob es grundsätzlich möglich ist, aus einem einheitlichen neuen Wirtschaftsgut denjenigen Teil der Kosten als alleinbegünstigt auszusondern, der auf den Einbau neuer Teile entfällt (so z. B. OFD Berlin Nr. 124/71 vom 29. März 1971, Steuer- und Zollblatt für Berlin 1971 S. 321 Nr. 3; anderer Ansicht Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Bd. VIII, Berlinförderungsgesetz, Anm. 16 zu § 19 am Ende), nicht einzugehen.
2. Das FA konnte dieses Rückforderungsrecht auch geltend machen. Zwar kann auch die Investitionszulage nach § 19 Abs. 5 BHG 1964 stets nur insoweit zurückgefordert werden, als dem die Grundsätze von Treu und Glauben und die gesetzlichen Verjährungsfristen nicht entgegenstehen (BFH-Urteil vom 6. April 1971 VI R 161/ 67, BFHE 102, 343, BStBl II 1971, 610, mit weiteren Nachweisen, betreffend Rückforderung von Wohnungsbau-Prämien). Besondere Umstände, die es verbieten, die gesetzwidrige Vermögenslage rückgängig zu machen, lagen jedoch im Streitfall nicht vor.
Nach der - zu § 222 AO ergangenen - Rechtsprechung des BFH (z. B. Urteile vom 6. November 1963 I 365/61 U, BFHE 78, 35, BStBl III 1964, 13; vom 13. März 1964 VI 308/62, StRK, Reichsabgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 196, mit weiteren Nachweisen, und vom 28. Januar 1970 I R 123/67, BFHE 98, 171, BStBl II 1970, 296), der sich der erkennende Senat angeschlossen hat (Urteil vom 19. Oktober 1971 VIII R 27/66, BFHE 103, 404, BStBl II 1972, 106), stehen Treu und Glauben einer Berichtigung durch das FA zuungunsten des Steuerpflichtigen in der Regel dann nicht entgegen, wenn dieser seiner Mitwirkungspflicht nicht voll nachgekommen ist, insbesondere wenn er dem FA die für die Steuerfestsetzung wesentlichen Tatsachen nicht richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung unterbreitet hat. Der Steuerpflichtige kann sich in diesem Fall - unabhängig von einem eventuellen eigenen Verschulden (vgl. BFH-Urteile vom 13. Januar 1965 I 54/63, StRK, Reichsabgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 245, und vom 21. Juni 1968 VIR 135/66, BFHE 93, 33, BStBl II 1968, 698) - auch nicht auf eine Nachlässigkeit des FA bei der Ermittlung der für die Besteuerung wesentlichen tatsächlichen Verhältnisse berufen. Das gilt in besonderem Maße für beantragte Steuervergünstigungen (z. B. BFH-Beschluß vom 9. Mai 1969 III B 36/68, BFHE 96, 296, BStBl II 1969, 627). Diese Grundsätze sind auch im Investitionszulageverfahren zu beachten. Nur eine auf erschöpfende Mitteilung des Sachverhalts gerichtete Darlegungspflicht des Antragstellers ermöglicht dem FA ein echtes Prüfungsverfahren, das es rechtfertigt, ihm das Rechtsanwendungsrisiko aufzuerlegen und eine Berichtigungsmöglichkeit bei bloßer Änderung der rechtlichen Beurteilung auszuschließen. In dieser Sachverhaltsmitteilung liegt eine wesentliche Funktion des Antrags nach § 19 Abs. 4 BHG 1964; der insoweit erforderliche Inhalt ergibt sich aus den über die Verweisung des § 19 Abs. 7 BHG 1964 entsprechend anzuwendenden Darlegungspflichten der AO. Kommt der Antragsteller diesen Pflichten nicht nach und kennt das FA bis zur Auszahlung den vollständigen Sachverhalt nicht, ist ein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers nicht anzuerkennen.
Die erforderlichen Angaben hat der Kläger nicht gemacht. Er hat nicht darauf hingewiesen, daß es sich bereits um im Jahre 1965 angeschaffte, jetzt lediglich umgebaute Geräte handelte. Er konnte auch nicht davon ausgehen, daß dies dem FA aufgrund ihm vorliegender Unterlagen bereits bekannt war und ebensowenig, daß diese Angaben nicht erforderlich oder aus dem Antrag bereits hinreichend deutlich zu ersehen waren. Der stichwortartige Hinweis auf einen Umbau in Verbindung mit auf der beiliegenden Rechnung ausgewiesenen "Neuzulassungskosten" läßt die Auslegung des FA, es handele sich um einen Neuerwerb mit Umbau, zumindest möglich erscheinen. Unerheblich ist schließlich, ob das FA - wie die Vorinstanz annimmt - auch bei dem ihm bekannten Sachverhalt die Investitionszulage nicht hätte gewähren dürfen. Mißt man der Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsirrtum bei der Auslegung des § 19 Abs. 5 BHG 1964 Bedeutung bei, so muß zwar verhindert werden, daß die Feststellung unerheblicher neuer Tatsachen zur Berichtigung berechtigt und damit diese Unterscheidung wieder verwischt wird (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 2. September 1971 V R 8/67, BFHE 103, 370, BStBl II 1972, 45). Im Streitfall handelt es sich aber weder um solche unerheblichen Tatsachen noch kann davon ausgegangen werden, daß das FA mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts (dazu BFH-Urteil vom 13. April 1972 IV R 27/70, BFHE 105, 445, BStBl II 1972, 648) die Investitionszulage ebenfalls gewährt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 121, 90 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 70945 |
BStBl II 1974, 538 |
BFHE 1974, 444 |