Leitsatz (amtlich)
1. Die in einem Unternehmen der Schallplattenindustrie hergestellten Tonträger sind als immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mangels eines entgeltlichen Erwerbs nicht zu aktivieren.
2. Zahlt ein Schallplattenhersteller an ausübende Künstler eine einheitliche Vergütung, durch die neben der Darbietung (Mitwirkung bei der Darbietung) zugleich die Einwilligung der Künstler zur Aufnahme der Darbietung auf einen Tonträger sowie die Einwilligung zur Vervielfältigung des Tonträgers abgegolten wird, so ist (wegen Fehlens einer selbständigen Bewertungsfähigkeit) kein Teilbetrag dieser Vergütung als Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut "erworbene Leistungsschutzrechte" zu bilanzieren.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 2; AktG § 153 Abs. 3; UrhG §§ 73-77, 85-86
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) stellt unter Mitwirkung von Künstlern elektronische Aufzeichnungen von Musikdarbietungen auf Tonträgern her. Die im Tonträger gespeicherten akustischen Signale sind das Ausgangsmaterial für die Herstellung von Schallplatten und Musikkassetten (Vervielfältigungsstücke). Die Tonträger verbleiben zur gleichzeitigen oder späteren (erstmaligen oder wiederholten) Vervielfältigung im Archiv der Klägerin.
Im Zusammenhang mit der Herstellung von Tonträgern hatte die Klägerin 1970 (Streitjahr) an ausübende Künstler (Solisten, Dirigenten, Instrumentalarrangeure, Orchestermitglieder, Chormitglieder usw.) für die Mitwirkung bei den Aufnahmen und für die Überlassung der Rechte aus §§ 73 bis 77 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz - UrhG -) vom 9. September 1965 (BGBl I 1965, 1273) mit späteren Änderungen insgesamt ... DM an nicht umsatzabhängigen Vergütungen und Auslagenersatz - im folgenden zusammenfassend: Vergütungen - ausgezahlt. Abweichend von der bis dahin geübten bilanzmäßigen Behandlung hatte die Klägerin im Streitjahr (1970) die gesamten Aufnahmekosten (anteilige Gemeinkosten, zurechenbarer umsatzunabhängiger Personalaufwand; zurechenbarer Sachaufwand) den Herstellungskosten der Schallplatten zugerechnet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte bei der Körperschaftsteuerveranlagung für das Streitjahr ein Drittel der gesamten Aufnahmekosten dem von der Klägerin erklärten Gewinn hinzugerechnet. Den Warenbestand hatte das FA unverändert gelassen.
Der Einspruch der Klägerin, mit dem sich diese gegen die Teilaktivierung der Aufnahmekosten wandte, hatte z. T. Erfolg. Entsprechend den Feststellungen im Rahmen einer Betriebsprüfung und den Vorschlägen des Prüfers hatte das FA bei der Steuerfestsetzung in der Einspruchsentscheidung ein zu versteuerndes Mehreinkommen von ... DM (Aktivierung eines Drittels der an die ausübenden Künstler gezahlten Vergütungen bei entsprechender Kürzung des Warenbestandes: ... DM) zugrunde gelegt.
Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage für begründet und setzte unter Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung und unter Auflösung der Gewerbesteuerrückstellung um ... DM die Körperschaftsteuer und die Ergänzungsabgabe 1970 anderweitig fest. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 172 (EFG 1976, 172) veröffentlicht.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 73 ff., 85 UrhG, § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und eine unrichtige Steuerberechnung durch das FG. Es meint, ein der geschätzten Nutzungsdauer angemessener Teil der Vergütungen (ein Drittel) sei als immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie wendet sich gegen die Aktivierung eines Drittels der an die ausübenden Künstler gezahlten nicht umsatzabhängigen Vergütungen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Befugnisse aus den Leistungsschutzrechten i. S. der §§ 73 bis 77 UrhG nicht als selbständiges Wirtschaftsgut "erworbene Leistungsschutzrechte" gewertet und deshalb zutreffend auch eine Aktivierung dieser Rechte verneint.
I.
Bei seiner Entscheidung war der Senat an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, die das FG in dem angefochtenen Urteil getroffen hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FA hat insoweit keine Verfahrensrüge erhoben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO; vgl. u. a. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185 BStBl II 1975, 489; BFH-Beschluß vom 24, Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694).
Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die ergangene Entscheidung.
II.
Die Vergütungen waren von der Klägerin nicht als Anschaffungskosten für "erworbene Leistungsschutzrechte" der ausübenden Künstler (§§ 73, 75, 76 Abs. 2, 77 UrhG) zu aktivieren (§ 6 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -, §§ 5, 6 EStG, § 153 Abs. 3 des Aktiengesetzes - AktG -).
1. Die im Unternehmen der Klägerin hergestellten Tonträger sind - wovon das FG und die Beteiligten zu Recht ausgehen - immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Mangels eines entgeltlichen Erwerbs sind sie nicht zu aktivieren (§ 5 Abs. 2 EStG; vgl. auch § 153 Abs. 3 AktG).
Das ausschließliche Recht, die hergestellten Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten, steht der Klägerin als Herstellerin zu (§ 85 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UrhG). §§ 85, 86 UrhG gewähren dem Hersteller ein eigenes Leistungsschutzrecht vermögensrechtlicher Natur mit abschließend aufgeführten, absolut ausgestalteten Berechtigungen (§ 85 UrhG) und mit ebenfalls abschließend aufgezählten obligatorischen Beteiligungsansprüchen (§ 86 UrhG; so v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, 1968, § 85 Rd.Ziff. 1). In dieser Weise werden die besonderen Leistungen des Tonträgerherstellers, nämlich seine technischen Leistungen, seine wirtschaftlichen Aufwendungen und die Risikoübernahme bei der Herstellung, der Vervielfältigung und der Verbreitung des Tonträgers geschützt. ?Die gesetzliche Ausgestaltung dieser (Hersteller-)Leistungsschutzrechte läßt für deren Erweiterung keinen Raum. Diese Schutzrechte umfassen daher auch nicht - wie das FG rechtsirrtümlich meint - die Befugnisse aus §§ 73 bis 77 UrhG der ausübenden Künstler. Die Leistungsschutzrechte des Herstellers (§§ 85, 86 UrhG) entstehen vielmehr mit der Herstellung des Tonträgers unabhängig von den Leistungsschutzrechten der ausübenden Künstler. Gegenstand des Leistungsschutzrechtes des Tonträgerherstellers ist nicht der Tonträger als stoffliches Erzeugnis, sondern als Träger der Darbietungen der Künstler sowie die entstandenen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte (ähnlich für die Herstellung und Überlassung sendefertiger Filme BFH-Urteil vom 19. Februar 1976 V R 92/74, BFHE 118, 255 [260], BStBl II 1976, 515). Das gilt auch für die steuerrechtliche Würdigung.
2. Die der Klägerin eingeräumten Befugnisse zur Aufnahme der Darbietungen auf Tonträger und zu deren Vervielfältigung sind zivilrechtlich als die aus dem gesamten Leistungsschutzrecht des ausübenden Künstlers zugunsten der Klägerin abgespaltenen Befugnisse anzusehen, insoweit die Einwilligungsrechte des ausübenden Künstlers aus §§ 75 bis 77 UrhG wahrzunehmen und auszuüben. Der Kern des (Gesamt-)Leistungsschutzrechts verbleibt jedoch unabhängig davon dem ausübenden Künstler (vgl. § 78 2. Halbsatz UrhG). Die Einräumung dieser Befugnisse an die Klägerin kann nicht, wie die Klägerin meint, als Rechtsverzicht der Künstler gewertet werden; eine solche Auffassung findet im Gesetz keine Stütze.
a) Die §§ 73 bis 84 UrhG enthalten zugunsten der ausübenden Künstler besondere Rechte, die nicht wie das Urheberrecht selbst (§ 11 UrhG) eine schöpferische Leistung als solche, sondern Leistungen anderer Art schützen. Diese Leistungen sind der schöpferischen Leistung des Urhebers entweder ähnlich oder werden im Zusammenhang mit dem Werk des Urhebers erbracht. Schutzgegenstand ist deshalb nicht das Werk des Urhebers als solches; geschützt werden vielmehr die Art und Weise der individuellen, künstlerischen Darbietungen eines Werkes (z. B. durch Sänger, Musiker, Schauspieler, Tänzer) oder die Art und Weise der künstlerischen Mitwirkung (z. B. des Dirigenten, des Regisseurs) bei der Wiedergabe (Vortrag, Aufführung) eines Werkes (§§ 73, 2 UrhG). Der Wert eines Werkes, sein Anklang beim Publikum und damit die Chance seiner Verbreitung hängen in der Regel entscheidend davon ab, wer es wie vorträgt (aufführt). Nicht selten lassen z. B. beliebte Gesangs- oder Instrumentalgruppen, berühmte Dirigenten, hervorragende Schauspieler usw. wegen ihrer künstlerischen Aufführungsleistung den Urheber des Werkes in den Hintergrund treten. Es kann jedoch nicht außer Betracht bleiben, daß sich die Aufnahme von Darbietungen auf Tonträger (§ 75 UrhG) regelmäßig auf eine einmalige, von Zeit, Raum, technischer Ausstattung und den Fähigkeiten der mitwirkenden Künstler abhängige Aufführung der einzelnen Partien oder des Gesamtwerkes beschränkt. Erst mit der Festlegung dieser Darbietungen auf einen Tonträger (Aufnahme) werden die Darbietungen von der Bindung an die persönliche Mitwirkung der Künstler und von dem ursprünglichen Aufnahmevorgang gelöst; erst mit Hilfe der hergestellten Tonträger werden Wiederholungen der Darbietungen zu beliebiger Zeit und an beliebigen Orten möglich, desgleichen die der Zahl nach sehr erheblichen Vervielfältigungen der Tonträger.
b) Der dem ausübenden Künstler überwiegend für den persönlichkeitsrechtlichen Bereich gesetzlich eingeräumte Schutz unterscheidet zwischen der unmittelbaren Verwertung der Darbietung des Künstlers (auch: Erstverwertung) durch unmittelbare Bildschirm- oder Lautsprecherübertragung, durch Aufnahme auf Bild- und Tonträger oder durch Funksendung (§§ 74, 75, 76 Abs. 1 UrhG) und der mittelbaren Verwertung (auch: Zweitverwertung) durch Benutzung der Film-, Schallplatten- oder Kassettenaufnahmen zu Funk- und Fernsehsendungen oder zu öffentlicher Wiedergabe (§§ 76 Abs. 2, 77 UrhG). Nur in den Fällen der unmittelbaren Verwendung der Darbietung ist der Schutz der ausübenden Künstler als absoluter Schutz ausgestaltet (§§ 74, 75, 76 Abs. 1 UrhG): In diesen Fällen hat der ausübende Künstler, ähnlich wie der Urheber des Werkes selbst (§§ 11, 12 UrhG), das ausschließliche (absolute) Recht, jede Verwertung seiner Darbietung zu verbieten, die ohne seine Einwilligung (§ 75 UrhG) vorgenommen wird. Demgegenüber löst die mittelbare Verwertung, d. h. die öffentliche Wiedergabe der auf Tonträger aufgenommenen oder über Funk gesendeten Darbietungen (§§ 76 Abs. 2, 77 UrhG) nur einen rein schuldrechtlichen Vergütungsanspruch des ausübenden Künstlers aus.
c) Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung steht den ausübenden Künstlern - unabhängig von irgendwelchen vertraglichen Verpflichtungen - ein einheitliches "Leistungsschutzrecht" zu, das überwiegend auf persönlichkeitsrechtlicher Grundlage deren verwertungsrechtliche (§§ 74 bis 77 UrhG) und persönlichkeitsrechtliche (§ 83 UrhG) Belange im Zusammenhang mit ihren Darbietungen schützen soll (ähnlich v. Gamm, a. a. O., Einführung Rd.Ziff. 36). Dabei folgt der Senat der Auffassung des FA, daß in § 75 UrhG zwei voneinander unabhängige, verschiedene Rechte der ausübenden Künstler geregelt sind, nämlich in Satz 1 die Einwilligung in die Aufnahme, in Satz 2 die Einwilligung in die Vervielfältigung der Tonträger. Der Gehalt dieser rechtlichen Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts wird verdeutlicht durch die Bestimmungen des § 78 UrhG. Diese Vorschrift läßt nur die Abtretung einzelner Berechtigungen und Ansprüche aus den §§ 74 bis 77 UrhG an Dritte zu, schließt aber eine Abtretung des (Gesamt-)-Leistungsschutzrechts aus. Während die vergütungs-(vermögens-)rechtlichen Ansprüche nach den allgemeinen Regeln abtretbar sind, dürfen u. a. die Befugnisse aus § 75 UrhG als Bestandteil des absolut ausgestalteten Leistungsschutzrechts zwar Dritten zur Wahrnehmung und Ausübung überlassen werden, doch verbleibt dem ausübenden Künstler - was die Beteiligten bisher unberücksichtigt gelassen haben - (daneben) "... stets die Befugnis, die in ..." § 75 UrhG "... Vorgesehene Einwilligung auch selbst zu erteilen" (§ 78 2. Halbsatz UrhG). Das bedeutet sachlich, daß einerseits der Begünstigte die ihm eingeräumten Befugnisse aus dem Leistungsschutzrecht wahrnehmen und ausüben darf, andererseits aber auch der ausübende Künstler - unabhängig von dem Berechtigten und abgesehen von bestehenden schuldrechtlichen Verpflichtungen und den sich aus deren Verletzung evtl. ergebenden Schadenersatzverpflichtungen - in die Aufnahme seiner Darbietungen auf Bild- und Tonträger und in deren Vervielfältigung (§ 75 UrhG) einwilligen kann.
Das gilt auch dann, wenn nicht ein einzelner Künstler das Werk vorträgt oder aufführt, sondern mehrere Künstler oder eine große Zahl von Künstlern an der Darbietung beteiligt sind: Bei Chor-, Orchester- und Bühnenaufführungen genügt in den Fällen des § 75 UrhG neben der Einwilligung der Solisten, des Dirigenten und des Regisseurs die Einwilligung der gewählten Vertreter der mitwirkenden Künstlergruppen (§ 80 Abs. 1 UrhG). Haben die Gruppenvertreter in die Aufnahme auf einen Tonträger und/oder dessen Vervielfältigung eingewilligt, so ist ein etwaiger Widerspruch einzelner Gruppenmitglieder unbeachtlich. Das Leistungsschutzrecht des einzelnen Gruppenmitglieds aus § 75 UrhG ist insoweit eingeschränkt.
d) Die Klägerin meint, § 75 UrhG räume dem ausübenden Künstler ein Einwilligungsrecht als Recht zum Verbot unerlaubt hergestellter Aufnahmen nur gegenüber Nichtvertragspartnern ein; dem vermag der Senat nicht zu folgen. Eine derartige Beschränkung läßt sich aus dem Gesetz nicht entnehmen. Die Erwägungen in dem von der Klägerin auszugsweise wiedergegebenen Referentenentwurf 1954 sind demgegenüber unbeachtlich.
Ebensowenig kann der Klägerin darin gefolgt werden, daß zivilrechtlich der Einwilligung des mitwirkenden Künstlers lediglich die Bedeutung eines Rechtsverzichts zukomme. Diese Auffassung steht im Widerspruch zu der Regelung in § 75 UrhG, die von dem ausübenden Künstler eine positiv-aktive Erklärung hinsichtlich der Aufnahme der Darbietung und der Vervielfältigung des Tonträgers erfordert.
3. Die der Klägerin eingeräumten Befugnisse aus den Leistungsschutzrechten der §§ 73 bis 77 UrhG sind nicht als Wirtschaftsgut "erworbene Leistungsschutzrechte" (mit einem Wert von einem Drittel der Vergütungen) zu aktivieren.
a) Nach § 5 Abs. 1 EStG in der im Streitjahr (1970) geltenden Fassung ist bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Die Neufassung der §§ 5 und 6 EStG durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 16. Mai 1969 (BGBl I 1969, 421, BStBl I 1969, 320) hat klargestellt (vgl. zu den bis dahin bestehenden unterschiedlichen Auffassungen Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 4 EStG, Anm. 16 a), wann Wirtschaftsgüter bilanziert und damit in den Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 EStG einbezogen werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13). Dementsprechend ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu beurteilen, ob ein (bilanzierungsfähiges) Wirtschaftsgut überhaupt vorliegt und welche Wirtschaftsgüter im Rahmen des der steuerlichen Gewinnermittlung dienenden Vermögensvergleichs anzusetzen sind; wie sie im einzelnen zu bewerten sind, bestimmt sich nach § 6 EStG (vgl. BFH-Urteil I R 72/73; Herrmann-Heuer, a. a. O.; Blümlich-Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 5 IV 1 b).
Aus dem in § 5 Abs. 1 EStG verankerten Maßgeblichkeitsgrundsatz (vgl. dazu im einzelnen Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 2) und den §§ 38 und 39 HGB folgt, daß die steuerliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich einzelne Objekte voraussetzt, die als selbständige Bilanzposten in ihrer Gesamtheit das Betriebsvermögen als Ganzes ausmachen. Handelsrechtlich (§ 39 HGB) sind "Vermögensgegenstände" zu bilanzieren, steuerrechtlich (§§ 4, 5, 6 EStG) "Wirtschaftsgüter".
b) Der Begriff "Wirtschaftsgut" wird im Einkommensteuergesetz nicht definiert (Zum Verhältnis des Begriffes Wirtschaftsgut zum Begriff Vermögensgegenstand vgl. BFH-Urteil I R 72/73). Der BFH faßt den Begriff "Wirtschaftsgut" in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil I R 72/73) weit und versteht darunter nicht nur Gegenstände i. S. des bürgerlichen Rechts (Sachen und Rechte), sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten läßt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind.
Nach dieser Rechtsprechung sind das Vorhandensein eines Wirtschaftsguts und dessen Bilanzierung insbesondere davon abhängig, ob ein wirtschaftlicher Wert vorliegt, eine selbständige Bewertung möglich und ein greifbarer, längerfristiger Nutzen gegeben ist.
c) Entsprechend der zivilrechtlichen Wertung der Befugnisse aus §§ 73 bis 77 UrhG (oben 2) sowie gemäß den Rechtsgrundsätzen über das Vorliegen eines Wirtschaftsguts und dessen Bilanzierung (oben a und b) können die Vergütungen nicht als Anschaffungskosten für ein zu bilanzierendes Wirtschaftsgut "erworbene Leistungsschutzrechte" angesehen werden. Entgegen der Auffassung des FA schaffen die einheitlichen Zahlungen der Klägerin an die ausübenden Künstler für - wie das FG festgestellt hat - die Mitwirkung bei Aufnahmen und für die Überlassung der Rechte aus §§ 73 bis 77 UrhG kein besonderes Wirtschaftsgut. Es mangelt insoweit an der selbständigen Bewertungsfähigkeit dieser Befugnisse und deren selbständiger Greifbarkeit.
Zutreffend gehen das FG und die Beteiligten davon aus, daß den Einwilligungen der ausübenden Künstler nach § 75 UrhG für die Klägerin ein gewisser wirtschaftlicher Wert zukommt. Ohne diese Einwilligungen wären die Rechte der Klägerin aus § 85 UrhG wirtschaftlich ohne Bedeutung. Der Klägerin könnte von dem ausübenden Künstler aus eigenem Recht die Vervielfältigung der Tonträger untersagt werden. Dabei kann jedoch nicht übersehen werden, daß die Einwilligung zur Aufnahme der Darbietung in der Regel mit der Herstellung der Tonträger verbraucht ist und als selbständiges Recht nur noch - ohne Rücksicht auf vertragliche Verpflichtungen - in der Person des Künstlers fortbesteht (vgl. § 78 2. Halbsatz UrhG). Sie geht damit - soweit sie nicht dem Künstler verbleibt - unter.
Nach den bindenden Feststellungen des FG (vgl. oben I) erhielten die bei der Herstellung der Tonträger mitwirkenden Künstler "ein einheitliches Entgelt, das neben der Darbietung für die Einwilligung zur Herstellung und Vervielfältigung der Tonträger gezahlt worden ist sowie für die im Zusammenhang damit erfolgte Abtretung der Nutzungsrechte". Mit "Abtretung der Nutzungsrechte" ist nach Auffassung des Senats entsprechend dem auf Seite 2 des FG-Urteils dargestellten unstreitigen Sachverhalt "die Überlassung der Rechte aus §§ 73-77 UrhG" gemeint.
Danach entfallen die einheitlichen Vergütungen jeweils auf die Darbietung als solche, auf die Einwilligung zur Aufnahme der Darbietung auf den Tonträger und schließlich auf die Einwilligung zur Vervielfältigung der Tonträger. Der Vortrag des Künstlers oder dessen Mitwirkung bei der Aufführung eines Werkes ist als künstlerische Leistung von der Klägerin zu honorieren. Die Einwilligung des Künstlers in die Aufnahme seiner Darbietung auf einen Tonträger (§ 75 Satz 1 UrhG) steht in engem unmittelbaren Zusammenhang mit der Darbietung selbst: Der Künstler erbringt in diesen Fällen seine Darbietung gerade und in der Regel ausschließlich zum Zwecke der Aufnahme auf einen Tonträger. Das schließt nach Auffassung des Senats eine abgrenzbare und selbständig meßbare Behandlung dieser Befugnis sowie ihre klare Trennung von der eigentlichen Darbietung aus. Daß Darbietungen ohne Einwilligung der vortragenden oder mitwirkenden Künstler auf einen Tonträger aufgenommen worden sind, hat weder das FA behauptet noch hat das FG entsprechende tatsächliche Feststellungen getroffen. Ebensowenig ist die Einwilligung des Künstlers zur Vervielfältigung des Tonträgers (§ 75 Satz 2 UrhG) einer selbständigen Bewertung fähig. Auch sie steht als regelmäßiger Zweck der Darbietungen des Künstlers mit dessen Vortrag oder dessen Mitwirkung in einem engen, nicht lösbaren Zusammenhang: Die Darbietung und deren Aufnahme auf einen Tonträger würden mangels Einwilligung des Künstlers in die Vervielfältigung des Tonträgers im allgemeinen nicht stattfinden; eine Einwilligung in die Vervielfältigung ohne eine Darbietung oder Mitwirkung des Künstlers und deren Aufnahme auf einen Tonträger wäre inhaltslos. Unter diesen Umständen erscheint es wirtschaftlich sinnvoll und berechtigt, die (Gesamt-)Leistungen eines Künstlers bei der Aufnahme seiner Darbietungen auf einen Tonträger und dessen Vervielfältigung mit einem einheitlichen Entgelt abzufinden. Diese auch zivilrechtlich nicht zu beanstandende, offenbar im Schallplattengeschäft in diesen Fällen übliche Zahlungsweise läßt offen, welche (Teil-)Leistungen des ausübenden Künstlers durch welchen (Teil-)Betrag der Vergütung abgegolten sein soll. Von dem einheitlichen (Gesamt-)Betrag kann auch nicht ein mehr oder weniger willkürlich gegriffener Teil ausgeschieden werden, der ausschließlich auf die Einräumung der Befugnisse aus §§ 73 bis 77 UrhG entfällt. Der Entgeltanteil dafür ist vielmehr unbestimmt und nicht konkretisierbar. Da es sich somit - entgegen der Ansicht des FA - insoweit nicht um einen klar abgrenzbaren, mit einiger Sicherheit errechenbaren Aufwand handelt, die einheitlichen Vergütungen vielmehr mehrere Leistungen der ausübenden Künstler entgelten sollen, fehlt es an einer zuverlässigen Wertbestimmung für ein Wirtschaftsgut "erworbene Leistungsschutzrechte". Unter diesen Umständen kann unerörtert bleiben, ob nicht auch die heute gebräuchliche Aufnahme- und Herstellungstechnik eine solche Behandlung steuerlich geboten erscheinen läßt.
Aus ähnlichen Erwägungen mangelt es auch an der Voraussetzung der Greifbarkeit bei einer (gedachten) Veräußerung, was es ebenfalls ausschließt, die "erworbenen Leistungsschutzrechte" als ein selbständiges Wirtschaftsgut werten zu können. Die Einwilligungen der Künstler i. S. des § 75 Sätze 1 und 2 UrhG fallen, was die Klägerin zutreffend hervorhebt, bei einer (gedachten) Veräußerung des Herstellerbetriebes nicht als werterhöhende Einzelheit (Einzelposten) ins Gewicht. Sie sind als solche nicht Gegenstand eines erheblichen Handelsverkehrs und werden (in größerem Umfang) nicht selbständig gegen Entgelt veräußert. Maßgeblich für einen Erwerber des Herstellerbetriebes und die Bemessung des Veräußerungspreises sind nicht die Einwilligungen der Künstler, sondern die zur Vervielfältigung hergestellten und zu übernehmenden Tonträger. Da nach den Feststellungen des FG die Einwilligungen entsprechend den Gepflogenheiten im Schallplattengeschäft im Zeitpunkt der Aufnahme der Darbietung auf den Tonträger grundsätzlich vorliegen, kann ihnen nach der Aufnahme keine gesonderte Bedeutung und auch kein selbständiger Wert mehr zukommen. Der Aufwand des Veräußerers hierfür ist in dem hergestellten Tonträger (mit) aufgegangen und hat sich aus der Sicht des Erwerbers ebenso wie aus der des Veräußerers in dem (Teil-)-Kaufpreis für den jeweiligen Tonträger niedergeschlagen und ausgewirkt. Für Einwilligungen von Künstlern ohne eine Aufnahme der entsprechenden Darbietung auf einen Tonträger und ohne diesen Tonträger wird ein Erwerber des Betriebes keine besonderen Werte im Rahmen des Gesamtkaufpreises ansetzen: Ihnen kommt in der Tat kein Wert zu. Für sie ist in dem fortbestehenden Unternehmen keine (wirtschaftliche) Verwendung. Der vom FA gebildete Beispielsfall, es liege zwar eine genehmigte Aufnahme auf einem Tonträger vor, es fehle aber die Einwilligung des Künstlers zu dessen Vervielfältigung, ist im Streitfall nicht gegeben. Das FG hat keine entsprechenden tatsächlichen Feststellungen getroffen.
III.
Auch eine Aktivierung der "Aufnahmekosten als unfertige Erzeugnisse", die das FA hilfsweise für geboten hält, scheidet im Streitfall aus. Wesentlich für das Vorliegen von "unfertigen Erzeugnissen" ist, ob sich das Endprodukt in der Weise in seiner Entstehung befindet, daß das bis dahin hergestellte bereits teilweise mit dem Fertigprodukt identisch ist und sich ihm gegenüber lediglich als ein "Weniger" darstellt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Juni 1975 I R 24/73, BFHE 116, 474, BStBl II 1975, 809). Tatsächliche Feststellungen, die für das Vorhandensein von unfertigen Erzeugnissen auf den Bilanzstichtag 31. Dezember 1970 erforderlich wären, hat das FG nicht getroffen.
IV.
Der Streitstand (der Antrag der Klägerin) im Revisionsverfahren verwehrt es dem Senat, zu der Frage der Berechnung der Körperschaftsteuer und der Ergänzungsabgabe 1970 durch das FG und zu der Richtigkeit dieser Berechnung Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 73255 |
BStBl II 1979, 734 |
BFHE 1979, 367 |
GRUR 1980, 49 |