Leitsatz (amtlich)
Verrechnet ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der Umlagevorschüsse erhebt und durch die Anlage der Vorschüsse bis zu ihrer alsbaldigen Verwendung Zinseinnahmen erzielt, diese mit den Ausgaben für die ihm obliegenden Versicherungsleistungen, so liegt darin keine verdeckte Gewinnausschüttung. Dagegen stellt die Verrechnung einer Gewerbesteuererstattung mit den Ausgaben für die Versicherungsleistungen eine verdeckte Gewinnausschüttung dar.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist ein kleinerer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (§ 53 des Versicherungsaufsichtsgesetzes - VAG -). Sein Zweck ist, die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung "wertvoller und verdienter Betriebsangehöriger" der Genossenschaften eines Verbandes ländlicher Genossenschaften, die seine Mitglieder sind, zu verbessern und zu sichern (§ 2 der Satzung). Rechte und Pflichten werden durch die Mitgliedschaft nur zwischen dem Steuerpflichtigen und seinen Mitgliedsgenossenschaften, nicht aber zwischen den Empfängern der Versorgungsbezüge und dem Steuerpflichtigen begründet (§ 10 der Satzung). Die Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge werden aber unmittelbar an die zu versorgenden Betriebsangehörigen oder deren Hinterbliebene gezahlt (§ 17 der Satzung). Die erforderlichen Mittel für die im Lauf des Jahres zu zahlenden Versorgungsbezüge werden durch Umlagen aufgebracht, deren Höhe nach Abschluß des Jahres ermittelt wird (§ 18 der Satzung). Die Mitglieder sind verpflichtet, auf Anforderung Umlagevorschüsse in einer solchen Höhe zu zahlen, daß die laufenden Leistungen für die Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge pünktlich erfolgen können (§ 5 Satz 2 der Satzung). Rücklagen sollen nicht angesammelt werden, da der Steuerpflichtige nur der Verteilung der Versorgungslasten auf "breiteste Schultern" dient (§ 5 Satz 1 der Satzung).
Der Steuerpflichtige macht von seinem Recht, Vorschüsse anzufordern, regelmäßig Gebrauch. Er legt die Vorschüsse bis zu ihrer Verwendung auf ein Bankkonto. Dadurch flossen ihm im Streitjahr 1962 2 205,48 DM Zinsen zu.
Der Revisionsbeklagte (das FA) erblickte darin, daß der Steuerpflichtige die Zinseinnahmen von 2 205,48 DM und eine Gewerbesteuererstattung 1961 von 1 000 DM mit den gezahlten Versorgungsbeträgen verrechnete (und damit den Betrag der zu erhebenden Umlagen verminderte), verdeckte Gewinnausschüttungen, die er im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid als Einkommen des Steuerpflichtigen erfaßte.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA vertrat im Einspruchsbescheid die Auffassung, die Zinsen und die Gewerbesteuererstattung gehörten zu den Einnahmen aus dem nicht versicherungstechnischen Geschäft. Ihre Verrechnung mit den Ausgaben des Steuerpflichtigen komme daher einer nicht abzugsfähigen Beitragsrückerstattung gleich (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 KStG).
Die Berufung des Steuerpflichtigen wurde zurückgewiesen.
Das FG, dessen Urteil in EFG 1965, 549 veröffentlicht ist, hat zwar eingeräumt, daß der Steuerpflichtige keine Beitragsrückerstattungen vorgenommen habe, da er die streitigen Beträge nicht den Mitgliedern gutgeschrieben, sondern nur verrechnet, d. h. von der Gesamtsumme der Ausgaben abgezogen habe. In dem Verzicht auf Erhebung einer Umlage in Höhe der Zinseinnahmen liege jedoch eine verdeckte Gewinnausschüttung. Der Steuerpflichtige habe dadurch, daß er die Umlagevorschüsse verzinslich angelegt habe, außerhalb des versicherungstechnischen Geschäfts Einnahmen erzielt. Denn das Erwirtschaften von Kapitalzinsen sei dem Versicherungsgeschäft nicht wesenseigen. Der Steuerpflichtige habe die Einnahmen aus dem nicht versicherungstechnischen Geschäft dazu verwendet, Versicherungsleistungen zu erbringen, und insoweit auf die Erhebung von Umlagen verzichtet. Der Vorteil, den der Steuerpflichtige damit seinen Mitgliedern gewährt habe, könne nicht durch den Nachteil der zinslosen Leistung der Umlagevorschüsse ausgeglichen werden. Denn ein derartiger Vorteilsausgleich setze nach der Rechtsprechung des BFH eindeutige Abmachungen zwischen den Beteiligten voraus. Diese fehlten im Streitfall. Außerdem sei der Steuerpflichtige (nach seinen eigenen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung) weder nach der Satzung noch aufgrund einer vertraglichen Abmachung verpflichtet, die Vorschüsse zu verzinsen.
Alle diese Erwägungen treffen nach Ansicht des FG auch auf den Betrag der Gewerbesteuerersattung 1961 zu.
Die Revision des Steuerpflichtigen rügt unrichtige Anwendung des § 6 KStG und einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten.
Der Steuerpflichtige meint, da er im Streitjahr keinen Gewinn erzielt habe, habe er auch keinen Gewinn offen oder verdeckt ausschütten können. Bei der Verrechnung der Zinseinnahmen mit den Ausgaben handele es sich um einen Vorteilsausgleich. Die Mitglieder stellten die Vorschüsse auf die Umlagen ohne Verzinsung zur Verfügung. Die Gegenleistung des Vereins sei die Verrechnung der anfallenden Zinsen gegen die entstehenden Kosten. Die Zinseinnahmen gehörten schließlich zum versicherungstechnischen Geschäft. Wären nämlich die Vorschüsse nicht erhoben worden, so hätte er - der Steuerpflichtige - Kredit aufnehmen müssen. Dadurch wären Zinsverluste angefallen, die ohne Zweifel mit steuerlicher Wirkung hätten umgelegt werden können.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist zum Teil begründet. In der Verrechnung der Zinseinnahmen mit den gezahlten Versorgungsbeträgen liegt keine verdeckte Gewinnausschüttung. Dagegen stellt die Verrechnung der Gewerbesteuererstattung 1961 mit den gezahlten Versorgungsbeträgen eine verdeckte Gewinnausschüttung dar.
1. Der Steuerpflichtige hat die im Umlageverfahren für das Streitjahr zu erhebenden Beiträge dadurch vermindert, daß er die Zinseinnahmen sowie die Gewerbesteuererstattung 1961 mit den gezahlten Versorgungsbeträgen verrechnet hat. Darin liegt zwar keine Beitragsrückerstattung nach § 6 Abs. 2 KStG, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wohl aber ein Vorgang, der wirtschaftlich einer Beitragsrückerstattung ähnlich ist und für dessen Beurteilung daher die Grundsätze, die das Gesetz für die Beitragsrückerstattungen aufgestellt hat, herangezogen werden können. Der BFH hat das für einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit entschieden, der zur Dekkung des Bedarfs Vorausbeiträge erhob, jedoch in einer Höhe, die den voraussichtlichen Bedarf nicht deckte (BFH-Urteil I 248/61 U vom 13. März 1963, BFH 76, 671, BStBl III 1963, 244). Nach diesem Urteil liegt in dem Verzicht auf Einziehung des angemessenen Beitrags eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn im versicherungstechnischen Geschäft ein Ausgabenüberschuß entsteht. Der Streitfall liegt insofern anders, als der Steuerpflichtige nicht Vorausbeiträge erhebt, sondern Umlagen und Umlagevorschüsse. Die Überlegungen, die dem BFH-Urteil I 248/61 U, a. a. O., zugrunde liegen, treffen aber auch im Streitfall zu. Nach diesem Urteil ist es erkennbar der Wille des Gesetzgebers, daß der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit seinen Aufwand (seine Ausgaben im versicherungstechnischen Geschäft) aus den Versicherungsentgelten (den Einnahmen aus dem versicherungstechnischen Geschäft) decken muß. Die Überschüsse aus dem nicht versicherungstechnischen Geschäft dürften nicht dazu verwendet werden. Soweit dies doch geschieht, gewährt der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit seinen Mitgliedern Versicherungsschutz ohne Gegenleistung. Darin liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Diese rechtlichen Überlegungen, die der BFH aus den Vorschriften über die Beitragsrückerstattung hergeleitet hat, werden durch die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung bestätigt. Die Mitglieder eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit nehmen eine Doppelstellung ein. Sie sind Mitglieder des Vereins und Versicherungsnehmer zugleich (§§ 15, 53 VAG). Vorteile, die der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit seinen Mitgliedern mit Rücksicht auf das Mitgliedschaftsverhältnis gewährt, sind daher verdeckte Gewinnausschüttungen (vgl. BFH-Urteil I 187/64 vom 10. Mai 1967, BFH 88, 518, BStBl III 1967, 498), nicht dagegen Leistungen, die der Verein seinen Mitgliedern gegenüber aufgrund des Versicherungsverhältnisses erbringt. Daraus ergibt sich zwanglos die Unterscheidung zwischen Einnahmen und Ausgaben aus dem nicht versicherungstechnischen Geschäft und Einnahmen und Ausgaben aus dem versicherungstechnischen Geschäft, die den Vorschriften über die Beitragsrückerstattung zugrunde liegt. Das nicht versicherungstechnische Geschäft ist dem Mitgliedschaftsverhältnis, das versicherungstechnische Geschäft dem Versicherungsverhältnis zuzuordnen. Verrechnet nun der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Einnahmen aus dem nicht versicherungstechnischen Geschäft mit Ausgaben aus dem versicherungstechnischen Geschäft und vermindert er damit die zu erhebenden Umlagen, so läßt er auf diese Weise seinen Mitgliedern die Einnahmen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder zustehen, zugute kommen. Das ist nichts anderes als eine verdeckte Gewinnausschüttung.
2. Diese Grundsätze führen aber nicht zu dem Ergebnis, zu dem das FG gelangt ist. Denn die Zinseinnahmen, die dem Steuerpflichtigen aus der Anlage der Umlagevorschüsse zugeflossen sind, gehören zu den Einnahmen aus dem versicherungstechnischen Geschäft. Der BFH hat zwar entschieden, daß Kapitalerträge, die aus den Gegenwerten der Rückstellungen für Beitragsrückerstattung in der Kraftfahrzeugversicherung stammen, nicht unter den Begriff der Betriebseinnahmen im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 2 KStG fallen und daher bei der für die Ermittlung der abzugsfähigen Beitragsrückerstattung vorzunehmenden Überschußrechnung nicht berücksichtigt werden dürfen (BFH-Urteil I 44/60 U vom 6. Dezember 1960, BFH 72, 216, BStBl III 1961, 81). Damit wollte der BFH aber, wie sich aus den Gründen dieses Urteils ergibt, nicht sagen, daß Kapitalerträge niemals zu den Einnahmen aus dem versicherungstechnischen Geschäft zählen können. Denn der BFH hat Abschn. II Nr. 3 des Runderlasses des Reichsministers der Finanzen über die Körperschaftsteuer und Vermögensteuer der Versicherungsunternehmen vom 25. Juli 1936 (RStBl 1936, 825) und Abschn. 44 Abs. 4 KStR 1958 unangetastet gelassen. Aus diesen Verwaltungsvorschriften ergibt sich aber, daß auch Kapitalerträge innerhalb des versicherungstechnischen Geschäfts denkbar sind. Sie müssen nur - das verlangt das BFH-Urteil I 44/60 U, a. a. O. - unmittelbar aus den Beiträgen des betreffenden Wirtschaftsjahrs herrühren. Diese Voraussetzung ist im Streitfall bei den Zinseinnahmen aus den Umlagevorschüssen erfüllt. Die vorübergehende Anlage der Vorschüsse bei Banken ist lediglich durch das kurzfristige Auseinanderfallen der Fälligkeit der Vorschüsse und der Fälligkeit der Versorgungsleistungen bedingt. Die dabei erzielten Zinsen sind eine unmittelbare Folge der gezahlten Vorschüsse, gleichsam deren notwendige Begleiterscheinung, und daher ebenso wie diese als Einnahmen aus dem versicherungstechnischen Geschäft des Streitjahrs anzusehen.
Zum gleichen Ergebnis führt die folgende Überlegung: Die Mitglieder des Steuerpflichtigen sind zwar aufgrund der Satzung verpflichtet, die Umlagevorschüsse zu leisten, und, wie der Steuerpflichtige eingeräumt hat, nicht berechtigt, dafür Zinsen zu fordern. Das schließt aber nicht aus, daß sie - in ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmer, nicht in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Vereins - verlangen können, daß der Verein Zinseinnahmen, die ihm aufgrund der technisch kaum vermeidbaren Zeitspanne zwischen Fälligkeit der Vorschüsse und Fälligkeit der Versicherungsleistungen zufließen, zur Deckung der Versicherungsleistungen mit heranzieht. Denn der wirtschaftliche Wert der Umlagevorschüsse erschöpft sich nicht in ihrem Nominalbetrag, sondern liegt darüber hinaus in der dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehenden Möglichkeit, über die Vorschüsse vorübergehend durch zinsbringende Anlage bei einer Bank zu verfügen. Was aber die Mitglieder des Steuerpflichtigen in ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmer verlangen können, ist keine verdeckte Gewinnausschüttung.
Anders liegt es bei dem Betrag der Gewerbesteuererstattung 1961.
Dem Wesen eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit entspricht es, daß er kein Gewinnstreben hat. Daher darf er seine Umlagen so bemessen, daß sie seine Leistungen im Versicherungsgeschäft decken, aber keinen Gewinn erbringen (BFH-Urteil I 248/61 U, a. a. O.). Diesem Grundsatz entspricht auch die Satzung des Steuerpflichtigen. Im versicherungstechnischen Geschäft des Steuerpflichtigen entsteht daher kein Gewinn und braucht auch kein Gewinn zu entstehen. Die gezahlte Gewerbesteuer kann daher nur das Einkommen des Steuerpflichtigen aus dem nicht versicherungstechnischen Geschäft, einschließlich verdeckter Gewinnausschüttungen, betreffen. Daher gehören auch die Einnahmen aus der Rückerstattung der Gewerbesteuer in den nicht versicherungstechnischen Bereich und dürfen nicht mit den Ausgaben aus dem versicherungstechnischen Geschäft verrechnet werden. Die Gewerbesteuererstattung 1961 stellt - im Gegensatz zur Körperschaftsteuererstattung 1961 - eine steuerpflichtige Betriebseinnahme dar, da andererseits die Gewerbesteuerzahlung eine abzugsfähige Betriebsausgabe war.
Fundstellen
Haufe-Index 68325 |
BStBl II 1969, 12 |
BFHE 1968, 418 |