Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Grunderwerbsteuerbefreiung für einen Grundstückserwerb im ,,freien" Umlegungsverfahren
Leitsatz (NV)
1. § 79 Abs. 1 BBauG befreite weder vor noch nach dem 1. Januar 1983 (Inkrafttreten des GrEStG 1983) Geschäfte und Verhandlungen zur Vermeidung der Umlegung von der Grunderwerbsteuer.
2. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG 1983 betrifft nur den Eigentumsübergang im förmlichen Umlegungsverfahren und ist auf einen privatrechtlichen Grundstückserwerb nicht (analog) anwendbar.
Normenkette
BBauG § 79 Abs. 1; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gemeinde, schloß am 14. September 1983 mit den Eigentümern eines Grundstückes einen notariell beurkundeten ,,Umlegungsvertrag".
In der Präambel des Vertrages heißt es, durch Beschluß vom 13. Oktober 1980 des Gemeindevorstandes als Umlegungsstelle sei gemäß § 47 des Bundesbaugesetzes (BBauG) für das Baugebiet I eine Baulandumlegung gemäß den Bestimmungen des BBauG in der derzeit gültigen Fassung eingeleitet worden. Im Bereich dieses Umlegungsgebietes liege das den betreffenden Grundstückseigentümern gehörende Grundstück. Zur Erreichung der Ziele des Bebauungsplanes sei es gemäß § 59 Abs. 4 Nr. 1 BBauG erforderlich, daß die Grundstückseigentümer vorab mit Geld abgefunden würden. Sie seien gemäß § 76 BBauG damit einverstanden, daß die Eigentums- und Besitzverhältnisse entsprechend dem Beschluß des Gemeindevorstandes als Umlegungsstelle bereits vor Aufstellung des Umlegungsplanes in nachstehendem Umlegungsvertrag geregelt werden.
Nach § 1 des Vertrages übertrugen die Grundstückseigentümer ,,gemäß § 76 BBauG" das betreffende Grundstück auf die Klägerin. Die Klägerin nahm die Übertragung an. Der ,,Kaufpreis" betrug . . . DM (§ 2 des Vertrages). Unter § 9 des Vertrages wurde die Auflassung des Grundstückes erklärt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte Grunderwerbsteuer fest.
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, ,,Erwerbsvorgänge in freiwilligen Umlegungsverfahren (seien) direkt nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BBauG steuerbefreit . . .".
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Die in dem Umlegungsvertrag beurkundete Auflassung unterliege gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 der Grunderwerbsteuer. Die Steuerbefreiung des § 79 Abs. 1 BBauG gelte gemäß Satz 2 dieser Vorschrift nicht für die Grunderwerbsteuer.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiter ihr Klageziel.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Umlegungsvertrag vom 14. September 1983 unterliegt der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Nach dem Inhalt des Vertrages haben die Vertragspartner nicht - wie das FG offenbar annimmt - nur die Auflassung des Grundstückes vereinbart, sondern auch einen schuldrechtlichen Anspruch der Klägerin auf Eigentumsübertragung begründet und auch begründen wollen. Denn wenn dieses Verpflichtungsgeschäft nach dem Willen der Vertragspartner durch einen Beschluß der Umlegungsstelle gemäß § 76 BBauG hätte ersetzt werden sollen, dann wäre keine Auflassung notwendig gewesen. Der Beschluß hätte als teilweise vorweggenommene Umlegung rechtsgestaltende Wirkung gehabt, so daß gemäß § 76 i. V. m. § 74 BBauG das Grundbuch ohne Auflassung zu berichtigen gewesen wäre (vgl. dazu Brügelmann, Kommentar zum Bundesbaugesetz, § 76 Anm. 5 c und e). Dementsprechend ist auch in § 2 des Umlegungsvertrages das Entgelt als ,,Kaufpreis" bezeichnet, und die Klägerin begehrt Steuerbefreiung mit der Begründung, Erwerbsvorgänge im freiwilligen Umlegungsverfahren seien nach § 79 Abs. 1 BBauG steuerfrei.
1. Steuerbefreiung nach § 79 Abs. 1 BBauG kann die Klägerin nicht in Anspruch nehmen.
a) Von dieser vorgenannten Steuerbefreiung ,,bleiben" nach dem Wortlaut des Gesetzes u. a. ,,unberührt" die Regelungen hinsichtlich der auf landesrechtlichen Vorschriften beruhenden Abgaben sowie hinsichtlich der Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis. Der Gesetzgeber des BBauG schloß damit ausdrücklich die Anwendung des § 79 Abs. 1 auf solche Steuern aus, die im Zeitpunkt des Erlasses des BBauG nicht seiner Gesetzgebungskompetenz unterlagen und über welche er damit nicht bestimmen konnte.
Zu diesen Steuern, für welche der § 79 Abs. 1 Satz 1 BBauG nicht galt, gehörte auch die Grunderwerbsteuer. Denn sie wurde bei Erlaß des BBauG (am 23. Juni 1960, BGBl I 1960, 341) aufgrund landesrechtlicher Vorschriften erhoben und war eine Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis i. S. des Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 des Grundgesetzes (GG) in der bis zum 31. Dezember 1969 geltenden Fassung.
b) An dieser Rechtslage hat sich weder durch das Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359) noch durch das GrEStG 1983 etwas geändert.
aa) Durch Art. I Nr. 3 des Finanzreformgesetzes wurde zwar Art. 105 GG geändert und damit die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erweitert; diese galt jetzt gemäß § 105 Abs. 2 GG u. a. auch für den Fall, daß die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorlagen. Trotzdem beruhte aber die Grunderwerbsteuer weiterhin i. S. des § 79 Abs. 1 Satz 2 BBauG auf landesrechtlichen Vorschriften, nämlich auf den Grunderwerbsteuergesetzen der Länder.
bb) Mit dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 ab 1. Januar 1983 beruhte zwar die Grunderwerbsteuer nicht mehr auf landesrechtlichen, sondern auf bundesrechtlichen Vorschriften. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist aber § 79 Abs. 1 BBauG nunmehr nicht - gleichsam automatisch - auf die Grunderwerbsteuer anwendbar. Galt diese Vorschrift - als sie vom Gesetzgeber geschaffen wurde - nach dem eindeutigen im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers nicht für die Grunderwerbsteuer, so kann sie allenfalls dann auf diese Steuer ausgedehnt werden, wenn eine entsprechende Willensäußerung des Gesetzgebers sichtbar geworden ist. Irgendwelche in einem Gesetzestext erkennbare Äußerung einer solchen Willensänderung gibt es jedoch nicht.
Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 spricht vielmehr gegen eine solche Willensänderung. Hätte die umfassende Regelung des § 79 Abs. 1 Satz 1 BBauG jetzt auch für die Grunderwerbsteuer gelten sollen, dann wäre es unverständlich, weshalb die Steuerbefreiung im GrEStG 1983 für ein Teilgebiet, nämlich den Eigentumsübergang im förmlichen Umlegungsverfahren, nochmals geregelt wurde und diese Teilregelung überdies noch eine weitere Einschränkung enthält: Der neue Eigentümer muß in diesem Umlegungsverfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter sein. Dabei kann hier offenbleiben, ob § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 den Kreis der ,,Erwerbsvorgänge" einschränkt oder nur eine Steuerbefreiung enthält, die nach dem System des GrEStG 1983 nicht in § 1, sondern in den §§ 3 ff. dieses Gesetzes hätte geregelt werden müssen.
Daß der Gesetzgeber nach dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 keine außerhalb dieses Gesetzes geregelten bundesrechtlichen Grunderwerbsteuerbefreiungen zur Förderung von Grundstücksneuordnungen beibehalten wollte, zeigen auch die Nrn. 2 und 5 des § 24 Abs. 1 GrEStG 1983. Durch diese Vorschriften wurden § 108 Abs. 3 zweiter Halbsatz des Flurbereinigungsgesetzes und § 77 des Städtebauförderungsgesetzes aufgehoben. Weiterhin geltende Steuervergünstigungen für Erwerbe im Flurbereinigungsverfahren wurden in den Buchst. a des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 übernommen, wie das gleichermaßen mit den fortgeltenden Steuervergünstigungen für die Umlegung durch die Übernahme in den Buchst. b des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG 1983 geschehen ist.
Selbst die Entwicklungsgeschichte des GrEStG 1983 gibt keinen Hinweis auf eine vom Gesetzgeber gewollte Ausdehnung des § 79 Abs. 1 BBauG auf die Grunderwerbsteuer. (Dabei läßt der Senat offen, ob ein solcher intern gebliebener Wille für die Entscheidung des Falles erheblich wäre.) Nach der Begründung des Entwurfs des Bundesrates zum GrEStG 1983 sollten mit Ausnahme eines begrenzten Kreises von Steuerbegünstigungen in Zukunft zahlreiche Steuerbefreiungen entfallen, u. a. ,,für Maßnahmen nach dem Bundesbaugesetz und dem Städtebauförderungsgesetz" (BTDrucks 9/251, S. 16 unter A VII Nr. 3). Der Finanzausschuß des Bundestages war dafür, daß ,,bestimmte Vorgänge im Rahmen von . . . Umlegungsverfahren nach dem Bundesbaugesetz ausdrücklich ausgenommen werden". Es handele sich hier ,,um Vorgänge außerhalb des freien Marktgeschehens". Diese seien daher nicht besteuerungswürdig (BTDrucks 9/2114, S. 5 und 6 unter I 6 und II zu § 1). Die Steuerbefreiung sollte also nach dem Vorschlag des Finanzausschusses auf Vorgänge in dem vorgenannten förmlichen Verfahren beschränkt sein. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 entspricht dem Vorschlag des Finanzausschusses (BTDrucks 9/2104).
Unter diesen Umständen braucht der Senat nicht zu prüfen, wie jetzt der Begriff der Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis zu verstehen ist, den Art. 105 GG seit dem 1. Januar 1970 im Gegensatz zu § 79 Abs. 1 Satz 2 BBauG nicht mehr verwendet.
2. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983, wonach bestimmte Arten des Eigentumsüberganges an Grundstücken nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen, ist auf den hier abgeschlossenen Kaufvertrag vom 14. September 1983 nicht anwendbar. Die Vorschrift betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut und - wie oben unter II. 1. b), bb) ausgeführt - auch nach dem Willen des Gesetzgebers nur den Eigentumsübergang im (förmlichen) Umlegungsverfahren nach dem BBauG. Auf einen Kaufvertrag zur Vermeidung einer Umlegung ist sie nicht (analog) anwendbar.
Fehler in der Berechnung der festgesetzten Steuer sind nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.
Fundstellen
Haufe-Index 414893 |
BFH/NV 1988, 392 |