Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung von Schadensersatzansprüchen. Umfang der Belehrungspflicht des Steuerberaters
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die vom Steuerberater begangenen Fehler bereits bei der Steuerfestsetzung durch das Finanzamt zu einer Steuermehrbelastung und damit zu einer Schädigung des Mandanten geführt, findet der Grundsatz, daß die Verjährungsfrist erst mit der Schlußbesprechung im Rahmen einer Betriebs-(Außen-) prüfung beginnt, keine Anwendung.
2. Verletzt ein Steuerberater seine Pflicht zur Belehrung seines Mandanten über die Verjährungsfrist des § 68 StBerG kann mangelndes Verschulden gegeben sein.
Normenkette
StBerG § 68; BGB § 198
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 16.12.1980; Aktenzeichen 3 U 535/80) |
LG Koblenz (Urteil vom 11.04.1980; Aktenzeichen 2 O 604/79) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Dezember 1980 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte unterzeichneten am 31. Juli 1974 ein gedrucktes Formular, das die Überschrift „Pauschalvertrag-Steuerberatung” trägt und u.a. folgende Bestimmungen enthält:
„Schadensersatzansprüche aus dieser Vereinbarung sind unverzüglich schriftlich
bekanntzugeben; sie verjähren jeweils zwei Jahre nach Erledigung des Einzelauftrags – gesetzlich kürzere Verjährungsfristen bleiben hiervon unberührt. …
Vorstehende Vereinbarung gilt für die Kalenderjahre 1974/75 und – mangels schriftlichem Widerruf drei Monate vor Jahresschluß – jeweils für ein weiteres Jahr. …”
Auf dem Formular ist der Name des Beklagten vorgedruckt; die Firma der Klägerin ist mit Schreibmaschine eingesetzt.
Der Beklagte erstellte für die Klägerin u.a. die Körperschaftssteuererklärungen für die Jahre 1973 und 1974. Er fertigte auch den Jahresabschluß für 1975 an, den er am 11. Juni 1976 ablieferte.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe auch die Jahressteuererklärung für 1975 angefertigt. Der Beklagte habe bei den Buchungs- und Abschlußarbeiten die von der Klägerin ihren Abnehmern gewährten Skonti und Rabatte nicht berücksichtigt; infolgedessen sei in den Steuererklärungen das Betriebsergebnis um 843.702 DM zu hoch angegeben worden. Das Finanzamt habe bei der Steuerfestsetzung diese Zahlen übernommen. Bei einer Betriebsprüfung, die unstreitig am 6. Juni 1977 begann und am 7. Juli 1977 mit einer Schlußbesprechung endete, seien zwar die Fehler aufgedeckt worden, das Finanzamt habe jedoch eine Berichtigung der Steuerbescheide abgelehnt, weil die Buchhaltung nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. In mühsamen Verhandlungen habe es der jetzige Steuerberater der Klägerin erreicht, daß vom Betriebsergebnis die Hälfte des Betrages von 843.702 DM abgesetzt werde, und zwar jeweils 210.925 DM für das Jahr 1974 und das Jahr 1975. Der Klägerin verbleibe eine durch das schuldhafte Verhalten des Beklagten verursachte steuerliche Mehrbelastung in Höhe von 350.000 DM. Die Zahlung dieses Betrages verlangt die Klägerin mit ihrer Klage, die sie am 20. Dezember 1979 eingereicht hat und die am 22. Dezember 1979 dem Beklagten zugestellt worden ist.
Der Beklagte leugnet ein Verschulden. Er behauptet, daß seine letzte Tätigkeit in der Anfertigung des Jahresabschlusses 1975 bestanden habe; diesen habe er der Klägerin am 11. Juni 1976 zugesandt. Die im Formularvertrag vorgesehene Verjährungsfrist sei daher abgelaufen.
Beide Vorinstanzen haben die Einrede der Verjährung für begründet gehalten und die Klage aus diesem Grunde abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält die Verjährungsklausel, die in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Formularvertrag enthalten ist, insoweit für unwirksam, als sie den Lauf der Verjährung mit der „Erledigung des Einzelauftrags” beginnen läßt. Darin liege eine wesentliche Abweichung von den für vertragliche Schadensersatzansprüche geltenden dispositiven Verjährungsvorschriften. Sowohl nach § 68 StBerG als auch nach § 198 BGB beginne die Verjährung mit der Entstehung des Schadens. Wenn der vom Beklagten verwendete Formularvertrag stattdessen den Verjährungsbeginn an die Erledigung des Einzelauftrags knüpfe, so weiche er in einer nicht mehr hinzunehmenden Weise von der gesetzlichen Regelung ab. Gleichwohl sei die Klausel nicht im ganzen nichtig. Soweit sie die Verjährungsfrist von drei auf zwei Jahren verkürze, halte sie der Inhaltskontrolle stand. Den Vorschriften über die Verjährung komme ein besonderer Gerechtigkeitsgehalt nur insoweit zu, als durch sie Höchstgrenzen festgesetzt werden. Ihr Zweck sei es, der allgemeinen Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden zu dienen. Deshalb sei es unzulässig, durch vertragliche Regelung die Verjährung auszuschließen oder – von bestimmten Einzelfällen abgesehen – die Verjährungsfrist zu verlängern oder die Verjährung in anderer Weise zu erschweren. Die Abkürzung einer Verjährungsfrist berühre jedoch weder die allgemeine Rechtssicherheit noch den Rechtsfrieden. Sie weiche, wie die ausdrückliche gesetzliche Zulassung der Abkürzung regelmäßiger Verjährungsfristen in § 225 BGB zeige, nicht von einem Gerechtigkeitsgebot ab und sei daher im allgemeinen mit Recht und Billigkeit vereinbar. Im übrigen komme die Abkürzung der Verjährungsfrist auch der Klägerin zugute; denn die Klausel gelte ihrem Wortlaut nach auch für Schadensersatzansprüche des Steuerberaters gegen seinen Mandanten.
Ob diese Ausführungen zutreffend sind, kann dahingestellt bleiben. Die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung ist schon deshalb begründet, weil auch die gesetzliche Verjährungsfrist (§ 68 StBerG) abgelaufen ist.
Nach der Sachdarstellung der Klägerin haben die vom Beklagten begangenen Fehler bereits bei der Steuerfestsetzung durch das Finanzamt zu einer Steuermehrbelastung und damit zu einer Schädigung der Klägerin geführt. Der Grundsatz, daß die Verjährungsfrist erst mit der Schlußbesprechung im Rahmen der Betriebs-(Außen-) prüfung beginnt, findet in einem solchen Fall keine Anwendung (Senatsurteil vom 20. Januar 1982 IVa ZR 314/80, WM 1982, 367 = VersR 1982, 468 = ZIP 1982, 451 = NJW 1982, 1285). Es ist unstreitig, daß die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen alle hier in Frage stehenden Steuerbescheide vor Dezember 1976 verstrichen war; die dreijährige Verjährungsfrist war daher am Tage der Einreichung der Klageschrift am 20. Dezember 1979 bereits abgelaufen.
II.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. insbesondere Urteil vom 20. Januar 1982 – IVa ZR 314/80 aaO) ist der Steuerberater allerdings verpflichtet, seinen Mandanten über die Frist aus § 68 StBerG zu belehren; der Beklagte hätte objektiv diese Belehrungspflicht verletzt, wenn die vertragliche Verjährungsregelung nicht wirksam wäre. Daraus erwächst jedoch der Klägerin kein sekundärer Schadensersatzanspruch, weil es jedenfalls bei den besonderen Gegebenheiten des vorliegenden Falles an einem Verschulden des Beklagten fehlte. Er durfte davon ausgehen, daß es nicht auf die gesetzliche Verjährungsfrist ankomme, weil der zwischen den Parteien abgeschlossene Steuerberatungsvertrag eine kürzere Verjährungsfrist vorsah. Eine Abkürzung der Verjährungsfrist durch Individualvereinbarung ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gestattet worden (§ 225 Satz 2 BGB). Für Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen kann allerdings etwas anderes gelten; dem Beklagten kann jedoch kein Vorwurf gemacht werden, wenn er dies nicht erkannt hat. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen haben erst in dem Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9. Dezember 1976 ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden; dieses Gesetz ist erst am 1. April 1977 in Kraft getreten, also rund drei Monate vor dem Zeitpunkt, in dem die Fehler des Beklagten aufgedeckt wurden und in dem dieser gegebenenfalls Anlaß gehabt hätte, die Klägerin über die Verjährungsfrist zu belehren. Dem Beklagten gereicht es nicht zum Verschulden, wenn er in diesem Zeitpunkt über die Grundgedanken des neuen Gesetzes noch nicht unterrichtet war; es können an ihn in dieser Hinsicht nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an einen Rechtsanwalt.
Der Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben.
Fundstellen