Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Wertpapierhandel. Besteuerung von Einkünften aus Optionsgeschäften. Trennung von Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft
Leitsatz (redaktionell)
1. Für Wertpapierhandelsunternehmen ist ein Tätigwerden „für andere”, vor allem ein Tätigwerden „für fremde Rechnung” kennzeichnend. Umgekehrt deutet ein Tätigwerden ausschließlich für eigene Rechnung darauf hin, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird.
2. Optionsgeschäfte sind im Regelfall „privater” Natur und nur nach Maßgabe der §§ 22 Nr. 3, 23 EStG steuerbar.
3. Einkünfte aus der Glattstellung erworbener Optionsrechte sind im streitigen Zeitraum bis 2006 als private Veräußerungsgeschäfte i. S. d. § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar.
4. Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft bilden keine Einheit, die sich lediglich auf Differenzausgleich richtet. Vielmehr ist zwischen Optionsvertrag und Übertragungsgeschäft, also zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft, rechtlich zu unterscheiden, da der Steuerpflichtige mit jedem Teilschritt einen eigenständigen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, insbesondere die Option verfallen lassen kann (sog. Trennungstheorie).
Normenkette
EStG § 22 Nr. 3, § 23 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2, 4, Abs. 3, § 15 Abs. 2 S. 1; EStG 1990 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die einkommensteuerliche Einordnung der Einkünfte des Klägers aus dem Ankauf und der Veräußerung von Wertpapieren in den Jahren 1995 bis 2006.
Die Kläger wurden vom Beklagten als Ehegatten in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach ihren Einkommensteuererklärungen 1995 (Abgabe 1997) sowie 1996 und 1997 (Abgabe jeweils im Jahr 1998) erzielten sie im Wesentlichen Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Beklagte bei seinen ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzungen vom 19. März 1997 (1995), 30. März 1998 (1996) und vom 23. März 1999 (1997) weitestgehend übernahm (1996: 126.318,– DM Einkünfte aus Kapitalvermögen; 1997: 91.181,– DM Einkünfte aus Kapitalvermögen). Außerdem bezog der 1943 geborene Kläger ab 1. Januar 1999 eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von anfänglich 26.186,04 DM pro Jahr sowie ab dem 1. Juni 2000 zusätzlich eine Rente aus einer privaten Versicherung.
Der Kläger unterhielt mindestens ab dem Jahr 1995 ein Wertpapierdepot bei der C. AG und in der Folgezeit auch ein Depot bei der Bank D. in E.. Über seine Konten wickelte der Kläger Optionsgeschäfte mit Derivaten ab, bei denen er als Optionsgeber (Stillhalter) von Verkaufsoptionen (sog. Put-Optionen) auf den DAX fungierte. Für die Übernahme der Stillhalterfunktion erhielt der Kläger Prämien. Die Schließung (sog. Closing) dieser Optionen erfolgte durch betrags- und laufzeitkongruente Gegengeschäfte (Glattstellungen), für welche der Kläger seinerseits Prämien entrichten musste.
In der Anlage zum Einkommensteuerbescheid 1997 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass Spekulationsgewinne nicht erklärt worden seien und bat insoweit um eine Stellungnahme sowie um die Vorlage von Depotauszügen. Mit Schreiben vom 10. Juli 1999 teilte der Kläger mit, dass er in der Vergangenheit vergessen habe, sämtliche Zinserträge anzugeben und demnächst Depotaufstellungen einreichen werde. Hierbei handele es sich um Einnahmen, die bei einer in der Schweiz (E.) belegenen Filiale der C. AG erzielt worden seien. Der Beklagte änderte nach Eingang der entsprechenden Ertragsaufstellungen (31. August 1999) daraufhin am 14. September 1999 die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1997 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung – AO – und setzte nunmehr Einkünfte aus Kapitalvermögen von 273.433,– DM (1995), 253.801,– DM (1996) und 233.546,– DM (1997) an.
Der Beklagte berücksichtigte in dem gemäß § 164 AO ergangenen Einkommensteuerbescheid 1998 vom 18. August 2000 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 224.438,DM (Eingang der Einkommensteuererklärung beim Beklagten am 9. März 2000). Am 18. Juni 2001 erließ er eine Prüfungsanordnung betreffend Einkommensteuer 1999 (Eingang der Einkommensteuererklärung beim Beklagten am 16. Januar 2001), die er zunächst nur hinsichtlich der Einkommensteuer 1998 am 20. Juli 2001 erweiterte. Mit Verfügung vom 6. Mai 2002 erweiterte der Beklagte erneut die Prüfungsanordnung und zwar hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 bis 1997.
Im Rahmen der abgekürzten Außenprüfung ermittelte die Prüferin folgende Einkünfte des Klägers aus Wertpapiergeschäften, die der Beklagte im Rahmen eines erstmaligen Einkommensteuerbescheids für 1999 vom 4. Juli 2003 sowie in jeweils auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheiden vom 4. bzw. vom 14. Juli 2003 betr. Einkommensteuer 1995 bis 1998 der Besteueru...