Leitsatz (amtlich)
Die Verpflichtung, eine Kiesgrube wieder aufzufüllen, die auf einer Nebenabrede im Kiesausbeutevertrag oder auf öffentlichem Recht beruht, ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Betriebsschuld nach § 62 Abs. 1 BewG i. d. F. vor BewG 1965 berücksichtigungsfähig. Sie ist nicht deshalb niedriger zu bewerten, weil die durch sie künftig entstehenden Ausgaben im Ergebnis ganz oder zum Teil dadurch ausgeglichen werden könne, daß im Zusammenhang mit dem Auffüllvorgang u. U. auch Einnahmen (Kippgebühren) anfallen werden.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger ist Inhaber eines Quetschwerks. Das FA hat bei der nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO berichtigten endgültigen Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens des Klägers zum 1. Januar 1960 und bei den Wertfortschreibungen des Einheitswerts des Betriebsvermögens des Klägers zum 1. Januar 1961 und zum 1. Januar 1962 die in den Steuerbilanzen gebildeten Rückstellungen für die Wiederauffüllung ausgebeuteter Kiesgruben nicht als Betriebsschulden zum Abzug zugelassen. Die Einsprüche hatten in diesem Punkt keinen Erfolg.
Auch die Berufung, die das FG nach dem Inkrafttreten der FGO als Klage behandelte und mit den Klagen gegen die Einkommensteuerbescheide 1959, 1960 und 1961 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, blieb erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus: Einkommensteuerlich könne der Kläger Rückstellungen in den Bilanzen nur insoweit bilden, als er nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag bei Anwendung der erforderlichen kaufmännischen Vorsicht annehmen müsse, daß die künftig erzielbaren Kippgebühren, die mit den Auffüllungsvorgängen zusammenhängenden Kosten nicht decken würden. Das Gericht sei auf Grund der Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt, daß eine hinreichende Aussicht auf kostendeckende Kippgebühren jedenfalls dann bestanden hätte, wenn man den völligen oder teilweisen Verzicht auf Kippentgelte, der im Interesse der Kundenwerbung erfolge, außer Betracht lasse. Der Kläger könne auch nicht einwenden, daß er in seinem Betrieb Kippgebühren erst seit 1959 und zwar zunächst durchschnittlich in Höhe von 0,20 DM pro cbm erhoben habe, daß er also mindestens am 1. Januar 1960 noch keine ausreichenden innerbetrieblichen Anhaltspunkte für ein Weiterfließen dieser Einnahmen in kostendeckender Höhe gehabt habe. Denn wenn ein Gewerbebetrieb eines Steuerpflichtigen auf eine neue Tätigkeit ausgedehnt werde, dann müßten bei der Bemessung von Rückstellungen vor allem die Erfahrungen der branchegleichen Betriebe in gleicher Lage berücksichtigt werden. Auch die Klagen betreffend die Einheitswerte des Betriebsvermögens seien unbegründet. Der Grundsatz der Einzelbewertung gelte auch für das Bewertungsrecht. Doch seien auch hier Rechte und Pflichten, Gewinn- und Verlustchancen, die sich aus einem noch nicht erfüllten gegenseitigen Vertrag ergäben, an jedem Bewertungsstichtag als ein einziges Wirtschaftsgut zu erfassen. Das ergebe sich aus der ständigen Rechtsprechung des RFH, wonach gegenseitige Verträge, bei denen sich Rechte und Pflichten ausglichen, außer Ansatz blieben. Sei die Gleichgewichtslage bei gegenseitigen schwebenden Verträgen so verschoben, daß die Pflichten die Rechte überwögen, so sei der saldierte Nachteil nach dem RFH-Urteil III A 10/28 vom 31. Januar 1930 (RStBl 1930, 184) durch einen einzigen Schuldposten auszudrücken. Ein solcher Schuldposten könne in das Betriebsvermögen nicht eingesetzt werden, weil der Kläger schon an den Bewertungsstichtagen mit kostendeckenden Kippgebühren habe rechnen können, wie oben zur Einkommensteuer bereits dargelegt sei.
Mit der Revision hat die Klägerin beantragt, die Rückstellung für die Wiederauffüllungskosten bei der Ermittlung der Einheitswerte des Betriebsvermögens als Schuldposten anzuerkennen.
Es wird Verletzung des § 66 Abs. 4 BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung (BewG) gerügt. Die Revision wird damit begründet, daß das FG gegen den Grundsatz der Einzelbewertung verstoße, indem es Schuldposten und nicht bewertungsfähige Gewinnaussichten miteinander saldiere.
Das FA hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es ist der Auffassung, daß es sich hier nur um die Frage handele, ob ein abzugsfähiger Schuldposten im Sinne des § 62 Abs. 1 BewG vorliege. Das sei zu verneinen, weil für die Abzugsfähigkeit auch das Vorhandensein einer wirtschaftlichen Last erforderlich sei. Diese habe jedoch an den Stichtagen nicht bestanden, weil die etwaigen Auffüllungsverpflichtungen durch die nach den Verhältnissen des Stichtags zu ermittelnden Kippgebühren voll gedeckt gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Das FG hält, wie sich aus seinen Ausführungen zur Höhe der vom Kläger gebildeten Rückstellungen ergibt, die Rückstellungen dem Grunde nach offenbar unter dem Gesichtspunkt drohender Verluste aus schwebenden Verträgen für zulässig. Dieser Begründung hat sich der I. Senat in dem zur Einkommensteuer 1959 bis 1961 des Klägers ergangenen Urteil I R 184/67 vom 16. September 1970 nicht angeschlossen. Er ist vielmehr der Ansicht, daß unabhängig davon, ob die vom FG als Ausbeuteverträge bezeichneten Verträge als Kauf- oder Pachtverträge zu qualifizieren seien, die Auffüllungsverpflichtungen die alleinige Grundlage für die Zulässigkeit der Rückstellung bildeten. Dabei geht der I. Senat von den tatsächlichen Feststellungen des FG-Urteils aus, daß der Kläger sich den Eigentümern der Grundstücke, auf denen er auf Grund dieser Verträge Kies abbaute, verpflichtet habe, die entstehenden Gruben wieder aufzufüllen, zu planieren und mit Humus zu bedecken, daß der Kläger hinsichtlich einiger Grundstücke auch kraft öffentlichen Rechts verpflichtet gewesen sei, die Kiesgruben wieder aufzufüllen, und daß er sich bei einigen anderen Grundstücken auf Grund eines Genehmigungsbescheids durch notariell beurkundete Verträge verpflichtet habe, die Gruben Zug um Zug mit der fortschreitenden Ausbeute wieder aufzufüllen. Der I. Senat ist der Meinung, daß diese Auffüllverpflichtungen trotz ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit den Verträgen selbständige Belastungen für den Kläger seien, die die Ausgewogenheit der einzelnen Ausbeuteverträge nicht beeinflussen könnten. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung des I. Senats an. Auch er hält das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung des Klägers an den Stichtagen zur Wiederauffüllung für maßgebend, aber auch für ausreichend, die Rückstellungen bei den Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens auf diese Stichtage dem Grunde nach als Betriebsschuld nach § 62 Abs. 1 BewG zum Abzug zuzulassen. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Frage des Abzugs von Rückstellungen als Betriebsschulden bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens.
2. Bei der Bemessung der Höhe der Rückstellungen ist das FG davon ausgegangen, daß die Rückstellungen nur in der Höhe angesetzt werden könnten, in der die Auffüllkosten nicht durch den künftig erzielbaren Betrag an Kippgebühren gedeckt seien. Der I. Senat ist auch dieser Auffassung nicht gefolgt. Er ist vielmehr der Ansicht, daß als Rückstellung der Betrag anzusetzen sei, den der Kläger nach den Verhältnissen an den Bilanzstichtagen aufwenden müßte, um den im laufenden Wirtschaftsjahr ausgebaggerten Teil der Gruben wieder aufzufüllen. Diese künftigen Ausgaben würden nicht deshalb niedriger, weil der Kläger aus der Erlaubnis an Dritte, Schutt abzuladen, Einnahmen erziele. Denn diese Einnahmen ständen zwar insoweit im Zusammenhang mit der Wiederauffüllungsverpflichtung, als die Verpflichtung des Klägers in dem Umfange erlösche, in dem Schutt in die Gruben aufgefüllt werde. Sie bewirkten jedoch nicht, daß dem Kläger niedrigere oder gar keine Ausgaben entständen.
Der erkennende Senat schließt sich auch dieser Auffassung des I. Senats an. Die Höhe der an den einzelnen Stichtagen bestehenden rechtlichen Verpflichtung zur Wiederauffüllung kann sich nur nach den Kosten richten, die dem Kläger durch die Wiederauffüllung entstehen. Die Einnahmen aus den Kippgebühren müssen dabei außer Betracht bleiben. Sie können auch nicht, wie das FA meint, unter dem Gesichtspunkt berücksichtigt werden, daß durch sie die wirtschaftliche Belastung des Klägers mit der Wiederauffüllungsverpflichtung geringer wird oder ganz wegfällt.
Der Senat hat allerdings den Abzug einer Verbindlichkeit trotz Bestehens einer rechtlichen Verpflichtung dann abgelehnt, wenn die Verpflichtung den Steuerpflichtigen am Stichtag wirtschaftlich nicht belastete. Diese Rechtsprechung bezieht sich aber auf solche Fälle, in denen trotz der formell bestehenden rechtlichen Verpflichtung mit der Geltendmachung der entsprechenden Forderung durch den Gläubiger ernstlich nicht zu rechnen war. Das ist jedoch eine ganz andere Rechtsfrage, als die, ob ein Steuerpflichtiger eine Verpflichtung aus zu erwartenden Einnahmen decken kann. Bewertungsrechtlich könnten sich solche Einnahmen nur dann auswirken, wenn der Steuerpflichtige am Stichtag bereits eine Forderung auf ihre Zahlung hätte. Das ist aber bei den Kippgebühren, die jeweils erst beim Abladen des Schutts entstehen, nicht der Fall. Die bloße Aussicht, Einnahmen zu erzielen, ist auch im BewG nicht als Besitzposten anzusetzen. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war sie aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat folgt der Auffassung des I. Senats, daß die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, um die Höhe der Rückstellungen zu bestimmen. Die Sache wird deshalb an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), damit das FG dazu noch die notwendigen Feststellungen treffen kann. Das FG wird vor allem noch die dem Kläger durch die Wiederauffüllungen entstehenden Kosten festzustellen haben. Das FG wird schließlich auch noch zu prüfen haben, in welcher Höhe hinsichtlich der Grube auf dem Grundstück A an den einzelnen Stichtagen eine Wiederauffüllungsverpflichtung bestand. Das FG wird die Rückstellung an den einzelnen Stichtagen in dieser festgestellten Höhe als Betriebsschuld zum Abzug zulassen müssen. Die Frage der Nachholung unterbliebener Rückstellungen ist im Bewertungsrecht nicht entscheidungserheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 69297 |
BStBl II 1971, 82 |
BFHE 1971, 465 |