Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsverpachtung ohne Aufgabeerklärung läßt den Bestand des Betriebsvermögens unverändert
Leitsatz (NV)
1. Eine Betriebsverpachtung ohne Aufgabeerklärung gilt grundsätzlich als bloße Betriebsunterbrechung.
2. Wird ein bisheriges Betriebsgrundstück bei einer Betriebsverpachtung nicht mitverpachtet, so kann es gewillkürtes Betriebsvermögen bleiben, solange eine objektive Beziehung zum Betrieb besteht.
Normenkette
EStG § 4
Tatbestand
Streitig ist, ob ein im Streitjahr 1978 veräußerter Grundstücksteil Betriebs- oder Privatvermögen war.
1. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Erben der im Jahre 1987 verstorbenen X. X betrieb vor dem Jahre 1972 in Z einen Gasthof, eine Brauerei und eine Land- und Forstwirtschaft. Der Gasthof, die land- und forstwirtschaftlichen Gebäude und ein Teil der Brauerei (Sudhaus und Kühlschiff) waren in dem Anwesen A-Straße untergebracht, die restlichen Brauereianlagen (Gärbottiche) befanden sich auf dem Grundstück B-Straße.
Mit Vertrag vom 23. Oktober 1972 verpachtete X ,,alle für die Unterhaltung eines Bierdepots notwendigen Räume samt Einrichtung der Brauerei, insbesondere die erforderlichen Lagerräume für Voll- und Leergut, 2 LKW-Garagen, 1 Büro und ausreichend Hofraum" an die A-Brauerei. Nach den Angaben der Kläger bezog sich das Pachtverhältnis nur auf das Anwesen B-Straße. Das Brauereigebäude im Anwesen A-Straße sei nicht Gegenstand des Pachtvertrages gewesen.
Zum 31. Oktober 1972 meldete X den Brauereibetrieb gewerberechtlich ab. Sie teilte der Stadt Z mit, daß die Räumlichkeiten der Brauerei an die A-Brauerei verpachtet seien. Die Pächterin habe auf dem Pachtgrundstück ein Depot errichtet.
In der Bilanz zum 30. Juni 1973 wurden das Brauereigebäude und der zugehörige Grundstücksteil weiter als Betriebsvermögen bilanziert. In den Erläuterungen zur Bilanz heißt es:
,,Die Gebäude, die der Brauerei dienten, werden weiterhin als gewillkürtes Betriebsvermögen des Hotels behandelt; . . ."
Mit Schreiben vom 30. Mai 1974 teilte X dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) auf Anfrage mit, daß
,,im vorliegenden Fall durch die Behandlung der Brauereigebäude als gewillkürtes Betriebsvermögen das Gesamtbild der gewerblichen Tätigkeit nicht entscheidend verändert worden ist. Die Existenzfähigkeit des Gewerbebetriebs wird vielmehr dadurch verbessert. Gegen die Behandlung der Brauereigebäude als gewillkürtes Betriebsvermögen können deshalb keine Zweifel bestehen . . .
Brauerei und Gasthof wurden bisher immer als ein Gewerbebetrieb behandelt. Eine Aufteilung des Wertes des Grund und Bodens der bebauten Grundstücke wurde deshalb nicht vorgenommen. Die Brauereigebäude sind mit . . . DM in der Bilanzposition ,Gebäude` enthalten."
Das FA behandelte das Brauereigrundstück samt Gebäude auch nach 1972 als Betriebsvermögen des weiterbestehenden Gastwirtschaftsbetriebes.
Mit Vertrag vom 22. November 1975 verpachtete X die Gastwirtschaft mit Hotel ,,einschließlich der vorhandenen Brauereihof- und Gartenflächen sowie Garagen" ebenfalls an die A-Brauerei. Das Pachtverhältnis endete im Jahr 1977.
Am 4. August 1978 verkaufte X das Grundstück A-Straße an den Zweckverband zur Entwicklung der Stadt K. Das Grundstück B-Straße wurde nicht veräußert und blieb weiterhin an die A-Brauerei verpachtet.
Das FA ging von einem im Jahre 1978 erzielten Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Anwesens A-Straße und einem Entnahmegewinn aus der Entnahme des Grundstücks B-Straße aus. Es ermittelte den Gesamtgewinn von . . . DM und setzte dementsprechend Einkommensteuer auf . . . DM fest. Die der Berechnung des Veräußerungsgewinns zugrunde gelegten stillen Reserven sind betragsmäßig zwischen den Beteiligten unstreitig.
X vertrat die Auffassung, daß die Brauerei bereits 1972 aufgegeben worden sei. Der Pachtvertrag vom 23. Oktober 1972 habe ausschließlich das Grundstück B-Straße betroffen. Die stillen Reserven des früher von der Brauerei genutzten Grundstücksanteils A-Straße dürften deshalb nicht in den im Streitjahr erzielten Veräußerungsgewinn einbezogen werden.
2. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab.
Die Kläger rügen unzureichende Sachaufklärung durch das FG und Verletzung des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
A. Die Revision ist statthaft und zulässig. Durch den Tod der ursprünglichen Klägerin und Revisionsklägerin X wurde das Revisionsverfahren im Jahre 1987 nicht unterbrochen (§ 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 246 Abs. 1 Satz 1 der Zivilpozeßordnung). X war zur Zeit ihres Todes durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten. Die Kläger haben als Rechtsnachfolger der Verstorbenen das Verfahren fortgesetzt.
B. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Die verfahrensrechtlichen Rügen der Kläger sind unbegründet. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 1987, BGBl I 1987, 2442).
2. Der zur früheren Brauerei gehörende Grundstücksteil des Anwesens A-Straße war zur Zeit der Veräußerung im Streitjahr Betriebsvermögen. Die bei der Veräußerung im Streitjahr 1978 vorhandenen stillen Reserven sind Teil des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns.
3. Der von der Brauerei für den eigentlichen Brauvorgang genutzte Grundstücksteil des Gebäudes A-Straße war bis zur Verpachtung 1972 notwendiges Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs der X. Der Grundstücksteil und das aufstehende Brauereigebäude wurden ausschließlich für betriebliche Zwecke der Brauerei genutzt.
4. Der Grundstücksteil verlor durch die Verpachtung vom 23. Oktober 1972 nicht die Eigenschaft als Betriebsvermögen.
a) Entweder wurde dieser Grundstücksteil entsprechend der Auffassung des FA an die A-Brauerei mitverpachtet. Dann gilt die steuerliche Beurteilung des verpachteten Brauereibetriebs auch für das Teilgrundstück. Da X keine Betriebsaufgabe erklärte, wird die Verpachtung aus Nachweisgründen als bloße Betriebsunterbrechung behandelt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456; vom 13. März 1986 IV R 176/84, BFHE 146, 399, BStBl II 1986, 601). Subjektive Absichten des Steuerpflichtigen können erst dann berücksichtigt werden, wenn sie objektiv nach außen, etwa durch eine entsprechende Erklärung, in Erscheinung treten (BFH-Beschluß vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; BFH in BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456; Bitz in Littmann / Bitz / Meincke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 15 Rdnr. 143). Das verpachtete Betriebsvermögen bleibt in derartigen Fällen bis zur Betriebsaufgabeerklärung Betriebsvermögen.
b) War der zuvor von der Brauerei genutzte Grundstücksteil entsprechend der Auffassung der Kläger nicht Gegenstand des Pachtvertrages, so gilt nichts anderes. Da der Grundstücksteil nicht eindeutig in das Privatvermögen überführt und auch keine Betriebsaufgabe erklärt wurde, blieb er Betriebsvermögen der X. Eine Entnahme erfordert nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig eine Entnahmehandlung, die von einem Entnahmewillen getragen ist (vgl. Urteile vom 16. März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, 230, BStBl II 1983, 459; vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395). Dazu reicht zwar ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen aus. Es muß aber die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst werden (BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, 195, BStBl II 1975, 168; BFH in BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395).
Im Streitfall fehlte es an einer Entnahmehandlung. X stellte zwar den Brauereibetrieb im Jahre 1972 ein. Sie erklärte jedoch keine Betriebsaufgabe. Vielmehr behandelte sie das frühere Brauereigebäude als gewillkürtes Betriebsvermögen des fortgeführten Hotel- und Gaststättenbetriebs. Das ergibt sich aus der Bilanz zum 30. Juni 1973, den zugehörigen Bilanzerläuterungen und aus dem an das FA gerichtete Schreiben der X vom 30. Mai 1974.
Diese Behandlung war auch möglich. Wirtschaftsgüter können als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, wenn sie objektiv bestimmt und geeignet sind, den Betrieb zu fördern (BFH-Urteile vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582; vom 20. Juni 1985 IV R 36/83, BFHE 144, 230, BStBl II 1985, 654; Blümich / Müller-Gattermann, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Rdnr. 161; Plückebaum in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Rdnr. B 142; Schmidt / Heinicke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl. § 4 Anm. 32c). Nach den Feststellungen des FG benutzte X den früher von der Brauerei genutzten Grundstücksteil alljährlich zu Gartenfesten und an Pfingsten zur Bewirtung der Pfingstreiter, örtlicher Vereine und der Urlaubsgäste. Der Grundstücksteil war damit objektiv geeignet und bestimmt, den Hotel- und Gaststättenbetrieb zu fördern.
5. Der Grundstücksteil wurde auch im Zusammenhang mit der Verpachtung des Hotel- und Gaststättenbetriebs an die Brauerei am 22. November 1975 nicht entnommen.
a) Für die mit dem Hotel- und Gaststättenbetrieb verpachteten Brauereihof- und Gartenflächen gilt die gleiche steuerrechtliche Beurteilung wie für diesen Betrieb. X machte weder bei der Verpachtung im Jahre 1975 noch später bis zur Veräußerung im Jahre 1978 Gebrauch von ihrem Wahlrecht, diesen Gewerbebetrieb als aufgegeben zu behandeln (vgl. BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456). Damit blieben die zuvor als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelten Brauereihof- und Gartenflächen nach den Grundsätzen über die Verpachtung ganzer Betriebe unverändert Betriebsvermögen (BFH in BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456).
Der Anwendung dieser Grundsätze steht nicht entgegen, daß das Restgebäude nicht mitverpachtet wurde. Eine ,,Betriebsverpachtung" setzt zwar voraus, daß alle wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet wurden (BFH in BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456). Das Restgebäude war jedoch keine wesentliche Betriebsgrundlage. Wirtschaftsgüter, die nach der tatsächlichen Nutzung im Betrieb nur eine funktional unwesentliche Bedeutung besitzen, sind auch dann keine wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn in ihnen erhebliche stille Reserven ruhen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1986 I R 96/83, BFHE 148, 32, BStBl II 1987, 113; vgl. auch BFH-Urteil vom 26. April 1979 IV R 119/76, BFHE 128, 54, BStBl II 1979, 557; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 16 Anm. 143).
b) Auch bezüglich des nicht mitverpachteten früheren Brauereigebäudes lag keine Entnahme vor. Es fehlt auch insoweit an einer Entnahmehandlung. Wird bei einer Betriebsverpachtung ein für den Betrieb unwesentliches Wirtschaftsgut nicht mitverpachtet, so bleibt es Betriebsvermögen des Verpächters, solange keine Entnahmehandlung (z. B. Nutzungsänderung) erfolgt (vgl. Bitz in Littmann /Bitz / Meincke, a. a. O., § 15 Rdnr. 147; Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 15 EStG Anm. 13d (4); Schmidt, a. a. O., § 16 Anm. 143; Mathiak, Finanz-Rundschau 1984, 129, 134).
6. Es kann dahingestellt bleiben, ob X ihre Gewinnermittlung im Jahre 1975 vom Vermögensvergleich auf eine Überschußrechnung umgestellt hatte. Auch dann hätte das frühere Brauereigebäude nur durch eine nachweisbare Entnahmehandlung in das Privatvermögen überführt werden können.
Diese Auffassung steht nicht in Widerspruch zum Urteil des BFH vom 12. Februar 1976 IV R 188/74 (BFHE 118, 212, BStBl II 1976, 663). In dieser Entscheidung hatte der IV. Senat des BFH entschieden, daß der Übergang von einer Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich zur Gewinnermittlung durch Überschußrechnung zur Entnahme gewillkürten Betriebsvermögens führen kann. Er hat dies jedoch auf die Fälle beschränkt, in denen mit dem Übergang die Voraussetzungen für die Zuziehung eines Wohnzwecken dienenden Grundstücksteils zum gewillkürten Betriebsvermögen beseitigt und der Grundstücksteil damit zwangsläufig notwendiges Privatvermögen wird. Der IV. Senat des BFH hat in einer späteren Entscheidung (Urteil vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448) klargestellt, daß Grundstücksteile, die zulässigerweise zum Betriebsvermögen gerechnet worden sind, solange Betriebsvermögen bleiben, bis sie - falls keine ausdrückliche Entnahmehandlung oder ein entsprechender Rechtsvorgang gegeben ist - durch eine Nutzungsänderung notwendiges Privatvermögen werden (vgl. auch BFH-Urteile vom 9. Januar 1964 IV 274/63 U, BFHE 78, 243, BStBl III 1964, 97, und vom 29. April 1970 IV R 192/67, BFHE 99, 523, BStBl II 1970, 754). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i. d. F. des Gesetzes vom 25. Juni 1980, BGBl I 1980, 732, BStBl I 1980, 400). Da für das Jahr 1972 keine nach außen erkennbare Entnahmehandlung feststellbar ist, blieb der früher von der Brauerei genutzte Grundstücksteil auch dann Betriebsvermögen, wenn X im Jahre 1975 zur Überschußrechnung übergegangen sein sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 416411 |
BFH/NV 1991, 357 |