Entscheidungsstichwort (Thema)
Progressionsvorbehalt bei Wegzug aus Deutschland; Kinderfreibetrag bei Wechsel zur beschränkten Steuerpflicht
Leitsatz (redaktionell)
- Einkünfte eines japanischen Staatsangehörigen, die er nach Beendigung seines Aufenthalts im Inland im gleichen Veranlagungszeitraum im Heimatland erzielt, unterliegen auch dann dem Progressionsvorbehalt, wenn nach Wegfall seiner unbeschränkten Steuerpflicht keine im Inland zu besteuernden Einkünfte mehr anfallen.
- Die innerstaatliche Regelung des Progressionsvorbehalts ist unabhängig davon anzuwenden, ob das DBA-Japan der Bundesrepublik Deutschland als Ansässigkeitsstaat ein solches Besteuerungsrecht ausdrücklich einräumt.
- Die Anwendung des Progressionsvorbehalts bei zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht unterliegt keinen verfassungs- oder völkerrechtlichen Bedenken und verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot des DBA-Japan.
- Im Falle der nur zeitweise unbeschränkten Steuerpflicht während eines Kalenderjahres ist der Kinderfreibetrag nicht nur zeitanteilig, sondern ganzjährig zu berücksichtigen. Dies gilt auch beim Wechsel zur beschränkten Steuerpflicht.
- Für die Günstigerprüfung sind Kinderfreibeträge nach ausländischem Recht ohne Bedeutung, da sie keine dem Kindergeld vergleichbare Leistung darstellen.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 7 S. 3, § 31 S. 6, § 32 Abs. 4 S. 6, Abs. 6 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nrn. 2-3, § 50 Abs. 1 S. 4, Abs. 5 S. 4 Nr. 2; DBA JPN Art. 15, 23 Abs. 1a S. 2, Art. 24 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; EGV Art. 39
Streitjahr(e)
1999
Tatbestand
Die verheirateten Kläger sind beide japanische Staatsangehörige und wurden durch den Beklagten für das Streitjahr (1999) zusammenveranlagt.
Der Kläger hatte im Januar 1996 seine nichtselbständige Tätigkeit bei der deutschen Tochterfirma eines japanischen Unternehmens aufgenommen und wurde dabei aufgrund einer Nettolohnvereinbarung tätig. Sein Bruttoarbeitslohn im Inland betrug laut Lohnsteuerbescheinigungen für die Zeit vom 01.01.1999 bis zum 09.07.1999 212.885,67 DM und für die Zeit danach 1.807,40 DM. Zum 10.07.1999 verzogen die Kläger zusammen mit ihrer am 23.01.1998 geborenen Tochter wieder nach Japan.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1999 gaben die Kläger an, die ausländischen Einkünfte (aus nichtselbständiger Tätigkeit in Japan für ein dortiges Unternehmen) nach dem Umzug hätten 72.143 DM betragen. Sie widersprachen aber der Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - auf diese ausländischen Einkünfte.
Ferner machten sie Umzugskostenpauschalen in Höhe von 7.704,20 DM sowie einen Verlustrücktrag aus 2000 wegen negativer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus der Auszahlung des Erstattungsbetrags an die deutsche Arbeitgeberin geltend.
Der Beklagte setzte die ausländischen Einkünfte zwar nicht bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, wohl aber bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG an. Als Werbungskosten berücksichtigte der Beklagte nur den Arbeitnehmerpauschbetrag. Die Umzugskosten seien keine Werbungskosten, weil es sich um einen Rückumzug in die Familienwohnung nach Beendigung der doppelten Haushaltsführung handele und ein entsprechender Werbungskostenabzug nur für die ersten zwei Jahre nach Beginn der doppelten Haushaltsführung vom Gesetz zugelassen werde. Den Verlustrücktrag berücksichtigte der Beklagte zuerst nicht in voller Höhe, sondern erst später durch einen Änderungsbescheid im Einspruchsverfahren. Der Kinderfreibetrag wurde nur zeitanteilig gewährt und das erhaltene deutsche Kindergeld in Höhe von 1.500 DM nach §§ 31 Satz 5, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG steuererhöhend berücksichtigt.
Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 13.11.2000 rügten die Kläger neben der Nichtgewährung des vollen Verlustrücktrags vornehmlich die Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG. Sie machten geltend, die wortlautgetreue Anwendung der Vorschrift verstoße gegen den Methodenartikel des Doppelbesteuerungsabkommens, weil dieser nur einen Progressionsvorbehalt für den Ansässigkeitsstaat vorsehe. Vor dem Zuzug in das Inland sei aber das Kaiserreich Japan der Ansässigkeitsstaat gewesen. Zudem verstoße die Vorschrift gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes; ohne rechtfertigenden Grund würden nämlich die Steuerpflichtigen in den Fällen des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG schlechter behandelt als ganzjährig unbeschränkt Steuerpflichtige mit Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat eines Abkommens. Bei diesen scheide die Anwendung des Progressionsvorbehalts aus; denn § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG knüpfe an den Progressionsvorbehalt des Abkommens an, der aber nur für den Ansässigkeitsstaat, nicht aber für den Quellenstaat vorgesehen sei.
Der Beklagte ließ das Rechtsbehelfsverfahren zuerst wunschgemäß ruhen, half allerdings durch Bescheid vom 18.12.2000 hinsichtlich des Verlustrücktrags ab. Nach dem Ergehen der Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Dezember 2001 (I R 63/00, Sammlung amtlich nicht veröffentli...