Leitsatz (amtlich)
Ist eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung auf den Vorsteuerabzug beschränkt, darf das Finanzamt den nach dieser Prüfung ergehenden Umsatzsteuerbescheid weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen lassen.
Orientierungssatz
Ein Nachprüfungsvorbehalt (§ 164 Abs. 1 AO 1977) muß gemäß § 164 Abs. 3 S. 3 AO 1977 nur dann aufgehoben werden, wenn die Außenprüfung abschließend war (Literatur).
Normenkette
AO 1977 § 164 Abs. 3, § 194 Abs. 1, § 164 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 11.01.1979; Aktenzeichen III 250/78) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war zur Umsatzsteuer 1975 und 1976 veranlagt worden; beide Umsatzsteuerbescheide waren nach § 164 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Da der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) der Auffassung war, daß die Klägerin unverhältnismäßig hohe Vorsteuern erklärt habe, ordnete er eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an. Nach der Prüfungsanordnung "betrifft" die Sonderprüfung den "Vorsteuerabzug" u.a. für die Streitjahre 1975 und 1976. Die Klägerin hat diese Prüfungsanordnung nicht angefochten.
Nach dem Prüfungsbericht betraf der Prüfungsumfang den "Vorsteuerabzug". Die Prüfung ergab hinsichtlich der Vorsteuer keine Abweichungen. Aufgrund einer "Anmerkung" im Prüfungsbericht änderte das FA jedoch die Steuerbescheide geringfügig zugunsten der Klägerin, da dieser noch Umsatzsteuerkürzungen nach dem Berlinförderungsgesetz (BerlinFG) zustanden. Die geänderten Umsatzsteuerbescheide enthielten die Nebenbestimmungen, daß der Vorbehalt der Nachprüfung bestehen bleibe.
Nach erfolglosem Einspruch begehrte die Klägerin mit der Klage die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung. Sie meinte, die Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei eine Außenprüfung i.S. des § 164 Abs.3 Satz 3 AO 1977, so daß der Vorbehalt aufzuheben sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 258 veröffentlichten Urteil ab. Es führte im wesentlichen aus: Eine Außenprüfung i.S. des § 164 Abs.3 Satz 3 AO 1977 sei grundsätzlich eine abschließende Prüfung des Steuerfalles i.S. des § 164 Abs.1 Satz 1 AO 1977. Die im Streitfall vom FA vorgenommene Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei indessen nicht "abschließend" gewesen. Sie habe sich nur auf die Überprüfung des Vorsteuerabzugs beschränkt. Da hier keine unbeschränkte Umsatzsteuer-Sonderprüfung durchgeführt worden sei, sei die Prüfung auch nicht umfassend gewesen, so daß der Vorbehalt der Nachprüfung nach wie vor gerechtfertigt sei. Es sei auch unschädlich, daß der Prüfer außerhalb seines Prüfungsauftrages Feststellungen zugunsten der Steuerpflichtigen getroffen habe. Ob dies auch gelte, wenn die vom Prüfungsauftrag nicht gedeckten Feststellungen sich zum Nachteil der Steuerpflichtigen ausgewirkt hätten, bedürfte keiner Entscheidung.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 164 Abs.3 AO 1977. Sie führt dazu aus, daß eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung eine Außenprüfung i.S. der §§ 193 ff. AO 1977 sei. Auch wenn, was nach § 196 AO 1977 möglich sei, das FA den Prüfungsumfang einschränke, handele es sich um eine abschließende Außenprüfung. Deshalb müsse der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs.3 Satz 3 AO 1977 aufgehoben werden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und den Vorbehalt der Nachprüfung in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Revision deshalb unbegründet ist, weil mit der Klage möglicherweise nur die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts erstrebt wurde und diese deshalb etwa unzulässig war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Oktober 1980 IV R 168-170/79, BFHE 132, 5, BStBl II 1981, 150; siehe aber auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 164 AO 1977 Tz.10 S.66/8).
2. Die Revision ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Vorentscheidung sachlich nicht zu beanstanden ist; das FA brauchte nach der durchgeführten Prüfung den Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufzuheben.
a) Eine Außenprüfung dient der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Sie kann nach § 194 Abs.1 Satz 2 AO 1977 eine oder mehrere Steuerarten, einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfassen oder sich auf bestimmte Sachverhalte beschränken. Demgemäß kann eine Außenprüfung sich lediglich auf die Umsatzsteuer beschränken. Die bezeichnete Vorschrift gestattet es darüber hinaus, die Prüfung der Umsatzsteuer auf bestimmte Sachverhalte zu begrenzen. Es ist deshalb auch zulässig, eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung auf den Vorsteuerabzug zu beschränken, zumal wenn --wie im Streitfall-- unverhältnismäßig hohe Vorsteuern erklärt worden sind. Eine solche Selbstbeschränkung seitens des FA trägt dem Übermaßverbot Rechnung, wonach es insbesondere bei kleinen Unternehmen gerechtfertigt sein kann, nicht jede Einzelheit, sondern nur Schwerpunkte zu überprüfen.
b) Die Prüfung war im Streitfall eindeutig auf den "Vorsteuerabzug" begrenzt; sie wurde nach dem Wortlaut der Prüfungsanordnung angeordnet, um den Vorsteuerabzug auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Daß der Prüfer --zugunsten der Klägerin-- auch einen Sachverhalt ermittelt hat, der nicht den Vorsteuerabzug betrifft, ändert nichts daran, daß die Prüfung sich anordnungsgemäß lediglich auf den Vorsteuerabzug beschränkte. Dies wird nicht zuletzt durch die Abfassung des Prüfungsberichts, der sich lediglich mit dem Vorsteuerabzug befaßte, deutlich; denn der zugunsten der Klägerin festgestellte Sachverhalt wurde nur in einer "Anmerkung" festgehalten.
c) War die Prüfung aber in zulässiger Weise und von der Klägerin nicht beanstandet auf den Vorsteuerabzug beschränkt, brauchte der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben zu werden.
Es entspricht der herrschenden Meinung, daß der Nachprüfungsvorbehalt gemäß § 164 Abs.3 Satz 3 AO 1977 nur dann aufgehoben werden muß, wenn die Außenprüfung "abschließend" war (vgl. v.Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., § 164 AO 1977 Anm.26; Förster in Koch, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 164 Rdnr.38; Tipke/Kruse, a.a.O., § 164 AO 1977 Tz.9). Diese Auffassung trägt dem Zweck des Nachprüfungsvorbehalts Rechnung; der Vorbehalt hat danach nur solange seine Berechtigung, als der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist (§ 164 Abs.1 Satz 1 AO 1977). Ist der Steuerfall indessen --wenn auch nur für einzelne Steuerarten-- abschließend geprüft, bedarf es des Nachprüfungsvorbehalts nicht mehr.
d) Im vorliegenden Fall war die Prüfung der Umsatzsteuer 1975 und 1976 nicht umfassend und abschließend angeordnet und durchgeführt. Es wurde nur ein Teilbereich der Umsatzsteuer --der Vorsteuerabzug-- geprüft. Deshalb war das FA nicht verpflichtet, den Nachprüfungsvorbehalt aufzuheben; es stand in seinem Ermessen, diesen Vorbehalt fortbestehen zu lassen (ebenso v.Wallis, a.a.O., Anm.27; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 164 Anm.6 b; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung, 15.Aufl., § 164 Bem.5a; Tipke/Kruse, a.a.O., § 164 AO 1977 Tz.9; Förster, a.a.O.; Woerner/Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 7.Aufl., S.59; Hildebrandt, Betriebs-Berater, 1980, 1687, 1688).
Ob und inwieweit die Finanzbehörde im Rahmen einer Prüfung der Umsatzsteuer den "Vorsteuerabzug" nochmals prüfen dürfte, steht im vorliegenden Fall nicht zur Entscheidung.
Fundstellen
Haufe-Index 61693 |
BStBl II 1987, 486 |
BFHE 149, 435 |
BFHE 1987, 435 |
BB 1987, 1449 |
BB 1987, 1449-1450 (ST) |
DB 1987, 1720-1721 (ST) |
DStR 1987, 693-694 (ST) |
HFR 1987, 442-443 (ST) |