Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenker und dessen Gesamtrechtsnachfolger als Steuerschuldner für Schenkungsteuer. Nichtannahmebeschluss: Schenkungssteuerpflicht des Schenkers (§ 20 Abs 1 ErbStG) mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. § 20 Abs 1 S 1 ErbStG kann bei Vorliegen besonderer Sachgründe als Haftungsnorm ausgelegt werden. hier: Haftung des Schenkers vorliegend jedenfalls wegen kollusiven Verhaltens
Leitsatz (redaktionell)
1. Verfassungsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass der Schenker und auch dessen Gesamtrechtsnachfolger Steuerschuldner der Schenkungsteuer sind.
2. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG begründet im vorliegenden Fall jedenfalls wegen des kollusiven Verhaltens des Schenkers mit dem Beschenkten eine Steuerpflicht des Schenkers. Vor diesem Hintergrund mangelt es nicht an einem sachlichen Grund, die Rechtsnachfolger des Schenkers für die Schenkungsteuer in Anspruch zu nehmen, zumal sie vorbehaltlich einer etwaigen Verjährung einen Ausgleichsanspruch aus der gesamtschuldnerischen Haftung haben und somit bei dem zu einem späteren Zeitpunkt leistungsfähigen Beschenkten Rückgriff nehmen könnten.
3. Die steuerliche Haftung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist nachrangig zur Steuerschuld des Beschenkten, sodass die Finanzbehörde sich mit Rücksicht auf die Natur der Schenkungsteuer als Bereicherungssteuer in erster Linie an den Beschenkten als Steuerschuldner halten muss. Dies hat das Finanzamt bei seiner Ermessensentscheidung darüber, gegen welchen der Gesamtschuldner die Schenkungsteuer festgesetzt wird, zu berücksichtigen und, soweit es zum Verständnis des Steuerbescheids erforderlich ist, zu begründen
Orientierungssatz
1a. Zu den allgemeinen Anforderungen des Art 3 Abs 1 GG an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung vgl BVerfG, 21.06.2011, 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49 ≪75 f≫.
1b. Im Bereich des Steuerrechts wird der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, was die Gleichbehandlung von Tatbeständen betrifft, vom Gebot der Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit sowie vom Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (vgl BVerfG, 09.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 ≪230 f≫). Ausnahmen von einer entsprechenden Ausgestaltung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl BVerfG, 12.10.2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 ≪245≫).
2. Mit diesen Grundsätzen ist es vereinbar, dass gem § 20 Abs 1 ErbStG auch der Schenker zur Schenkungssteuer in Anspruch genommen wird.
2a. Zwar lässt sich die Besteuerung des Schenkers nicht aus dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit herleiten, da der Schenker nicht bereichert ist.
2b. Jedoch wird der Schenker nicht gleichrangig mit dem Beschenkten besteuert; vielmehr haftet er für dessen Steuerschuld. Der identische Belastungseffekt von Steueranspruch und Steuerhaftung trägt eine Auslegung des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als Haftungsnorm zu Lasten des Schenkers.
Die Finanzbehörde hat sich bei Anforderung der Steuer – mit Rücksicht auf die Natur der Schenkungssteuer als Bereicherungssteuer – grundsätzlich an den Beschenkten zu halten (vgl BFH, 29.11.1961, II 282/58 U, BFHE 75, 151; BFH, 01.07.2008, II R 2/07, BFHE 222, 68). Bei der Festsetzung der Steuer hat das Finanzamt die Nachrangigkeit der Haftung nach § 20 Abs 1 S 1 ErbStG zu berücksichtigen und ggf zu begründen.
2c. Damit § 20 Abs 1 S 1 ErbStG als Haftungsnorm verstanden werden kann, bedarf die Haftung des Schenkers allerdings ebenfalls einer sachlichen Legitimation nach Art 3 Abs 1 GG. Solche Sachgründe können zB dann vorliegen, wenn der Schenker die Steuerentrichtung vertraglich übernommen hat (vgl BFHE 222, 68), oder wenn Haftender und Steuerpflichtiger kollusiv zur Steuerumgehung zusammenwirken.
3. Hier: Keine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG durch Heranziehung des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführer zur Schenkungssteuer. Vorliegend begründet § 20 Abs 1 S 1 ErbStG jedenfalls wegen kollusiven Verhaltens eine Steuerpflicht des Schenkers.
4. Die angegriffene Entscheidung des FG begegnet auch in weiterer Hinsicht (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG ≪Willkürverbot≫ sowie Art 14 Abs 1 GG) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; ErbStG § 20 Abs. 1 S. 1; AO §§ 5, 33, 121 Abs. 1; BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2, § 92
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine Schenkungsteuerfestsetzung, mit der sie als Gesamtrechtsnachfolger aus Anlass einer vom Erblasser noch zu Lebzeiten durchgeführten Schenkung in Anspruch genommen worden sind. Die gegen den Schenkungsteuerbescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Die Beschwerdeführer halten unter anderem die vom Finanzamt zur Inanspruchnahme des Schenkers herangezogene Vorschrift des § 20 Abs. 1 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG für verfassungswidrig. Der Schenker werde durch die Schenkung entreichert und anders als der Beschenkte nicht in seiner Leistungsfähigkeit gesteigert. Die erheblichen Unterschiede zwischen Schenker und Beschenktem verböten eine Gleichbehandlung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Es ist weder erkennbar, dass die mittelbar angegriffene Vorschrift des § 20 Abs. 1 ErbStG (1) noch dass die im Wesentlichen angegriffene Entscheidung des Finanzgerichts München (2) die von den Beschwerdeführern gerügten Grundrechte verletzen.
1. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG erweist sich in der Auslegung, die die Vorschrift durch die Finanzgerichte und die Finanzverwaltung erfährt, als mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (a); ein Verstoß der Vorschrift gegen Art. 2 Abs. 1 oder Art. 14 GG ist schon nicht hinreichend substantiiert dargetan (b).
a) § 20 Abs. 1 ErbStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil er eine Schenkungsteuerpflicht des Schenkers neben der des Beschenkten begründet.
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 122, 210 ≪230≫; stRspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfGE 116, 164 ≪180≫; 122, 210 ≪230≫). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 ≪30≫; 122, 1 ≪23≫; 126, 400 ≪416≫ m.w.N.). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪220≫; Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 –, juris Rn. 77 f.).
Bei der Belastung mit einer Steuerschuld hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 117, 1 ≪30≫; 122, 210 ≪230≫). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 116, 164 ≪180≫; 117, 1 ≪30≫; 122, 210 ≪230 f.≫). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (vgl. BVerfGE 116, 164 ≪180≫; 122, 210 ≪231≫). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (BVerfGE 116, 164 ≪180 f.≫; 117, 1 ≪31≫; 123, 1 ≪19≫; 127, 224 ≪245≫).
bb) Daran gemessen liegt in der Heranziehung des Schenkers zur Haftung für die Schenkungsteuer kein Gleichheitsverstoß.
(1) Allerdings fehlte es für die Inanspruchnahme des Schenkers zur Schenkungsteuer an dem Belastungsgrund, der die Steuerpflicht des Beschenkten rechtfertigt.
Die Schenkungsteuer besteuert ebenso wie die Erbschaftsteuer, deren Grundsätzen sie folgt, nicht die Schenkung als solche, sondern die beim jeweiligen Beschenkten mit der Schenkung eintretende Bereicherung (ebenso für die Erbschaftsteuer vgl. BVerfGE 93, 165 ≪167≫; 117, 1 ≪33≫). Der Gesetzgeber verfolgt mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer in ihrer derzeitigen Ausgestaltung das Ziel, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs nach seinem jeweiligen Wert zu erfassen und die daraus resultierende Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (die durch Erbfall oder Schenkung vermittelte Bereicherung) des Erwerbers zu besteuern (§ 10 Abs. 1 ErbStG – BVerfGE 117, 1 ≪33≫).
Eine Bereicherung oder sonstige Steigerung der materiellen Leistungsfähigkeit tritt durch die Schenkung nur beim Beschenkten, nicht aber beim Schenkenden ein. In seiner Person wird der Belastungsgrund der Schenkungsteuer nicht folgerichtig umgesetzt. Dass er bei durch die Schenkung verringerter Leistungsfähigkeit nach § 20 Abs. 1 ErbStG in grundsätzlich gleicher Weise die Schenkungsteuer schuldet wie der durch die Schenkung Bereicherte, lässt sich aus dem Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit nicht ableiten (vgl. dazu Jochum, in: Wilms/Jochum/Götz, Kommentar zum ErbStG, Stand Dezember 2011, § 20 Rn. 11, 46).
(2) Die Heranziehung des Schenkers nach § 20 Abs. 1 ErbStG zur Haftung für die Steuerpflicht des Beschenkten ist jedoch – jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden – mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Denn das Gesetz auferlegt ihm – in der der Auslegung durch die Finanzgerichte – nicht gleichrangig neben dem Beschenkten eine Steuerschuld wegen seiner Leistungsfähigkeit, sondern lässt ihn für die Steuerschuld des Beschenkten haften.
(a) Ein solches Verständnis des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als Haftungsnorm des Schenkers erschließt sich zwar nicht ohne weiteres aus Wortlaut und systematischer Stellung der Norm. Die begriffliche Trennung zwischen Steueranspruch und Steuerhaftung in § 33 AO und der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG deuten im Gegenteil eher auf einen Steueranspruch hin. Wegen des identischen Belastungseffekts von Steueranspruch und Steuerhaftung trägt § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG jedoch auch eine Auslegung als Haftungsnorm zu Lasten des Schenkers. Seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. November 1961 (II 282/58 U – BFHE 75, 151) entspricht es gefestigter finanzgerichtlicher Rechtsprechung, dass die Finanzbehörde mit Rücksicht auf die Natur der Schenkungsteuer als Bereicherungssteuer, die in erster Linie den Beschenkten zum Steuerschuldner macht, sich bei Anforderung der Steuer grundsätzlich auch an ihn zu halten hat (BFH, a.a.O., ≪juris Rn. 14≫ noch zu der Vorgängervorschrift des § 15 Abs. 1 ErbStG 1951; ebenso BFH, Urteil vom 1. Juli 2008 – II R 2/07 –, BFHE 222, 68 und FG Köln, Urteil vom 10. März 2010 – 9 K 1550/09 –, EFG 2010, S. 1434). Die steuerliche Haftung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist danach nachrangig zur Steuerschuld des Beschenkten, so dass die Finanzbehörde sich mit Rücksicht auf die Natur der Schenkungsteuer als Bereicherungssteuer in erster Linie an den Beschenkten als Steuerschuldner halten muss. Dies hat das Finanzamt bei seiner Ermessensentscheidung darüber, gegen welchen der Gesamtschuldner die Schenkungsteuer festgesetzt wird, zu berücksichtigen und, soweit es zum Verständnis des Steuerbescheids erforderlich ist, zu begründen (§§ 5, 121 Abs. 1 AO). Von diesem Grundsatz darf die Finanzbehörde nur in begründeten Ausnahmefällen abweichen, etwa wenn der Schenker im Verhältnis zum Beschenkten die Entrichtung der geschuldeten Steuer selbst übernommen hat und dies dem Finanzamt bei Erlass des Steuerbescheides bekannt ist (BFH, Urteil vom 1. Juli 2008 – II R 2/07 –, BFHE 222, 68 ≪juris Rn. 10≫; vgl. ferner Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 39. Aufl. 2010, Rn. 26), oder wenn die Inanspruchnahme des Beschenkten erfolglos geblieben ist oder als nicht zweckmäßig erscheint (vgl. FG Köln, Urteil vom 10. März 2010 – 9 K 1550/09 –, EFG 2010, S. 1434 ≪juris Rn. 58≫). Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn es wegen Zahlungsschwierigkeiten des Beschenkten nicht möglich oder wegen seines Wegzugs ins Ausland schwierig ist, bei ihm die Steuer beizutreiben (Kien-Hümbert, in: Moench/Weinmann, ErbStG, § 20 Rn. 7 ≪Juli 2009≫, vgl. FG Köln, Urteil vom 8. Mai 2001 – 9 K 4175/99 –, EFG 2001, S. 1154).
Das steuerrechtliche Schrifttum (Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 20 Rn. 4 ≪November 2011≫; Meincke, ErbStG, 15. Aufl. 2009, § 20 Rn. 6; Raßfeld-Wilske, in: Rödl/Preißer u.a., ErbStG, 2009, § 20, Kap. 2.2, S. 1007; Richter, in: Viskorf/Knobel/Schuck, ErbStG, 3. Aufl. 2009, § 20 Rn. 6 f.) und die finanzbehördliche Praxis teilen diese Sichtweise der Rechtsprechung vom Haftungscharakter der Geldleistungspflicht des Schenkers. Sie erweist sich, worauf das Finanzgericht Köln unter Hinweis auf die Formulierung „auch der Schenker” zumindest vertretbar abstellt, als vereinbar mit dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung durch das Bundesverfassungsgericht hat von diesem Verständnis des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als materielle Haftungsnorm auszugehen. Können verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen die weite Interpretation einer Vorschrift bestehen, durch eine einengende Auslegung des Gesetzes, über die zudem weitgehende Übereinstimmung in Rechtsprechung und Literatur besteht, behoben werden, hat das Bundesverfassungsgericht diese seiner Prüfung zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 26, 41 ≪43≫; 87, 209 ≪226 f.≫; 92, 1 ≪18≫; 126, 170 ≪196 f.≫).
(b) Eine steuerliche (sekundäre) Haftung des Schenkers für die Steuerschuld des Beschenkten bedarf wegen des darin enthaltenen hoheitlichen, belastenden Eingriffs allerdings ebenfalls einer sachlichen Legitimation nach Art. 3 Abs. 1 GG. Sie kann, wie oben ausgeführt, nicht in der Leistungsfähigkeit des Schenkers liegen, sondern muss sich auf andere Sachgründe stützen.
Haftungsvorschriften oder sonstige Besteuerungsregelungen, die gemäß § 33 Abs. 1 AO eine Steuerpflicht begründen, ohne dass der Betroffene selbst den eigentlichen Besteuerungsgrund erfüllt, sind im allgemeinen und besonderen Steuerrecht nicht unüblich (vgl. zum Beispiel §§ 69 ff. AO, §§ 38 ff., 42d EStG, §§ 43 ff., 44 Abs. 5 EStG, §§ 48 ff. EStG, § 50a EStG; § 13 GrEStG; § 11 GrStG; § 13b f. UStG). Hinter ihnen steht das berechtigte Interesse des Staates an einer wirkungsvollen, praktikablen und möglichst effizienten Durchsetzung des Steueranspruchs. Dieses im Grundsatz legitime Anliegen verlangt allerdings zum einen eine Entscheidung des Gesetzgebers darüber, wer an Stelle des eigentlichen Steuerschuldners haften soll. Zum anderen darf auch der Gesetzgeber die Haftung eines Dritten für eine nicht eigentlich ihn treffende Steuerschuld nur anordnen, wenn ein hinreichender Sachgrund für das Einstehenmüssen des Dritten für eine fremde Steuerschuld vorliegt. Derartige Sachgründe können zum Beispiel in der Tatsache liegen, dass der Schenker im Verhältnis zum Beschenkten die Entrichtung der geschuldeten Steuer selbst vertraglich übernommen hat (BFH, Urteil vom 1. Juli 2008 – 2 R 2/07; BFHE 222, 68; vgl. ferner Gebel, in: Troll/Gebel/Jülich, Erbschaftsteuergesetz, 39. Aufl., 2010, Rn. 26) oder wenn Haftender und Steuerpflichtiger kollusiv zur Steuerumgehung zusammenwirken. Jedenfalls unter diesen Voraussetzungen ist das Verständnis von § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als Haftungsnorm verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
(3) Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die Heranziehung des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführer zur Schenkungsteuer im konkreten Fall und die Bestätigung dieser Steuerfestsetzung durch die Finanzgerichte nicht Art. 3 Abs. 1 GG.
Es kann dahin stehen, ob – was zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens in Streit steht – der zwischenzeitlich verstorbene Schenker tatsächlich in einer Zusatzvereinbarung zum maßgeblichen „Nießbrauch-, Schenkungs- und Rentenvertrag” die Schenkungsteuer vertraglich übernommen hat und ob seine Heranziehung zur Schenkungsteuer dann nicht schon allein deshalb als verfassungsgemäß zu beurteilen wäre. Zudem konnte die Schenkungsteuer beim Beschenkten ersichtlich nicht beigetrieben werden. Insoweit führen die Beschwerdeführer selbst aus, dass keine realistische Aussicht bestehe, dass der Beschenkte zukünftig seitens des Fiskus oder der Beschwerdeführer in irgendeiner Form erfolgreich in Anspruch genommen werden könne. Beitreibungsmaßnahmen werden auch von den Beschwerdeführern ausdrücklich als nicht erfolgversprechend eingestuft.
§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG begründet im vorliegenden Fall jedenfalls wegen des kollusiven Verhaltens des Schenkers mit dem Beschenkten eine Steuerpflicht des Schenkers . Vor diesem Hintergrund mangelt es nicht an einem sachlichen Grund, die Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger des Schenkers für die Schenkungsteuer in Anspruch zu nehmen, zumal sie – falls auf den Beschenkten zu einem späteren Zeitpunkt Zugriff genommen werden können sollte – vorbehaltlich einer etwaigen Verjährung einen Ausgleichsanspruch aus der gesamtschuldnerischen Haftung haben und somit bei dem Beschenkten Rückgriff nehmen könnten.
b) Soweit die Beschwerdeführer einen Verstoß der angegriffenen Vorschrift gegen Art. 14 Abs. 1 GG und gegen Art. 2 Abs. 1 GG rügen, genügt ihr Vortrag nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung und Substantiierung nach den § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.
2. Die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts als solche verletzt ebenfalls weder die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG), noch das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG und ebenso wenig die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG.
Die Feststellung des Sachverhalts sowie die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Methode sind Sache der Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht nicht umfassend auf ihre Richtigkeit zu untersuchen. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Kontrolle auf die Prüfung, ob das Fachgericht bei der Rechtsfindung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert und von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfGE 82, 6 ≪13≫; 96, 375 ≪394 f.≫; 111, 54 ≪81 f.≫; 122, 248 ≪257 f.≫).
Diese verfassungsrechtlichen Grenzen sind hier gewahrt. Die Einwendungen der Beschwerdeführer, die sie insoweit im Wesentlichen gegen die vom Finanzgericht vorgenommene Tatsachenwürdigung in Bezug auf die Vereinbarung zwischen Erblasser und Beschenktem aus dem Jahre 1992 und gegen die Auslegung und Anwendung des Steuerrechts und finanzgerichtlichen Verfahrensrechts richten, lassen keinen Verfassungsverstoß erkennen.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Haufe-Index 3550466 |
BFH/NV 2013, 492 |
HFR 2013, 258 |
NJW 2013, 1357 |
UVR 2013, 76 |
FamRZ 2013, 532 |
ZEV 2013, 99 |
ErbBstg 2013, 90 |