Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für GrESt aufgrund §§ 705 ff. i. V. m.§§421, 427 BGB
Leitsatz (NV)
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können die Gesellschafter einer GbR unter den Voraussetzungen der §§ 705, 714, 718 i. V. m. §§ 421, 427 BGB für die Steuerschulden der GbR in Haftung genommen werden (vgl. z. B. Urteil in BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156). Unerläßliches Erfordernis für die Verwirklichung des zivilrechtlichen Haftungstatbestandes nach den genannten Bestimmungen ist, daß der potentielle Haftungsschuldner (im Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit) im zivilrechtlichen Sinne Gesellschafter der GbR war. Dabei kommt es für das Außenverhältnis, wozu auch die hier in Rede stehende Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern gehört, allein auf die formale Stellung des potentiell Haftenden als Gesellschafter an.
Normenkette
AO 1977 § 191 Abs. 1, 4; BGB § 705 ff., §§ 421, 427
Tatbestand
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte seit dem Jahr 1980 mehrere Immobilien ihres Kreditnehmers M mit erheblichen Krediten finanziert. Anfang 1982 traten bei M finanzielle Engpässe auf, die nach Ansicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin die ordnungsgemäße Verwaltung und Verwertung der Grundstücke gefährdeten.
Am 21. Juli 1982 machte M der Rechtsvorgängerin der Klägerin oder einem von dieser noch zu benennenden Dritten das Angebot zum Abschluß eines Grundstückskaufvertrages, nachdem der in X gelegene Grundbesitz veräußert werden sollte. An dieses Angebot hielt sich M bis zum 31. Dezember 1983 unwiderruflich gebunden.
Durch notariellen Vertrag vom 27. Oktober 1982 wurde eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet, die den genannten Grundbesitz erwerben sollte. An der GbR waren M zu 95 v. H. und die A-GmbH zu 5 v. H. beteiligt.
Durch notarielle Urkunde vom 28. Oktober 1982 wurde die am Tag zuvor gegründete GbR durch eine Vertreterin ohne Vertretungsmacht der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu dem Kaufvertragsangebot vom 21. Juli 1982 als Käuferin benannt. Die GbR nahm das Angebot an. Der Kaufpreis betrug 20 950 000 DM. Der Kaufvertrag wurde am 4. Februar 1983 wirksam.
In der Folgezeit setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen die GbR Grunderwerbsteuer in Höhe von (2 v. H. von 20 950 000 DM =) 419 000 DM fest. Die von der GbR beantragte Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) lehnte das FA ab, weil nach seiner Auffassung durch getroffene Zusatzvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundbesitzes der ursprüngliche Grundstückseigentümer M in der Ausübung seiner Rechte als Gesellschafter der GbR weitestgehend eingeschränkt worden sei.
Nach Erlaß des Steuerbescheides gegen die GbR wurde dem FA eine Reihe von Verträgen und Unterlagen vorgelegt, aus denen sich im wesentlichen folgendes ergab:
(1) Am 27. Oktober 1982 wurde ein notariell beurkundeter Verpfändungsvertrag geschlossen, durch den M seinen am selben Tag zuvor erworbenen Anteil an der GbR an die Rechtsvorgängerin der Klägerin "zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten" verpfändete.
(2) Nach der privatschriftlichen Vereinbarung vom 7. Dezember 1982 zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin, dem Bankhaus W, M und der GbR, vertreten durch deren Geschäftsführerin A-GmbH, sollte der in fünf Objekte gegliederte Grundbesitz des M (darunter auch das hier in Rede stehende Objekt in X) in das Eigentum von Gesellschaften bürgerlichen Rechts zwischen M und der A- GmbH "nach Maßgabe gesonderter Urkunden" überführt werden.
Zur Sicherung sämtlicher Ansprüche der Rechtsvorgängerin der Klägerin und des Bankhauses W gegenüber den einzelnen Gesellschaften bürgerlichen Rechts, der A- GmbH und M wurden die Ansprüche aus den die einzelnen Objekte betreffenden gegenwärtigen und künftigen Mietverträgen an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten.
Im übrigen sollte die Rechtsvorgängerin der Klägerin berechtigt sein, den Grundbesitz zwangsweise zu verwerten, sobald die Kreditverträge gekündigt würden und die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz von dritter Seite betrieben würde. Ein evtl. Mehrerlös im Falle der Zwangsversteigerung wurde an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten. Im Falle der Veräußerung des Grundbesitzes sollte der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Anspruch auf einen Teil des Betrages eingeräumt sein, um den der Veräußerungserlös ihre rückständigen Forderungen überstieg; dies sollte "zum Ausgleich der Differenz zwischen den Vorzugskonditionen und den marktüblichen Kreditzinsen" dienen. Hierzu sollte sodann der marktübliche Zinssatz gemäß § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) von der Rechtsvorgängerin der Klägerin festgesetzt werden.
(3) Durch eine am 10. Dezember 1982 geschlossene privatschriftliche Zusatzverein barung zum Verpfändungsvertrag wurde festgelegt, daß die Verpfändung insbesondere die M gegen die GbR aus einer Geschäfts führung zustehenden Ansprüche, seine Ansprüche auf die Gewinnanteile und das Auseinandersetzungsguthaben sowie sonstige mit seiner Gesellschafterstellung zusammenhängende gegenwärtige und künftige vermögensrechtliche Ansprüche gegen die GbR umfassen sollte.
Des weiteren wurde M verpflichtet, seine Stimmrechte nur in ganz bestimmter, im einzelnen genau vorgeschriebener Art und Weise auszuüben.
Darüber hinaus wurde die Rechtsvorgängerin der Klägerin berechtigt, Zahlungen aus dieser Verpfändung nach ihrem Ermessen auf Verbindlichkeiten des M zu verrechnen.
(4) Ebenfalls am 10. Dezember 1982 wurde eine privatschriftliche Vereinbarung geschlossen, wonach in Abänderung des Gesellschaftsvertrages betreffend die GbR "zu bestimmten Maßnahmen der Geschäftsführung und zu Änderungen des Gesellschaftsvertrages das Einverständnis eines Beirates erforderlich ist ... "
Der Beirat, dem je ein Vertreter der Rechtsvorgängerin der Klägerin und des Bankhauses W sowie der Geschäftsführer R (A- GmbH) und Rechtsanwalt Dr. C als Vertreter des M angehörten, hatte die Geschäftsführung der GbR laufend zu beraten und zu überwachen. Er konnte im einzelnen aufgezählte Geschäfte der GbR von seiner Zustimmung abhängig machen und faßte seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit.
Das FA sah angesichts der skizzierten vertraglichen Vereinbarungen die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Gesellschafterin der GbR an. Da die GbR die gegen sie festgesetzte Grunderwerbsteuerschuld nicht beglich, erließ das FA am 27. Juni 1984 gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen auf § 427 BGB i. V. m. § 191 Abs. 1 und 4 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Haftungsbescheid über 419 000 DM.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt und hob den angefochtenen Haftungsbescheid auf.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Im Ergebnis zu Recht hat das FG den angefochtenen Haftungsbescheid und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben; denn der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Zu Unrecht meinte das FA, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Gesellschafterin bzw. wegen einer gesellschafterähnlichen Stellung für die Grunderwerbsteuerschuld der zwischen M und der A-GmbH gegründeten GbR betreffend den Grundbesitz in X gemäß § 191 Abs. 1 und 4 der AO 1977 i. V. m. § 427 BGB gehaftet habe.
a) Nach § 191 Abs. 1 AO 1977 kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Dabei kann sich die Haftung sowohl aus den Steuergesetzen als auch aus den zivilrechtlichen Haftungsnormen ergeben (vgl. § 191 Abs. 4 AO 1977). Erwirbt eine GbR ein Grundstück, so ist Steuerschuldnerin in bezug auf die Grunderwerbsteuer die -- als solche steuerrechtsfähige -- GbR, nicht hingegen sind Steuerschuldner deren Gesellschafter (vgl. z. B. die Senatsurteile vom 22. Oktober 1986 II R 118/84, BFHE 148, 331, BStBl II 1987, 183, und vom 11. Februar 1987 II R 103/84, BFHE 149, 12, BStBl II 1987, 325).
Allerdings können die Gesellschafter der GbR unter den Voraussetzungen der §§ 705, 714, 718 i. V. m. §§ 421, 427 BGB nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Steuerschulden der GbR in Haftung genommen werden (grundlegend: BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82, BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156, betreffend Umsatzsteuer; vgl. ferner BFH-Urteile vom 27. Juni 1989 VII R 100/86, BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952, betreffend Umsatzsteuer; vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939, betreffend Umsatzsteuer; vom 6. September 1989 II R 61/86, BFH/NV 1990, 594, betreffend Grunderwerbsteuer; BFH-Beschluß vom 31. Juli 1991 II B 38/91, BFH/NV 1992, 56, betreffend Grunderwerbsteuer; BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 II R 7/91, Der Betrieb -- DB -- 1994, 1172, ebenfalls Grunderwerbsteuer betreffend).
b) Die Voraussetzungen einer Haftung der Rechtsvorgängerin der Klägerin für die hier in Rede stehende Grunderwerbsteuerschuld der GbR lagen indes entgegen der Ansicht des FA schon deswegen nicht vor, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu keiner Zeit Gesellschafterin der GbR geworden war.
aa) Unerläßliches Erfordernis für die Verwirklichung des zivilrechtlichen Haftungstatbestandes nach den §§ 705 ff. BGB i. V. m. §§ 421, 427 BGB ist, daß der potentielle Haftungsschuldner (im Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit) im zivilrechtlichen Sinne Gesellschafter der GbR war. Dabei kommt es für das Außenverhältnis, d. h. für das Verhältnis der GbR bzw. deren Gesellschafter zu Dritten, wozu auch die hier in Rede stehende Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubern gehört, allein auf die formale Stellung des potentiell Haftenden als Gesellschafter an. Unerheblich ist, ob der Gesellschafter im Innenverhältnis in bezug auf seinen Gesellschaftsanteil den Weisungen eines Dritten unterworfen ist. Selbst wenn etwa der Gesellschafter -- was im Streitfall nicht einmal in Betracht kommt -- seinen Anteil an der GbR lediglich als Treuhänder für einen anderen (Treugeber) hält mit der Folge, daß steuerrechtlich der Anteil dem Treugeber als "wirtschaftlichem Eigentümer" zuzurechnen ist, ändert das nichts daran, daß zivilrechtlich allein der Treuhänder Gesellschafter ist (vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 61 III. 3. a, m. w. N.; Ulmer, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 705 Rdnr. 76). Er ist der Träger der Mitgliedschaft. Ihn treffen im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern und zu Dritten die Pflichten eines Gesellschafters. Da der Treuhänder Gesellschafter ist, trifft eine Haftung als Gesellschafter -- sei es im Verhältnis zu Dritten, sei es im Verhältnis zur Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern -- ihn und grundsätzlich nur ihn (K. Schmidt, a.a.O., § 61 III. 3. b; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981, 213 ff., jeweils m. w. N.).
bb) Unter Beachtung dieser Grundsätze schied eine zivilrechtliche Haftung der Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgrund der §§ 705 ff. i. V. m. §§ 421, 427 BGB im Streitfall aus. Es liegt auf der Hand, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Gesellschafterstellung im o. g. zivilrechtlich- formalen Sinne zu keiner Zeit innehatte; weder war sie an der Gründung der GbR als Vertragspartnerin des Gesellschaftsvertrages beteiligt, noch ist sie der GbR zu irgendeinem späteren Zeitpunkt beigetreten, da sie sich zu keiner Zeit (gegenüber der A- GmbH und/oder M) dazu verpflichtete, "die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten" (§ 705 BGB). Als (Darlehens-)Gläubigerin der GbR und deren Gesellschafter verfolgte sie vielmehr ausschließlich eigene Zwecke. Alle von ihr getroffenen Maßnahmen und abgeschlossenen Rechtsgeschäfte (Begründung von Grundpfandrechten, Verpfändung der Gesellschaftsanteile, Installierung eines Beirats als Kontrollorgan in der GbR, Abtretung der Mietzinsansprüche usw.) dienten allein der Sicherung ihrer Gläubigerrechte und vermochten daher -- auch alle zusammengenommen -- ihre Gesellschafterstellung im zivilrechtlichen Sinne augenscheinlich nicht zu begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 420128 |
BFH/NV 1995, 186 |