Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberatervertrag ein Dienstvertrag. Steuerberaterhonorar bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vertrag, durch den einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten allgemein die Wahrnehmung aller steuerlichen Interessen des Auftraggebers übertragen wird, ist regelmäßig ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat.
2. Die „Allgemeine Gebührenordnung für die wirtschaftsprüfenden sowie wirtschaftsberatenden und steuerberatenden Berufe (ALLGO)” § 17 Abs. 1, die bestimmt, daß bei vorzeitiger Beendigung eines Auftrags „ohne berechtigten Grund” der Berufsangehörige ohne Rücksicht auf die von ihm bis zur Lösung des Vertragsverhältnisses tatsächlich erbrachten Dienstleistungen stets Anspruch auf die volle ursprünglich vereinbarte Vergütung hat, widerspricht Treu und Glauben und ist deshalb als Bestandteil allgemeiner Geschäftsbedingungen, die nicht zum Gegenstand individuell gestalteter Verträge gemacht, sondern durch bloße Bezugnahme Vertragsinhalt werden, rechtsunwirksam.
Normenkette
BGB §§ 628, 675, 242; StBGebV § 12; StBerG 1961 § 28; ALLGO § 17 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 24.07.1968) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Stuttgart vom 24. Juli 1968 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte übertrug im Dezember 1965 dem Kläger allgemein die Wahrnehmung seiner steuerlichen Interessen. Der Kläger bestätigte den ihm mündlich erteilten Auftrag mit Schreiben vom 23. Dezember 1965 und verwies darin für die „Auftragsdurchführung und Honorarberechnung” auf seine dem Schreiben beigefügten „Allgemeinen Auftragsbedingungen”, in denen es (Ziffer 8) heißt, soweit nichts Abweichendes vereinbart sei, sollten die Bestimmungen der „Allgemeinen Gebührenordnung für die wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (ALLGO)” gelten. Zu dem Schreiben äußerte sich der Beklagte nicht.
In der Folgezeit erstellte der Kläger für den Beklagten den Jahresabschluß für das Jahr 1965 und fertigte die erforderlichen Steuererklärungen. Für die geleisteten Arbeiten berechnete er im April/Mai 1967 insgesamt 3.849 DM. Dieser Betrag erschien dem Beklagten zu hoch. Er beanstandete ihn mit Schreiben vom 11. Mai 1967 und bat gleichzeitig den Kläger, seine Tätigkeit für ihn, den Beklagten, zu beenden.
Schon vor diesem Zeitpunkt waren sich die Parteien einig geworden, daß der Kläger für das Jahr 1966 die gleichen Arbeiten wie für das Jahr 1965 erledigen sollte. Für diesen „teilweise begonnenen Auftrag” stellte der Kläger nunmehr dem Beklagten insgesamt 2.383 DM in Rechnung. Er berief sich dabei auf § 17 Abs. 1 der ALLGO, der folgenden Wortlaut hat:
„Zieht der Auftraggeber seinen Auftrag ohne berechtigten Grund zurück, so hat der Berufsangehörige Anspruch auf die volle Gebühr.”
Im vorliegenden Verfahren verlangt der Kläger vom Beklagten Zahlung des für den gekündigten Auftrag berechneten vollen Honorars von 2.383 DM. Darauf habe er Anspruch, da seine Abrechnung für das Jahr 1965 in Ordnung gewesen sei, der Beklagte den Vertrag also ohne rechtfertigenden Grund gekündigt habe.
Der Beklagte bestreitet, daß der Kläger bei der Lösung des Vertragsverhältnisses überhaupt schon mit Arbeiten für den Jahresabschluß 1966 begonnen gehabt habe. Eine Bestimmung, die eine Vergütung auch für gar nicht erbrachte Leistungen gewähre, sei sittenwidrig. Mit ihr habe der Beklagte nicht zu rechnen brauchen. Zumindest hätte der Kläger auf diese von den normalen Vertragsgrundsätzen weit abweichende Vorschrift besonders hinweisen müssen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, um deren Zurückweisung der Kläger bittet, verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht behandelt die unstreitige Einigung der Parteien darüber, daß die ALLGO Vertragsinhalt werden sollte, der Art und dem Umfang nach als Vereinbarung allgemeiner Geschäftsbedingungen, die einen Verstoß weder gegen ein Gesetz, noch gegen die guten Sitten noch gegen Treu und Glauben erkennen lasse. Dabei betrachtet das Berufungsgericht den vom Beklagten erteilten Auftrag unter einem doppelten Blickwinkel: Den allgemein auf die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten des Beklagten gerichteten „Rahmenvertrag” bezeichnet es als die dienstvertragliche Seite des Steuerberatungsverhältnisses, während es die einzelnen Weisungen, durch die der allgemeine Auftrag ausgefüllt, konkretisiert werde, als seine werkvertragliche Seite ansieht. § 17 Abs. 1 der ALLGO beziehe sich nur auf diesen werkvertraglichen Bestandteil, stelle also auf bestimmte Tätigkeitsabschnitte ab, für die eine Vergütung berechnet werde. Daß in diesem beschränkten Umfang eine von § 649 Halbsatz 2 BGB abweichende Regelung getroffen werde, an der der Steuerbevollmächtigte als Unternehmer ein beachtliches Interesse habe, stehe nicht in krassem Widerspruch zum Gerechtigkeitsgehalt und den Ordnungswerten des Zivilrechts. Eine solche Klausel sei nicht einmal außergewöhnlich und könnte auch in einer gesetzlichen Gebührenordnung enthalten sein, so daß der Kläger den Beklagten bei Vertragsschluß nicht auf sie habe hinweisen müssen und auch sonst nicht rechtsmißbräuchlich handle, wenn er sich jetzt auf sie berufe. Die Gebührenrechnung des Klägers für das Jahr 1965 habe im Einklang mit der ALLGO gestanden, deshalb habe der Beklagte keinen berechtigten Grund zur Kündigung des Vertragsverhältnisses gehabt. Darüber hinaus sei durch die Aussage des vernommenen Zeugen erwiesen, daß der Kläger die Arbeiten für das Jahr 1966 zumindest teilweise bereits in Angriff genommen gehabt habe.
II.
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Ihr ist zunächst schon zuzugeben, daß das Berufungsgericht mit der von ihm vorgenommenen rechtlichen Aufspaltung des dem Kläger vom Beklagten erteilten Auftrags in eine dienstvertragliche und eine werkvertragliche Seite dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis nicht gerecht wird. Ein Vertrag, durch den einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten allgemein die Wahrnehmung aller steuerlicher Interessen des Auftraggebers übertragen wird, ist regelmäßig ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§ 675 BGB). Im Rahmen eines solchen Rechtsverhältnisses schuldet der Verpflichtete durchaus unterschiedliche Tätigkeiten, die keineswegs stets auf einen bestimmten Erfolg gerichtet sein müssen. So ist etwa die steuerliche Beratung bei der Anlage, der Verteilung und der Bewertung von Vermögen, bei der Ausschöpfung und Abstimmung von Steuervergünstigungen, ferner die Vertretung des Steuerpflichtigen vor den Steuerbehörden (z.B. bei Betriebsprüfungen u.ä.) als allgemeiner Beistand in Steuerangelegenheiten reine Dienstleistung im Sinne der §§ 611 ff BGB. Daß dazu gewisse Zahlen erst ermittelt, Unterlagen erstellt und im Anschluß daran bestimmte Erklärungen gefertigt werden müssen, liegt in der Natur der Sache und steht der Einordnung der bestehenden Rechtsbeziehung als Dienstvertragsverhältnis nicht entgegen, das in seiner Gesamtheit nach der vom Auftraggeber gewählten Zielrichtung beurteilt werden muß.
Die Rechtslage entspricht weitgehend der beim Anwaltsvertrag, der nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum regelmäßig ebenfalls als Dienstvertrag und nur ausnahmsweise als Werkvertrag anzusehen ist (BGH NJW 1967, 719, 720; 1965, 106 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Aus der Tatsache, daß sich im Rahmen eines Gesamtberatungsvertrages der vorliegenden Art die dem Verpflichteten obliegenden einzelnen Tätigkeiten erst konkretisieren müssen und zwar naturgemäß nach den jeweils für eine steuerliche Behandlung anfallenden Arbeiten, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für die rechtliche Einordnung des von den Parteien begründeten Vertragsverhältnisses nichts herzuleiten. Damit wird keineswegs schon jede zu erbringende Einzelleistung für sich als ein Erfolg im Sinne des Werkvertragsrechts geschuldet; und selbst wenn eine einzelne Dienstleistung, für sich gesehen, einen „Erfolg” hervorbringt, so ist das bei einem Dauerdienstverhältnis durchaus nichts Ungewöhnliches, wie besonders das Beispiel des Arbeitsverhältnisses deutlich zeigt.
2. Ist somit der dem Kläger vom Beklagten erteilte Auftrag zur allgemeinen Wahrnehmung seiner steuerlichen Interessen einheitlich als ein Dienstvertrag anzusehen, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat – nämlich die Besorgung der beim Beklagten jeweils anfallenden steuerlichen Geschäfte, die in sich durchaus abgeschlossen und von einander getrennt zu behandeln sein können –, so liegt auf der Hand, daß die vom Kläger zu leistenden Dienste solche höherer Art sind, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, weshalb nach § 627 BGB das Vertragsverhältnis von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden konnte.
Das ist hier durch den Beklagten geschehen. Nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB steht dem Kläger daher ein „seinen bisherigen Leistungen entsprechender Teil der Vergütung” zu. Sondervorschriften bestehen für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte nicht, da die in § 28 des Steuerberatungsgesetzes vom 16. August 1961 (BGBl. I 1301) angekündigte Gebührenordnung des Bundesministers der Finanzen noch nicht erlassen worden ist. Die Vorschrift des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch abdingbar (BGH LM Nr. 3 zu § 611). Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits konzentriert sich deshalb darauf, ob die Parteien wirksam eine anderweitige Vereinbarung getroffen haben.
3. Zutreffend beurteilt das Berufungsgericht die Frage, ob § 17 Abs. 1 der ALLGO Inhalt des von den Parteien geschlossenen Beratungsvertrages geworden ist, nach den von der Rechtsprechung zur Vereinbarung allgemeiner Geschäftsbedingungen entwickelten Grundsätzen. Anders kann die von Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe ausgearbeitete und vielfach angewandte „Allgemeine Gebührenordnung”, auf die der Kläger in der seinem Bestätigungsschreiben vom 23. Dezember 1965 beigefügten Anlage ausdrücklich Bezug genommen hat, nicht gewertet werden.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung nimmt nun aber derjenige, der allgemeine Geschäftsbedingungen aufstellt, die an sich bestehende Vertragsfreiheit, soweit sie die Gestaltung des Vertragsinhalts betrifft, für sich allein in Anspruch und ist daher nach Treu und Glauben verpflichtet, schon bei der Abfassung der allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen seiner künftigen Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen. Bringt er nur seine eigenen Interessen zur Geltung, so mißbraucht er die Vertragsfreiheit, die insoweit durch § 242 BGB eingeschränkt ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen können danach der Rechtswirksamkeit entbehren, soweit sie unangemessene, überraschende Klauseln enthalten, in denen sich die mißbräuchliche Verfolgung einseitiger Interessen auf Kosten des Geschäftspartners verkörpert und die daher bei Abwägung der Interessen der normalerweise an solchen Geschäften beteiligten Kreise der Billigkeit widersprechen (BGH NJW 1969, 230 (insoweit in BGHZ 51, 55 nicht abgedruckt); 1968, 1718, 1720; 1965, 246).
Verdanken Vorschriften des dispositiven Rechts ihre Entstehung nicht nur Zweckmäßigkeitsgründen, sondern einem aus der Natur der Sache sich ergebenden Gerechtigkeitsgebot, so müssen bei einer abweichenden Regelung durch allgemeine Geschäftsbedingungen Gründe vorliegen, die für die von ihnen zu regelnden Fälle das dem dispositiven Recht zu Grunde liegende Gerechtigkeitsgebot in Frage stellen und eine abweichende Regelung als mit Recht und Billigkeit vereinbar erscheinen lassen. Der Gerechtigkeitsgehalt der vom Gesetzgeber aufgestellten Dispositivnormen kann verschieden groß sein. Je stärker er ist, ein desto strengerer Maßstab muß an die Vereinbarkeit von Abweichungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem Grundsatz von Treu und Glauben angelegt werden. Die Bedürfnisse des redlichen Geschäftsverkehrs, der sich unter der Herrschaft von allgemeinen Geschäftsbedingungen abspielen soll, verlangen, daß diese Bedingungen sich im Rahmen dessen halten, was billig und gerecht denkenden Menschen als angemessen erscheint. Nur auf solche Bedingungen, mit denen billiger- und gerechter Weise gerechnet werden muß, kann sich deshalb das Einverständnis des Vertragsteiles beziehen, der sich den von dem anderen Teil einseitig aufgestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen unterwirft (BGHZ 41, 151, 154; 38, 183, 185; 33, 216, 219; 22, 90, 94; vgl. auch Fischer Anm. LM Nr. 1 zu AGB und BB 1957, 481, 486).
b) Diesen namentlich vom VIII. und II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs herausgearbeiteten Anforderungen, die auch der erkennende Senat übernommen hat (vgl. etwa BGHZ 48, 264, 268; 52, 171, 178; NJW 1963, 1148), genügt die im vorliegenden Falle zu beurteilende Bestimmung des § 17 Abs. 1 der ALLGO nicht.
Dabei ist nicht etwa schon zu beanstanden, daß nach ihrem Inhalt dem Auftragnehmer bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags „ohne berechtigten Grund” überhaupt der Anspruch auf die volle Vergütung erhalten bleiben kann und soll. Eine Regelung der Vergütungsfrage in dem zu behandelnden Konfliktsfall, bei der von diesem Grundsatz ausgegangen wird, ist dem geltenden Recht keineswegs fremd, wie gerade die vom Berufungsgericht herangezogene Bestimmung des § 649 BGB, aber auch innerhalb des Dienstvertragsrechts der § 615 BGB zeigt, allerdings jeweils mit der Einschränkung des § 649 2. Halbsatz und des § 615 Satz 2 BGB. Dem Grundsatz nach ist die zu beurteilende Klausel daher mit den von der oben angeführten Rechtsprechung aufgestellten Geboten nicht von vornherein unvereinbar.
Sie steht jedoch deshalb nicht im Einklang mit Treu und Glauben, weil sie bei der Höhe des dem Auftragnehmer im Falle der vorzeitigen Beendigung des Auftrags „ohne berechtigten Grund” verbleibenden Vergütungsanspruchs den Umfang der von ihm bis dahin geleisteten Dienste überhaupt nicht berücksichtigt, sondern ihm das volle Entgelt auch dann zuspricht, wenn er noch gar keine oder eine nur ganz geringfügige Tätigkeit entfaltet hat, wenn also das ursprünglich ausgemachte Honorar in keinem vernünftigen und vertretbaren Verhältnis zu den tatsächlich erbrachten Leistungen steht. Eine Regelung, die das ermöglicht, widerspricht der Billigkeit und stellt eine mißbräuchliche Verfolgung einseitiger Interessen des einen Vertragspartners auf Kosten des anderen dar, dessen berechtigte Belange sie zu wenig berücksichtigt.
Die Vorschrift des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB über die Teilvergütung bei vorzeitiger Beendigung eines Dienstvertrags ist im Zusammenhang mit den außerordentlichen Kündigungsrechten der §§ 626, 627 BGB zu verstehen, deren Ausübung sie gewährleisten will. Hier interessiert lediglich das Kündigungsrecht des § 627 BGB, das auch die ALLGO unangetastet läßt. Bei der getroffenen Regelung trägt der Gesetzgeber erkennbar dem Umstand Rechnung, daß nach der Lebenserfahrung eine Wechselwirkung besteht zwischen der dem gekündigten Dienstverpflichteten zu zahlende Vergütung und der Ausübung des Kündigungsrechts selbst. Steht das trotz vorzeitiger freier Beendigung des Dienstvertrags zu entrichtende Entgelt in keinem vertretbaren Verhältnis zu den bereits geleisteten Diensten, dann wird eine Kündigung nach § 627 BGB unangemessen erschwert. Damit wird zugleich der dieser Vorschrift zugrunde liegende Rechtsgedanke in Frage gestellt, daß derjenige, der von einem unabhängigen Dritten Dienstleistungen höherer Art verlangen kann, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, nur solange an die getroffenen Absprachen gebunden sein soll, als das bei der Vereinbarung vorausgesetzte Vertrauen besteht, gleichgültig ob für dessen Verlust ein berechtigter Grund gegeben ist oder nicht.
Die gesetzliche Regelung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht deshalb keineswegs auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen. Sie will vielmehr in erster Linie einen gerechten Ausgleich der in dem behandelten Konfliktsfall widerstreitenden Interessen herbeiführen. Der Kläger kann nicht geltend machen, daß bei den steuerberatenden Berufen besondere Verhältnisse vorherrschen, die eine vollständige Abkehr von der gesetzlichen Regelung zu Gunsten der Auftragnehmer erfordern, ja gerade diese Lösung als die wirklich gerechte erscheinen lassen. Vielmehr ist kein hinreichender Grund erkennbar, der es rechtfertigen würde, daß Abweichungen von der gesetzlichen Regelung im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen den der Vorschrift des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB innewohnenden Gerechtigkeitsgehalt gänzlich beiseiteschieben und die berechtigten Interessen des Auftraggebers überhaupt nicht berücksichtigen.
Daher muß eine abweichende Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen, will sie sich in Einklang mit Treu und Glauben befinden, die Interessen des Auftraggebers bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags zu einem Mindestmaß wahren, das dem Wesensgehalt des der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Gerechtigkeitsgedankens entspricht. Dazu gehört, daß die Verhältnismäßigkeit von Vergütung und tatsächlich erbrachter Dienstleistung sich in einem Rahmen bewegt, der noch als angemessen und im Hinblick auf das außerordentliche Kündigungsrecht des § 627 BGB für den Auftraggeber als tragbar bezeichnet werden kann. Dabei ist von untergeordneter Bedeutung, auf welche Weise das bewerkstelligt wird, ob durch einen dem Grundsatz der vollen Vergütungspflicht angefügten allgemeinen, eine sachgemäße Einschränkung enthaltenden Zusatz oder von vornherein pauschal durch eine vernünftige Gebührenstaffelung bzw. -quotelung, die sich an den zu erbringenden Einzelleistungen in etwa orientiert.
In dieser Weise verfährt die auf dem Gebiet höherer Dienstleistungen der genannten Art bekannteste Gebührenordnung, die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, die beispielsweise in zivilrechtlichen Angelegenheiten in den §§ 20, 23, 31, 54, 56, 118, 120 zunächst einmal den Verfall einzelner Gebühren an bestimmte Abschnitte der entfalteten Tätigkeit knüpft, wobei die vorzeitige Beendigung des Auftrags nur an bereits entstandenen Gebühren grundsätzlich nichts ändert (§ 13 Abs. 4 BRAGebO) Andererseits ermäßigen sich nach den §§ 32, 54 Satz 2, 56 Abs. 2 BRAGebO Gebühren, die an sich zu erwarten waren, wenn der Anwalt durch vorzeitige Erledigung des Auftrags nicht in dem vollen in Aussicht genommenen Umfang tätig zu werden braucht (vgl. ähnlich für Strafsachen die §§ 84, 85 Abs. 3, 86 Abs. 3 BRAGebO).
Wie in § 1 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes vom 16. August 1961 (BGBl. I 1301) ausdrücklich festgehalten ist, stellt die Ausübung der Steuerberatung kein Gewerbe dar. Steuerberater und Steuerbevollmächtigte unterliegen dementsprechend strengeren Berufspflichten, über deren Einhaltung die dafür geschaffenen Organe (Kammern, Berufsgerichte) wachen. Die steuerberatenden Berufe verdienen deshalb besonderes Vertrauen, das ihnen weitgehend auch entgegen gebracht wird. Das aber hat zur Folge, daß jeder, der ihre Dienste in Anspruch nimmt, als selbstverständlich davon ausgeht, daß in den von ihnen ausgearbeiteten und angewandten allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen der Auftrag abweichend vom Gesetz abgewickelt werden soll, die Interessen aller Beteiligten – auch die des Auftraggebers – angemessen berücksichtigt werden. Er erwartet jedenfalls keine Bestimmung, die durch den Verfall des stets vollen Honorars die Ausübung des nach § 627 BGB gewährten außerordentlichen Kündigungsrechts unbillig erschwert, das gerade im Hinblick auf das besondere Vertrauen geschaffen worden ist, auf Grund dessen die zu leistenden Dienste überhaupt übertragen werden.
Selbst wenn man – wie das Berufungsgericht – die Tätigkeit eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten nach werkvertraglichen Gesichtspunkten beurteilt, gilt nichts anderes. Denn auch § 649 BGB sieht in seinem 2. Halbsatz vor, daß bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages ein Abzug an der vereinbarten Vergütung wenigstens in der Form der ersparten Aufwendungen gemacht wird. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ein beachtliches Interesse des Unternehmers an einer in diesem Punkt vom Gesetz abweichenden Regelung anerkennt, weil er vermeiden will, betriebsinterne Vorgänge, ja u.U. sogar Betriebsgeheimnisse aufdecken zu müssen, so ist dem im Grundsatz durchaus beizutreten. Doch ist damit eine anderweitige Abrede, die jeglichen Abzug ausschließt und nicht einmal eine pauschale, etwa nach einem bestimmten Hundertsatz zu errechnende Verminderung der ursprünglich ausgemachten Vergütung festlegt, nicht zu rechtfertigen.
Dadurch, daß § 17 Abs. 1 der ALLGO bei der Bemessung der Vergütung im Falle vorzeitiger Beendigung des Auftrags keinerlei Berücksichtigung des vom Auftragnehmer erbrachten Arbeitsaufwands vorsieht, die eine erträgliche Ermäßigung der ursprünglich vereinbarten vollen Vergütung ermöglicht – wie sie auch im vorliegenden Falle in Betracht kommt –, verkörpert die Klausel die mißbräuchliche Verfolgung einseitiger Interessen. Sie kann deshalb nach Treu und Glauben als Bestandteil allgemeiner Geschäftsbedingungen, die nicht zum Gegenstand individuell gestalteter Verträge gemacht, sondern durch bloße Bezugnahme Vertragsinhalt werden, keine Rechtswirksamkeit beanspruchen. Das muß umso mehr gelten, als § 28 des Steuerberatungsgesetzes vom 16. August 1961 (BGBl. I 1301) ausdrücklich bestimmt, daß in der geplanten, für die steuerberatenden Berufe maßgebenden amtlichen Gebührenordnung die Höhe der Gebühren „den Rahmen des Angemessenen nicht übersteigen darf” und sich nach Zeitaufwand, Wert des Objekts und Art der Aufgabe zu richten habe. An die ALLGO, die bis zum Erscheinen der amtlichen Gebührenordnung deren Stelle im Wege der gegenseitigen Vereinbarung einnehmen soll, können keine geringeren Anforderungen gestellt werden. Zum „Angemessenen” im Sinne des § 28 aaO gehört aber auch, daß eine Gebührenregelung für den Fall vorzeitiger Auftragsbeendigung der Billigkeit nicht widerspricht. Der Entwurf der Gebührenordnung, den der Bundesminister der Finanzen im Jahre 1965 aufgestellt und dem Bundesrat zugeleitet hat (PR-Drucks 350/65), enthält denn auch keine dem § 17 der ALLGO irgendwie vergleichbare Bestimmung.
Daß die Kammer der Steuerbevollmächtigten in Stuttgart ihren Mitgliedern die Gebührenberechnung nach der ALLGO zur Pflicht macht (§ 4 Abs. 6 ihrer Satzung) ist ohne Bedeutung. Dadurch kann eine einzelne Bestimmung dieser „Gebührenordnung”, deren Vereinbarung unter gewissen Voraussetzungen gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, nicht sanktioniert werden.
c) Die Möglichkeiten, bei der Bemessung des im Falle vorzeitiger Beendigung eines Auftrags „ohne berechtigten Grund” zu zahlenden Entgelts einerseits von der ursprünglich vereinbarten vollen Vergütung auszugehen, andererseits aber auch den Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeiten angemessen mit einzubeziehen, sind zu vielfältig, als daß der Bestimmung des § 17 Abs. 1 ALLGO im Wege der (ergänzenden) Auslegung nach § 157 BGB ein eindeutiger, mit den Anforderungen der angeführten Rechtsprechung in Einklang zu bringender Inhalt gegeben werden könnte. Die Klausel kann deshalb insgesamt keine Geltung beanspruchen, ohne daß damit über die Rechtswirksamkeit anderer Bestimmungen der ALLGO, die im vorliegenden Falle gar nicht in Rede stehen, etwas gesagt, geschweige denn der Bestand des ganzen Vertrags zwischen den Parteien in Frage gestellt wäre (BGHZ 51, 55, 57; 22, 90, 92). Vielmehr tritt lediglich anstelle der wegfallenden Vertragsbedingung wieder die gesetzliche Vorschrift des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB, die durch die vorgesehene besondere Regelung ersetzt werden sollte aber – wie dargelegt – nicht ersetzt wurde.
III.
Auf die Revision ist daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr die Höhe der dem Kläger nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB zustehenden Teilvergütung festzustellen hat. Dabei wird es zu beachten haben, daß das dem Kläger nach dieser Vorschrift zuzuerkennende Entgelt keineswegs allein nach dem reinen Zeitaufwand, den die von ihm schon geleisteten Arbeiten erfordert haben, in Verbindung mit einem bestimmten Stundensatz bemessen werden kann. Vielmehr sind insoweit alle Umstände zu berücksichtigen, die auf die Angemessenheit der vom Kläger zu beanspruchenden Teilvergütung Einfluß nehmen können. In Frage kommen beispielsweise auch etwaige Auslagen, zu denen sich der Kläger im Hinblick auf die bevorstehende Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten veranlaßt sah und die nun nutzlos sind, aber auch Einbußen, die er möglicherweise erlitten hat, weil er sich bereits auf die Erfüllung des vom Beklagten erteilten Auftrags eingestellt hatte und die dafür vorgesehene Zeit nicht mehr in vollem Umfange anderweitig verwenden konnte. Für derartige Umstände dürfte freilich der Kläger darlegungspflichtig sein. Schließlich wird auch die Höhe der vollen Vergütung in Betracht zu ziehen sein, die der Kläger bei ordnungsmäßiger Abwicklung des ihm erteilten Auftrags erhalten hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 2078690 |
BGHZ, 106 |