Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzschutz für persönlich haftenden Gesellschafter einer KG und Mehrheitsgesellschafter einer GmbH
Leitsatz (amtlich)
Versorgungsansprüche persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft und mehrheitlich beteiligter Gesellschafter einer GmbH sind insolvenzgesichert, wenn die Gesellschaftsbeteiligung treuhänderisch für Rechnung eines Dritten gehalten wird; das gilt auch, wenn die Ehefrau die Treugeberin ist und Anhaltspunkte fehlen, die die Annahme rechtfertigen könnten, deren Vermögen sei wirtschaftlich auch dem Ehemann zuzurechnen.
Normenkette
BetrAVG §§ 17, 17 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 19.12.1989) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Dezember 1989 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt den verklagten Träger der Insolvenzsicherung auf Zahlung einer Betriebsrente in Anspruch.
Der im Jahre 1913 geborene Kläger war seit dem 1. März 1952 als Arzt, seit dem 1. Januar 1959 in der Position des Chefarztes für die Kurhaus und Sanatorium Bü. GmbH tätig. Vom Stammkapital dieser Gesellschaft in Höhe von 930.000,– DM erwarb der Kläger am 18. Dezember 1958 einen Geschäftsanteil von 1.000,– DM, am 24. November 1959 Geschäftsanteile in Höhe von insgesamt 473.300,– DM sowie vom 8. Juni 1966 bis 7. November 1972 weitere Anteile im Nominalwert von 143.000,– DM, insgesamt 617.300,– DM, von denen er am 4. Juni 1969 einen Anteil von 1.000,– DM seiner Ehefrau abtrat. Am 4. Dezember 1972 beschlossen die Gesellschafter die Errichtung einer Kommanditgesellschaft und zugleich die Übertragung des Vermögens der GmbH auf die Kommanditgesellschaft. Der Kläger wurde persönlich haftender Gesellschafter mit einem Kapitalanteil von 616.300,– DM, die beiden Kommanditistinnen waren mit Anteilen von insgesamt 313.700,– DM beteiligt. Der Umwandlungsbeschluß wurde am 11. Dezember 1972 ins Handelsregister eingetragen. Am 20. Dezember 1972 wurde eine ebenfalls am 4. Dezember 1972 gegründete und am 12. Dezember 1972 ins Handelsregister eingetragene GmbH, an deren Stammkapital von 20.000,– DM der Kläger mit 13.000,– DM beteiligt war, persönlich haftende Gesellschafterin; der Kläger wechselte in die Kommanditistenstellung. Dieser Gesellschafterwechsel wurde am 29. Dezember 1972 ins Handelsregister eingetragen.
Der Kläger war zu keiner Zeit Geschäftsführer einer der beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Dem sowohl vor wie nach der Umwandlung bestehenden Beirat gehörte die Ehefrau des Klägers an; der Kläger war ab 9. März 1973 Mitglied des Beirats und des aus dessen Mitte gewählten Arbeitsausschusses.
Am 1. Februar 1973 stellten der Kläger und seine Ehefrau durch gemeinsame schriftliche Erklärung fest, daß die für den Erwerb der Gesellschaftsbeteiligungen nötigen Barmittel sämtlich aus dem Vermögen der Ehefrau stammen und daß der Kläger deshalb sämtliche Beteiligungen sowie eine Darlehensforderung gegen die Kommanditgesellschaft in Höhe von 211.623,94 DM treuhänderisch für seine Ehefrau hält. Am 4. Januar 1980 veräußerte der Kläger die Anteile an der Kommanditgesellschaft und deren Komplementär-GmbH. Der Wechsel in der Kommanditistenstellung wurde am 10. März 1980 ins Handelsregister eingetragen. Als Chefarzt war der Kläger noch bis zum 31. Dezember 1981 tätig; anschließend trat erin den Ruhestand und erhielt gemäß Dienstvertrag vom 23. Februar 1972 Ruhegeld in Höhe von 3/5 der Summe der zu letzt gezahlten Bezüge.
Am 31. Januar 1985 wurde über das Vermögen der Kommanditgesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Für das monatliche Ruhegeld in Höhe von 10.720,75 DM tritt der Beklagte nur in Höhe von 3.427,73 DM ein; dieser Bruchteil entspricht dem, der von der Gesamtbeschäftigungsdauer (1. März 1952 bis 31. Dezember 1981) auf die Zeiträume 1. März 1952 bis 24. November 1959 und 10. März 1980 bis 31. Dezember 1981 entfällt. Nach Ansicht des Beklagten ist der Kläger nur während dieser Zeiträume als oder wie ein Arbeitnehmer tätig geworden, so daß nur insoweit die Insolvenzsicherung eingreife.
Der Kläger macht die monatlichen Differenzbeträge in Höhe von 7.293,02 DM für Januar bis Juni 1985, insgesamt 43.758,12 DM, mit der Klage geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend der Ansicht, daß die sachlichen Voraussetzungen des Insolvenzschutzes erfüllt sind. Nach § 7 Abs. 1 BetrAVG hat ein Versorgungsempfänger, dessen Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Versorgungsschuldners das Konkursverfahren eröffnet worden ist, gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Schuldner zu erbringen hätte, wenn das Konkursverfahren nicht eröffnet worden wäre. Diese Voraussetzungen treffen auf den Kläger insofern zu, als er am 31. Januar 1985, als über das Vermögen seiner Versorgungsschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet wurde, Anspruch auf Ruhegeld hatte. In voller Höhe insolvenzgesichert ist dieses Ruhegeld aber nur, wenn der Kläger eine weitere Voraussetzung erfüllt; er muß während der gesamten Dauer seiner Tätigkeit als Arzt und Chefarzt für die beiden Gesellschaften zu dem Personenkreis gehört haben, der unter das Betriebsrentengesetz fällt. Diese Voraussetzung hat der Kläger nach Meinung der Vorinstanzen nur zeitweise, nämlich nur in der Zeit vom 1. März 1952 bis 24. November 1959 und vom 10. März 1980 bis 31. Dezember 1981, nicht aber in der Zwischenzeit erfüllt.
2. Nach § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG gelten die §§ 1 bis 16 BetrAVG entsprechend für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Altersversorgung aus Anlaß der Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Der Zweck des Betriebsrentengesetzes als eines Arbeitnehmerschutzgesetzes erfordert, den weitgefaßten Wortlaut dieser Bestimmung einschränkend dahin auszulegen, daß der Versorgungsberechtigte seine Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen erbracht haben muß. Nach der Rechtsprechung des Senats sind vom Schutz des Betriebsrentengesetzes Personen ausgenommen, die ein Unternehmen leiten, das sie aufgrund ihrer vermögensmäßigen Beteiligung und ihres Einflusses als ihr eigenes betrachten können. Hierunter fallen der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (vgl. BGHZ 77, 233, 237 ff.; SenUrt. v. 9. Juni 1980 – II ZR 180/79, WM 1980, 822 = ZIP 1980, 562; v. 1. Juni 1981 – II ZR 140/80, WM 1981, 814 = ZIP 1981, 892), der Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft (vgl. BGHZ 77, 94, 101 f.; SenUrt. v. 14. Juli 1980 – II ZR 224/79, WM 1980, 1114, 1115 = ZIP 1980, 778) und der Kommanditist, der aufgrund seiner Mehrheitsbeteiligung über eine entsprechende Leitungsmacht verfügt (vgl. BGHZ 77, 94, 104).
3. Diese Voraussetzungen sieht das Berufungsgericht in der Person des Klägers ab dem Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der damaligen GmbH (24. November 1959) bis zu dem Zeitpunkt als erfüllt an, indem im Handelsregister vermerkt wurde, daß der Kläger als Kommanditist aus der am 11. Dezember 1972 entstandenen Kommanditgesellschaft ausgeschieden war (10. März 1980). An der aus der Mehrheitsbeteiligung des Klägers sich typischerweise ergebenden Zuordnung zum Unternehmerbereich ändert sich – nach Ansicht des Berufungsgerichts – nicht dadurch etwas, daß der Kläger die Mehrheitsbeteiligung treuhänderisch für seine Ehefrau gehalten hat. Ausnahmen von dem Grundsatz, daß Mehrheitsgesellschafter nicht unter den Schutz des Betriebsrentengesetzes fallen, könnten nur für typisierte Sonderfälle zugelassen werden, um die es bei einem Treuhandverhältnis nicht gehe, weil die Rechtsbeziehungen zwischen Treugeber und Treuhänder durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmt würden. Im übrigen sei widerlegt, daß dem Kläger die unternehmerische Einflußmöglichkeit gefehlt habe, weil er an Weisungen seiner Ehefrau gebunden gewesen sei; vielmehr stehe aufgrund der Niederschriften über Sitzungen von Beirat und Arbeitsausschuß fest, daß der Kläger das Unternehmen mitgeleitet und mit seiner Ehefrau einverständlich zusammengewirkt habe, so daß beide innerhalb der Gesellschaft hinsichtlich ihrer Beteiligung als Einheit angesehen wurden. Die Revision rügt mit Recht, daß diese Feststellungen für die Frage, ob der Kläger Insolvenzschutz genießt, nichts hergeben.
4. Das Berufungsgericht verkennt, daß es für diese Beurteilung auf die Leitungsmacht, die ein Geschäftsführer oder Verwaltungsmitglied im Unternehmen hat und ausübt, allein nicht ankommt. Auch der Fremdgeschäftsführer, den die Gesellschafter gewähren lassen, sowie das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG) leiten das Unternehmen selbständig und fallen gleichwohl unter das Betriebsrentengesetz. Entgegen der Revisionserwiderung kommt es auch nicht darauf an, ob der Versorgungsberechtigte auf die inhaltliche Gestaltung der Versorgungszusagen keinen oder nur geringen Einfluß nehmen kann, weil er einem stärkeren Vertragspartner gegenübersteht. Dieser Gesichtspunkt der Vertragsparität klingt zwar in der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks, 7/1281, Seite 30) zum ursprünglichen § 7 Abs. 1 S. 2, dem jetzigen § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG an, hat aber im Wortlaut dieser Bestimmung keinen Niederschlag gefunden. Gerade für Organmitglieder juristischer Personen ist die Vertragsparität kein zuverlässiges Abgrenzungsmerkmal, weil sich bei diesem Personenkreis nur schwer allgemeine Maßstäbe dafür entwickeln lassen, wann bei ihnen der Einfluß auf die Gestaltung ihrer Vertragsbedingungen stark genug ist, um ihre Herausnahme aus dem Kreis der vom Betriebsrentengesetz Begünstigten zu rechtfertigen (vgl. BGHZ 77, 94, 99 f.).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es auch nicht darauf an, ob der Treugeber dem Treuhänder im Innenverhältnis freie Hand läßt oder ihn Bindungen unterwirft und nur nach Weisungen handeln läßt. Deshalb ist es unerheblich, daß es keine Treuhandverhältnisse gibt, die im Innenverhältnis typischerweise gleichgestaltet sind und aus diesem Grunde als Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden könnten, daß der Mehrheitsgesellschafter nicht unter das Betriebsrentengesetz fällt.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es nicht allein auf die Unternehmensleitung, sondern auch darauf an, ob die Versorgung aus Anlaß einer Tätigkeit für ein eigenes oder ein fremdes Unternehmen zugesagt worden ist. Derjenige, der allein oder zusammen mit anderen einen maßgeblichen Einfluß innerhalb einer Kapitalgesellschaft oder GmbH & Co. KG ausübt, genießt gleichwohl den Schutz des Betriebsrentengesetzes, wenn er nicht oder ganz unbedeutend, also mit weniger als 10 % am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist (vgl. SenUrt. v. 14. Juli 1980 – II ZR 224/79, WM 1980, 1114, 1115 = ZIP 1980, 778; BGHZ 77, 94, 105; 234, 240). Dabei kommt es nicht auf die formale rechtliche, sondern auf die wirtschaftliche Beteiligung an; denn allein sie sagt etwas darüber aus, ob der Versorgungsempfänger seine Dienste einem eigenen oder einem fremden Unternehmen erbracht hat. Hält ein Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil nicht für eigene, sondern für Rechnung eines Dritten, so ist nicht er, sondern dieser Dritte als Unternehmer anzusehen; denn allein er trägt das unternehmerische Risiko, daß der Anteil durch Verluste aufgezehrt wird. Er hat gemäß § 670 BGB dem Treuhänder die Aufwendungen zu ersetzen, wenn dieser als Komplementär gemäß § 128 BGB von den Gläubigern der Kommanditgesellschaft in Anspruch genommen wird und von der Gesellschaft mangels Liquidität gemäß § 110 HGB keinen Ausgleich erhält. Andererseits fallen ausschließlich beim Treugeber die Wertsteigerungen und Gewinne an. Übt der Treuhänder Leitungsmacht aus, so nicht im eigenen, sondern im Interesse des Treugebers; in dessen Interesse hat er die Gesellschafterrechte wahrzunehmen und sich notfalls selbst zum Geschäftsführer oder – wie hier – zum Beiratsmitglied zu bestellen, wenn die Interessenwahrung dadurch besser gewährleistet ist. Hierzu kann ihn der Treugeber gemäß § 665 BGB anweisen.
5. Anhaltspunkte, daß die Gesellschaftsanteile, die der Kläger formal besaß, wirtschaftlich zum Teil auch ihm und nicht insgesamt der Ehefrau als Treugeberin zuzuordnen wären, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Ehe allein rechtfertigt eine dahingehende Annahme nicht (vgl. BVerfGE 69, 188 ff. = WM 1985, 843, 846 zur Unzulässigkeit der Vermutung, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen; siehe auch BGHZ 77, 94, 106). Zur leitenden Tätigkeit, auf die das Berufungsgericht abstellt, war der Kläger als Treuhänder im Fremdinteresse verpflichtet; sie läßt deshalb nicht den Schluß zu, der Kläger habe Vermögen verwalten wollen und sollen, das wirtschaftlich auch ihm gehört. Hinzu kommt, daß zwischen den Ehegatten Gütertrennung bestanden hat.
6. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht ein Treuhandverhältnis nicht festgestellt, sondern nur unterstellt hat. Der Beklagte hat bestritten, daß der Kläger die Gesellschaftsanteile schon in der Zeit vor dem 28. Januar 1973 treuhänderisch für seine Ehefrau gehalten hat (GA 246, 253). Die Sache wird zurückverwiesen, damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.
Unterschriften
Boujong, Brandes, Dr. Hesselberger, Dr. Henze, Dr. Goette
Fundstellen
Haufe-Index 1134335 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1991, 396 |
GmbHR 1991, 456 |