Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträglicher Aufstockungsbetrag auf ausgezahlte Sozialplanabfindung nicht tarifbegünstigt i.S.d. § 34 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine im Aufhebungsvertrag festgelegte und sodann ausgezahlte Sozialplanabfindung und der aufgrund einer Besserungsklausel dieses Aufhebungsvertrages im Folgejahr nach Maßgabe des nächstgültigen Sozialplans gezahlte Aufstockungsbetrag bilden eine einheitliche Entschädigung, die mangels Zusammenballung der Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum nicht tarifbegünstigt ist.
2. Die Auszahlung des Aufstockungsbetrages im Folgejahr stellt ein sachverhaltsänderndes rückwirkendes Ereignis dar, aufgrund dessen die Finanzbehörde zur Änderung der Steuerfestsetzung für das Vorjahr befugt ist.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1993
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind für das Streitjahr (1993) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war langjähriger Mitarbeiter der Firma „A” GmbH B-Stadt. Im Zusammenhang mit der Aufgabe des Produktionsstandortes B-Stadt schloss der Kläger mit der Firma „A” einen Aufhebungsvertrag vom 26. Mai 1993, dem der Sozialplan vom 18. März 1993 zu Grunde lag. Danach erhielt der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis zum 30. September 1993 endete, mit der Endabrechnung für den Monat des Ausscheidens in 1993 eine Abfindung in Höhe von 54.052,00 DM. Im Aufhebungsvertrag war weiterhin vereinbart, der Abfindungsbetrag solle neu berechnet werden, wenn der nächstgültige Sozialplan hinsichtlich der Abfindungssumme eine finanzielle Besserstellung beinhalten sollte. Der Aufhebungsvertrag lag dem Beklagten (dem Finanzamt - FA -) vor.
Am 20. Juli 1994 wurde ein weiterer Sozialplan aufgestellt, der eine höhere Abfindung zur Folge hatte. Der Kläger erhielt in 1994 weitere 22.862,51 DM. Dieser Betrag wurde in Bescheiden für 1994 nicht nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG, sondern, zuletzt im Bescheid vom 4. September 1998, vermindert um den Arbeitnehmerpauschbetrag als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt versteuert.
Die 1993 gezahlte Abfindung war im Bescheid für 1993 vom 11. Mai 1994 als außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 1 und 2 EStG behandelt worden. Im Bescheid vom 4. September 1998 wurde die bislang ermäßigt besteuerte Abfindung dem vollen Steuersatz unterworfen, da eine Zusammenballung der Einkünfte wegen der in 1994 gezahlten Entschädigung nicht vorliege.
Den hiergegen gerichteten Einspruch der Kläger wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2000 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 EStG seien nur dann gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Zeitraum zu erfassen seien und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entständen. Im vorliegenden Fall sei die Abfindung in 1993 und 1994 ausgezahlt worden. Eine verfahrensrechtliche Möglichkeit, den Bescheid zu ändern, eröffne zwar nicht, wie im Bescheid ausgeführt, § 173 Abs. 1 S: 1 AO, aber § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Zahlung in 1994 sei ein nachträgliches Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit.
Die Kläger haben am 22.1.2001 Klage erhoben.,
Sie tragen vor, das FA sei zu einer Änderung des Bescheides nicht berechtigt gewesen. Zutreffend gehe es nunmehr davon aus, dass eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht in Betracht gekommen sei. Die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, auf den das FA nunmehr die Änderung stütze, lägen nicht vor. Ereignis im Sinne dieser Vorschrift sei der bereits im Jahre 1993 abgeschlossene Vertrag. In ihm seien bereits die Modalitäten über eine Änderung der Abfindung festgelegt, falls der der Vereinbarung zu Grunde liegende Sozialplan geändert werden würde. Dass es in 1994 zu einer Änderung des Sozialplanes und zu einer weiteren Zahlung gekommen sei, sei Auswirkung des Vertrages, der wie gewollt durchgeführt worden sei. Die Abfindung stelle auch kein Ereignis im Sinne von § 174 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, sie sei 1994 bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt worden.
Schließlich sei die Veranlagung für 1993 erklärungsgemäß durchgeführt worden. Obwohl Unsicherheit über die tatsächliche Höhe der Abfindung bestanden habe, habe das FA den Bescheid nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt.
Die Kläger beantragen, den Einkommmensteuerbescheid für 1993 vom 4. August 1998 und die Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2000 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es trägt vor, die begehrte Begünstigung gem. § 34 Abs. 1 und 2 EStG könne nicht gewährt werden, da wegen der Zahlung in 1994 keine Zusammenballung der Einnahmen in 1993 vorliege.
Es sei nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO berechtigt gewesen, den Bescheid zu ändern. Nicht der Abfindungsvertrag, sondern erst der zweite Sozialplan und die damit im Zusammenhang stehende zweit...