Leitsatz (amtlich)
Zur Ausschließung eines Kommanditisten aus der Kommanditgesellschaft.
Normenkette
HGB § 161 Abs. 2, §§ 140, 133, 131 a.F.
Verfahrensgang
OLG Rostock (Aktenzeichen 6 U 92/97) |
LG Schwerin (Aktenzeichen 21 O 15/96) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 20. Mai 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger begehren den Ausschluß des Beklagten aus der M. C. & B. GmbH und Co. (künftig: KG).
Der Beklagte gehört dieser Gesellschaft seit ihrer Gründung als Kommanditist an, die Klägerin zu 3 ist ihre Komplementärin. Die Kläger zu 1 und 2 haben ihre Kommanditanteile Anfang 1995 von den beiden anderen Gründungsgesellschaftern erworben.
Im März 1995 kam dem Kläger zu 2 zu Gehör, daß der als Geschäftsführer der Klägerin zu 3 tätige Beklagte im Jahre 1993 Bücher der KG veruntreut haben sollte. Im Mai 1995 räumte der Beklagte „erhebliche Unregelmäßigkeiten” ein und bat, ihn von seinen Pflichten als Geschäftsführer zu entbinden. Mit Beschluß vom 22. Mai 1995 wurde seine Bestellung zum Geschäftsführer widerrufen; zugleich wurden die Kläger zu 1 und 2 mit der Geschäftsführung betraut. Sie beauftragten einen Wirtschaftsprüfer mit der näheren Untersuchung der Angelegenheit. Dessen Bericht lag im Sommer 1995 vor. Ferner führten die Kläger zu 1 und 2 in den Monaten Juni bis August 1995 im Unternehmen der KG, zu dem fünf Außenstellen gehören, eine körperliche Bestandsaufnahme durch. Anfang Februar 1996 haben sie Klage auf Ausschließung des Beklagten aus der KG erhoben.
Die Kläger haben behauptet, bislang hätten sie einen Bücherfehlbestand in Höhe von 282.508,11 DM festgestellt. Sie hegten den Verdacht, daß der Beklagte diese Bücher unter Einschaltung von Angestellten der KG für Rechnung der von ihm und einer Frau G. gegründeten B. & G. GbR an Buchhandlungen vertrieben habe, die zu den Kunden der GbR, nicht aber der KG gehört hätten. Der Außendienstmitarbeiter der GbR, L., habe nach seinen Provisionsabrechnungen mit Büchern des t. -Verlages einen Umsatz in Höhe von 73.576,– DM getätigt. Da die GbR zu diesem Verlag keine Geschäftsbeziehungen unterhalten habe, habe es sich offenbar um Bücher gehandelt, die der t. -Verlag an die KG geliefert habe. Nach den Mitteilungen der GbR an ihren Steuerberater habe der Umsatz im Jahre 1993 DM 23.779,36 bei einem Wareneinsatz von 625,98 DM betragen. Verhandlungen mit dem Beklagten über sein Ausscheiden aus der KG seien fehlgeschlagen. Da die Bemühungen um eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes keinen Erfolg gehabt hätten, habe man im Januar 1996 die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die strafrechtlichen Ermittlungen hätten insbesondere durch die Aussagen der dort vernommenen Zeugen weitere Untreuehandlungen des Beklagten ergeben.
Das Landgericht hat der Klage nach Erhebung von Zeugenbeweis stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des Landgerichtsurteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Das Berufungsgericht hat die Klage auf Ausschließung des Beklagten aus der KG zu Unrecht abgewiesen.
1. Die Ausschließung des Beklagten kann nur durch ein Gestaltungsurteil nach §§ 161 Abs. 2, 140, 133 und 131 HGB in der vor Inkraftreten des HRefG vom 22. Juni 1998 geltenden Fassung ausgesprochen werden. Denn der Gesellschaftsvertrag vom 22. Januar 1991 trifft keine Regelung über die Ausschließung eines Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluß. Die Erwägung des Berufungsgerichtes, die Kläger hätten den Beklagten durch ordentliche Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses aus der Gesellschaft entfernen müssen, ist daher nicht nachvollziehbar.
Ebensowenig verständlich ist seine Überlegung, notfalls hätten die Kläger die Gesellschaft durch ordentliche Kündigung beenden müssen. Dazu wären sie schon aufgrund der in § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 22. Januar 1991 enthaltenen Fortsetzungsklausel nicht in der Lage gewesen. Zudem hätte eine Kündigung durch die Kläger nach dieser Regelung dazu geführt, daß sie selbst – und nicht etwa der Beklagte – aus der KG ausgeschieden wären.
2. Nach dem Vortrag der Kläger hat der Beklagte Bücher der KG im Wert von 282.508,11 DM unterschlagen. Dieses Verhalten des Beklagten wäre geeignet, das Vertrauen der Kläger in seine Integrität nachhaltig zu erschüttern. Es würde die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes zur Ausschließung des Beklagten aus der Gesellschaft erfüllen.
3. Das Berufungsgericht stellt diesen Ausgangspunkt nicht in Frage. Es meint jedoch, den Klägern habe im Februar 1996 ein Ausschließungsgrund nicht mehr zugestanden, weil sie das Gesellschaftsverhältnis mit dem Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt fortgesetzt hätten, obwohl sie bereits im März 1995 von den Unregelmäßigkeiten des Beklagten Kenntnis erlangt hätten. Im Sommer 1995 hätten die Ergebnisse der Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers vorgelegen, ohne daß die Kläger daraus Konsequenzen gezogen hätten. Unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 11. Juli 1966 (II ZR 215/64, WM 1966, 857) kommt es aufgrund dieser Umstände zu dem Ergebnis, es spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, daß der Ausschlußgrund nachträglich durch die spätere Entwicklung der gesellschaftlichen Beziehungen weggefallen sei. Die – darlegungs- und beweisbelasteten – Kläger hätten nicht substantiiert dargetan, daß die Fortsetzung der Gesellschaft über ein halbes Jahr nichts mit der Wiederherstellung der gesellschaftlichen Vertrauensgrundlage zu tun gehabt habe. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a) In dem zitierten Urteil hat der Senat entschieden, daß eine tatsächliche Vermutung für den nachträglichen, durch die spätere Entwicklung der gesellschaftlichen Beziehungen bedingten Wegfall des Kündigungsgrundes besteht, wenn der Gesellschafter einer OHG von seinem Recht, die Gesellschaft aus wichtigem Grund zu kündigen, ein Jahr und drei Monate lang seit Kenntniserlangung von dem Kündigungsgrund keinen Gebrauch macht. Hingegen sei nicht erforderlich, daß sich der andere Gesellschafter darauf eingerichtet hat und darauf vertrauen durfte, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht. Der vorstehend dargelegte, für das Gesellschaftsrecht maßgebende Grundsatz gelte unabhängig von dem Rechtsinstitut der Verwirkung mit seiner weitergehenden Voraussetzung des Umstandsmomentes (Sen.Urt. aaO S. 858).
b) Wie die Revision im Grundsatz zu Recht rügt, hat das Berufungsgericht jedoch die der Anwendung dieses Grundsatzes zugrundeliegenden Umstände unvollständig – teilweise unter Übergehung des Klagevortrages – gewürdigt. Ferner ist nicht erkennbar, welchen Zeitpunkt es für die Erlangung der Kenntnis vom Ausschließungsgrund seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
aa) Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß das Berufungsgericht für den Zeitpunkt der Kenntniserlangung einmal von März 1995 ausgeht, in dem der Kläger zu 2 von „Unregelmäßigkeiten” des Beklagten erfahren habe, andererseits aber ausführt, den Klägern hätten im Sommer 1995 die Ergebnisse des Wirtschaftsprüfers zu diesen „Unregelmäßigkeiten” vorgelegen, ohne daß die Kläger „angesichts dieser Sachlage” von ihrem Recht, die KG zu kündigen, Gebrauch gemacht hätten. An anderer Stelle heißt es, die Kläger hätten nicht substantiiert dargelegt, daß die Fortsetzung der Gesellschaft „über ein halbes Jahr hinaus” nichts mit einer Wiederherstellung der gesellschaftlichen Vertrauensgrundlage zu tun gehabt habe. Daraus ist nicht ersichtlich, welchen Zeitraum das Berufungsgericht für die Fortsetzung der KG zwischen Kenntniserlangung vom Ausschlußgrund und Erhebung der Ausschlußklage seiner Entscheidung zugrunde legt. Auf die Bestimmung dieses Zeitraumes kommt es nach der Senatsentscheidung vom 11. Juli 1966 (aaO) aber gerade an.
bb) Das Berufungsgericht hat auch keine Feststellungen über den Kenntnisstand der Kläger zu den von ihm genannten Terminen getroffen. So bleibt unklar, worin die „Unregelmäßigkeiten” bestanden haben, von denen der Kläger zu 2 im März 1995 Kenntnis erlangt hat. Ferner ist nicht erkennbar, wie die „Ergebnisse” beschaffen waren, die Gegenstand der von dem Wirtschaftsprüfer zu den „Unregelmäßigkeiten” erstatteten Stellungnahme waren. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß die Kläger dazu Zahlen genannt haben: Ein Betrag von 73.576,– DM war aus den Provisionsabrechnungen des Außendienstmitarbeiters L. errechnet, ein Fehlbestand in Höhe von 282.508,11 DM war anläßlich der in den Monaten Juni bis August 1995 durchgeführten Inventur, auf die das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen mit keinem Wort eingeht, ermittelt worden.
cc) Das Berufungsgericht hat ferner dem aus dem Klagevorbringen ersichtlichen Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen, daß die Kläger ihre Nachforschungen auch über den August 1995 hinaus weiter betrieben haben, weil die Beweislage eine abschließende Beurteilung aller Umstände, die bei der Entscheidung über die Ausschließung des Beklagten zu berücksichtigen waren, bis August 1995 nicht zuließ. Der Beklagte hat noch bis zum Abschluß der Tatsacheninstanzen die Einzelheiten der von den Klägern erhobene Vorwürfe bestritten. Soweit es um den Betrag von 73.546,– DM geht, stand zwar nach den Unterlagen des Außendienstmitarbeiters L. fest, daß Bücher des t. -Verlages vertrieben worden waren. Rückschlüsse darauf, daß es sich dabei um Bücher aus den Beständen der Klägerin zu 3 handelte, ließ nur die Auskunft des Verlages zu, er habe keine Geschäftsverbindungen zu der GbR B. & G. unterhalten. Letzte Sicherheit hat insoweit erst die Aussage der Zeugin S. erbracht, die sie in dem Ermittlungsverfahren gemacht hat und nach der bestimmte Sendungen, die sie zusammengestellt hat, aus Büchern des t. -Verlages bestanden haben.
Den Klägern standen bis zur Erstattung der Strafanzeige keine Beweismittel für die Beantwortung der Frage zur Verfügung, ob der den Betrag von 73.546,– DM übersteigende, unter Mitwirkung der Zeugin Sch. ermittelte Fehlbestand von 282.508,11 DM von dem Beklagten zu verantworten ist. Dafür haben sich erst aufgrund der von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Ermittlungen gewisse Anhaltspunkte ergeben. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den entsprechenden Vortrag der Klägerin nicht berücksichtigt und die angebotenen Beweise nicht erhoben hat.
Ferner geht das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht auf den Vortrag der Klägerin ein, es seien weiterhin Verhandlungen mit dem Beklagten über sein Ausscheiden geführt worden, die jedoch letztlich fehlgeschlagen seien.
4. Das Berufungsgericht wird den vorstehend dargelegten Einzelheiten noch nachgehen müssen. Dabei wird es gegebenenfalls auch weiteren Vortrag der Parteien zu berücksichtigen haben, mit denen diese ihr Vorbringen ergänzen und präzisieren.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.06.1999 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
NJW 1999, 2820 |
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