Entscheidungsstichwort (Thema)
Artfortschreibung (Einfamilienhaus - unbebautes Grundstück)
Leitsatz (NV)
Allein der Umstand, daß ein Gebäude nicht bestimmungsgemäß genutzt, sondern dem Verfall preisgegeben wird, reicht für sich nicht aus, die Artfortschreibung unbebautes Grundstück statt Einfamilienhaus zu rechtfertigen. Es muß vielmehr ein konkreter Zustand eingetreten sein, der aus baupolizeilicher Sicht für den Fall der Nutzung die sofortige Räumung wegen des baulichen Zustandes nach sich ziehen würde.
Normenkette
BewG §§ 22, 72 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klin. war am 1. Januar 1976 Eigentümerin des Grundstücks X. Das Grundstück, das zum 1. Januar 1964 als Einfamilienhaus bewertet und dessen Einheitswert (im Mindestwertverfahren) auf . . . DM festgestellt worden war, hat die Klin. von ihrem 1975 verstorbenen Vater geerbt.
Mit Bescheid vom 12. Mai 1977 nahm das FA zum 1. Januar 1976 eine Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung vor. Es rechnete nunmehr das Grundstück der Klin. zu, stellte die Grundstücksart unbebautes Grundstück und den Einheitswert auf . . . DM fest. Das FA stützte die Artfortschreibung nach einer Ortsbesichtigung darauf, daß das aufstehende Gebäude seit Jahren nicht mehr benutzt und dem Verfall preisgegeben worden sei.
Mit der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage begehrt die Klin. die Aufhebung der Art- und Wertfortschreibung. Sie ist der Auffassung, das Grundstück sei wie bisher als Einfamilienhausgrundstück zu bewerten.
Das FG hat eine Auskunft des Bauamts eingeholt, ob das aufstehende Gebäude am 1. Januar 1976 nach baupolizeilichen Maßstäben nicht mehr bewohnt werden durfte. Das Bauamt hat daraufhin am 9. August 1982 mitgeteilt, eine Ortsbesichtigung habe ergeben, daß das Gebäude leerstehe und nicht bewohnt werde (seit etwa 10 Jahren). Fenster und Türen seien mit Holz bzw. Hartfaserplatten vernagelt. Das Gebäude sei in dem derzeitigen Zustand ohne umfangreiche Renovierungsarbeiten zu Wohnzwecken nicht nutzbar. Weiter hat das FG zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung ein Schreiben der Kataster- und Vermessungsverwaltung an das FA vom 30. Juni 1982 gemacht. Darin heißt es, daß das Gebäude unbewohnt sei, und zwar seit Ende der sechziger Jahre. Es könne davon ausgegangen werden, daß ,,die Bausubstanzen wegen der längeren Nichtbewohnung als abgängig zu bezeichnen" seien.
Das FG hat den Einheitswert auf . . . DM herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen. Das FA sowie die beiden anderen Behörden hätten anläßlich von Ortsbesichtigungen festgestellt, daß das Gebäude nicht benutzt werde bzw. daß es ohne umfangreiche Renovierungsarbeiten zu Wohnzwecken nicht nutzbar sei. Unter Benutzbarkeit i. S. des § 72 Abs. 3 BewG sei - wie sich aus § 72 Abs. 1 BewG ergebe - die Benutzbarkeit zu Wohnzwecken zu verstehen. Da der nunmehr schon seit über einem Jahrzehnt anhaltende Zustand der nicht zumutbaren Benutzbarkeit zu Wohnzwecken schon am Bewertungsstichtag seit mehreren Jahren bestanden habe, gelte das Gebäude als nicht mehr benutzbar, weshalb das Grundstück als unbebautes Grundstück zu bewerten sei.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klin. ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt u. a. Verletzung von § 72 Abs. 3 BewG. Während des Revisionsverfahrens hat das FA den angefochtenen Bescheid geändert und dabei die Artfeststellung als unbebautes Grundstück zwar aufrechterhalten, die Wertfortschreibung jedoch aufgehoben. Die Klin. hat den Änderungsbescheid vom 18. April 1983 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und beantragt, die Artfortschreibung aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klin. ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.
Nach § 72 Abs. 3 BewG gilt ein Grundstück als unbebautes Grundstück, auf dem infolge der Zerstörung oder des Verfalls der Gebäude auf die Dauer benutzbarer Raum nicht mehr vorhanden ist. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen seine Entscheidung, daß auf die Dauer benutzbarer Raum am 1. Januar 1976 nicht mehr vorhanden war, nicht. Denn es hat lediglich festgestellt, daß das Gebäude seit Jahren nicht mehr bewohnt war, daß Türen und Fenster verschalt waren und daß umfangreiche Renovierungsarbeiten erforderlich seien. Daraus hat es den Schluß gezogen, das Grundstück gelte als unbebautes Grundstück, weil das Gebäude für nicht mehr benutzbar gehalten worden sei. Eigene Feststellungen darüber, ob das Gebäude seiner Substanz nach wegen Baufälligkeit oder Verwahrlosung auf Dauer unbenutzbar war, hat das FG nicht getroffen. Das wäre aber erforderlich gewesen, denn allein der Umstand, daß ein Gebäude nicht bestimmungsgemäß genutzt, sondern dem Verfall preisgegeben wird, reicht für sich allein nicht aus, die Artfortschreibung zu rechtfertigen. Es muß vielmehr ein konkreter Zustand eingetreten sein, der unter baupolizeilicher Sicht für den Fall der Nutzung die sofortige Räumung wegen des baulichen Zustandes nach sich ziehen würde. Insoweit greift der Senat den Gedanken auf, der in der Entscheidung des III. Senats vom 20. Juni 1975 III R 87/74 (BFHE 116, 397, BStBl II 1975, 803) anklingt, weil nur derart das Ende der Benutzbarkeit ausreichend objektiviert werden kann, wie dies für eine gleichmäßige Einheitsbewertung im Rahmen eines Massenverfahrens zu fordern ist.
Fundstellen
Haufe-Index 414574 |
BFH/NV 1987, 566 |