Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorschriftswidriges Verbringen von Zigaretten. Ort und Zeitpunkt des Verbringens. Erlöschen der Zollschuld bei Beschlagnahme. Zollrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ermessensgerecht, die arbeitsteilig und gleichgewichtig am vorschriftswidrigen Verbringen von Zigaretten in das Zollgebiet beteiligten Personen durch Steuerbescheid als Gesamtschuldner für die entstandenen Einfuhrabgaben in Anspruch zu nehmen.

2. Der Begriff des „Verbringens” beschränkt sich auf den unmittelbaren Bereich des Grenzübertritts mit anschließender Beförderung zur ersten zuständigen Zollstelle. Werden die Zigaretten erst nach Verlassen dieses Bereichs, nämlich erst während des Entladens innerhalb des Zollgebiets und damit erst nach Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens durch Beamte der Zollfahndung beschlagnahmt und eingezogen, kann die Zollschuld mit der Einziehung der Ware nicht mehr nach Art. 233 Buchst. d des Zollkodex erlöschen.

 

Normenkette

ZK Art. 202 Abs. 3, Art. 213, 233 Buchst.d; EWGV 2913/92 Art. 202 Abs. 3, Art. 213, 233 Buchst.d; AO 1977 § 5; TabStG § 21; UStG 1999 § 21 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.03.2006; Aktenzeichen VII R 23/04)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Mit rechtskräftigem Urteil vom 22.02.2000 verurteilte das Amtsgericht L… den Kläger wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Das Amtsgericht stellte unter anderem fest:

„…Am 27.09.1999 reiste der Angeklagte als Fahrer der Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen P.. 3… mit dem Auflieger mit dem amtlichen Kennzeichen J.. 9… über den Grenzübergang O… von Polen kommend in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Er führte hinter einer Tarnladung von Sägespänen 4.000.000 Stück Zigaretten der Marke „West” mit sich, die er nicht zur Einfuhr anmeldete.

Nach dem Überschreiten der Grenze begab sich der Angeklagte mit seinem LKW-Zug zu der Lagerhalle des gesondert Verfolgten E… in N…. Dort erfolgte der Zugriff durch das Zollfahndungsamt M…, als die Entladung des LKW im Gange war.

Der Angeklagte übernahm den LKW mit Auflieger in Polen und führte die Fahrt im Auftrag seines Arbeitgebers, des Zeugen Slawomir B… durch. Bei der Übernahme des LKW rechnete er damit, dass sich in diesem versteckt eine größere Anzahl von Zigaretten befindet, von denen die deutschen Zollbehörden keine Kenntnis haben. Dies nahm er billigend in Kauf. Die Lagerhalle des gesondert Verfolgten E… steuerte er aufgrund einer telefonischen Anweisung an. Die dort anwesenden gesondert Verfolgten E… und D… kannte er nicht. Beim Entladen des LKW beteiligte er sich nicht.

Eine über seinen vertraglichen Arbeitslohn hinausgehende Entlohnung sollte der Angeklagte für die Fahrt nicht erhalten.

Hinsichtlich der 4.000.000 Stück Zigaretten wurden Eingangsabgaben in Höhe von 967.600,00 DM (201.600,00 DM Zoll, 588.400,00 DM Tabaksteuer, 177.600,00 DM Einfuhrumsatzsteuer) verkürzt. Der Angeklagte rechnete damit, dass ein Abgabenschaden in dieser Größenordnung eintreten könnte und entschloss sich dennoch, die Fahrt durchzuführen.

III.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der glaubhaften geständigen Einlassung des Angeklagten sowie aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, deren Umfang sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt.

Der Angeklagte hat die Tat so eingeräumt, wie sie oben geschildert wurde. Das Gericht hat keinen Anlass, an den Angaben des Angeklagten zu zweifeln. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Angeklagte sich der ihm vorgeworfenen Tat bezichtigen sollte, wenn er sie nicht tatsächlich begangen hätte…”

Nach dem Zolldokument des LKWs (T 1 des Zollamts O…) handelte es sich bei der angemeldeten Ware um 30 Paletten Sägespäne für die Tierzucht, Empfänger war die Fa. X… BV in NL-4… WR P…, als Bestimmungszollstelle für das Versandverfahren war Q…, NL, angegeben. Der LKW war beim Zollamt O… mit Raumverschluss versehen worden.

Nach den Fahrtenschreiberdiagrammen wurde der LKW wie folgt bewegt:

1.

Scheibe:

26.09., 21.30 Uhr – 27.09., 2.15 Uhr

Fahrt

2.

Scheibe:

27.09.,

03.15 Uhr – 04.15 Uhr

Fahrt

04.15 Uhr – 07.45 Uhr

Ruhe

07.45 Uhr – 08.20 Uhr

Fahrt

08.20 Uhr – 15.45 Uhr

Ruhe

15.45 Uhr – 16.30 Uhr

Fahrt

Bei einer späteren Prüfung durch die Zollfahndung stellte sich heraus, dass das Kühlaggregat einwandfrei funktionierte.

Die Zigaretten wurden im weiteren Verlauf des Strafverfahrens eingezogen.

Der Beklagte erließ am 04.10.1999 einen Steuerbescheid an den Kläger, mit dem er diesen für Einfuhrabgaben für die aufgefundenen 4.000.000 Stck. Zigaretten von insgesamt 967.600,00 DM (Zoll 201.600,00 DM; Tabaksteuer 588.400,00 DM; Einfuhrumsatzsteuer 177.600,00 DM) als Gesamtschuldner neben E… und D… in Anspruch nahm. Der Kläger erhob am 17.10.1999 Einspruch. Zur Begründung führte er an, dass er von den Zigaretten keine Kenntnis gehabt habe. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchs...

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