Leitsatz (amtlich)
Hatte nach dem Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co. KG die Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit darüber zu beschließen, ob und welcher Prozentsatz des Gewinnes (soweit er nicht zur Wiederauffüllung der Einlagen benötigt wird) der Rücklage zugeführt werden soll, so waren die nach Abschluß der Geschäftsjahre von der Gesellschafterversammlung jeweils verfügten Zuweisungen von Gewinnen an die Rücklage keine gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG der Gesellschaftsteuer unterliegenden Leistungen der Kommanditisten.
Normenkette
KVStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist einzige persönlich haftende Gesellschafterin einer KG; diese hat zwei Kommanditistinnen. Nach dem Gesellschaftsvertrag haben "die Gesellschafter alljährlich in der Gesellschafterversammlung, welche im Anschluß an die Übersendung der Jahresbilanz und des Prüfungsberichts stattfindet, mit 3/4-Mehrheit darüber zu beschließen, ob und welcher Prozentsatz des Gewinnes, soweit er nicht zur Wiederauffüllung der Einlagen benötigt wird, der Rücklage zugeführt werden soll... Falls kein Beschluß zustande kommt, entscheidet der Vorsitzende des Verwaltungsrates darüber, ob und welcher Prozentsatz der Rücklage zugewiesen wird."
Das Wirtschaftsjahr der Kommanditgesellschaft endet jeweils zum 30. Juni. Von den erzielten Jahresüberschüssen sind im Jahr 1968 aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom November dieses Jahres ... DM, im Jahr 1969 aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom Oktober 1969 wiederum ... DM, im Jahr 1970 aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom Oktober 1970 ebenfalls ... DM und im Jahr 1971 aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom November dieses Jahres ... DM in Rücklage gestellt worden. Von diesen Beträgen wären bei Ausschüttung als Gewinn auf die Kommanditistinnen 1 237 500 DM entfallen.
Das Finanzamt - FA - (Beklagter und Revisionsbeklagter) hat daraus gegen die Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes i. d. F. v. 24. Juli 1959 (KVStG 1959) Gesellschaftsteuer festgesetzt.
Der Einspruch blieb erfolglos. Die Anfechtungsklage wies das Finanzgericht (FG) ab.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet.
Die Kommanditisten haben keine Leistungen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 KVStG 1959 bewirkt, indem sie - gemeinsam mit der persönlich haftenden Gesellschafterin - durch Gesellschafterbeschlüsse jeweils einen Teil des Gewinnes der Rücklage zuwiesen.
Solche Leistungen liegen nur dann vor, wenn der Gesellschaft Kapital von außen zugeführt wird. Denn das Kapitalverkehrsteuergesetz erfaßt entsprechend seinem Sinn und Zweck nur die Verstärkung des Kapitals der Gesellschaft aus Mitteln der Gesellschaft er, nicht aber die im Rahmen der Gesellschaft erzielten Erträge (Urteil vom 10. Mai 1972 II R 17/68, BFHE 105, 519, BStBl II 1972, 629). Demzufolge setzt die Erhebung der Steuer im vorliegenden Fall zumindest voraus, daß die Kommanditisten die Rücklage aus ihren Mitteln aufgefüllt hatten, d. h. unter (teilweiser) Verwendung ihrer Gewinnauszahlungsansprüche. Das ist jedoch nicht geschehen. Den Kommanditisten standen keine derartigen Ansprüche zu, soweit die Gewinne der Rücklage zugewisen wurden. Gemäß § 169 Abs. 1 HGB hatten sie Anspruch auf Auszahlung des ihnen zukommenden Gewinnes. Bei sinnvoller Auslegung der genannten Vorschrift kann sich eine solche Geldforderung nur auf diejenigen Gewinnteile beziehen, die nach dem Gesellschaftsvertrag auch wirklich zur Auszahlung an den Kommanditisten zur Verfügung stehen, diesem also nicht gegen seinen Willen wieder entzogen werden können.
Nach dem Gesellschaftsvertrag hatten die Gesellschafter im vorliegenden Fall jeweils mit Dreiviertelmehrheit darüber zu beschließen, "ob und welcher Prozentsatz des Gewinnes ... der Rücklage zugeführt werden soll". Diese Gewinnteile, welche dementsprechend jeweils durch Beschluß der Rücklage zugewiesen wurden, minderten die den Kommanditisten zustehenden Ansprüche gemäß § 169 Abs. 1 HGB. Nur die restlichen Beträge standen für die Gewinnverteilung zur Verfügung, und nur die Kürzung dieser Beträge wäre entgegen dem Willen des einzelnen Gesellschafters nicht möglich gewesen.
Das Ergebnis steht im Einklang mit der gesellschaftsteuerrechtlichen Behandlung der von einer GmbH erzielten, aber nicht ausgeschütteten Gewinne. Bei einer GmbH löst eine der Satzung entsprechende Bildung und Erhöhung einer Rücklage keine Gesellschaftsteuer aus, wenn dazu derjenige Teil des Gewinnes verwendet wird, auf dessen Auszahlung die Gesellschafter keinen Anspruch haben; dann liegen keine Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft vor (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 22. Oktober 1942 II 79/41, RFHE 52, 237).
§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KVStG 1959 ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil mit der Auffüllung der Rücklage keine Verpflichtungen der Gesellschafter abgedeckt wurden.
Fundstellen
Haufe-Index 73003 |
BStBl II 1979, 150 |
BFHE 1979, 334 |