Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkendes Ereignis bei Erstattung von Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Voraussetzungen für ein rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz1 Nr. 2 AO sind, dass gezahlte Kirchensteuer zurückerstattet wurde und eine Verrechenbarkeit der Erstattung im Zahlungsjahr nicht möglich ist. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Die zweite Voraussetzung ist erst erfüllt, wenn der Einkommensteuerbescheid des Folgejahres erlassen wurde.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte gem. § 175 AO am 03.01.2005 den Einkommensteuerbescheid 1999 ändern durfte oder ob bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war. Insbesondere ist streitig, ob das fristauslösende Ereignis bereits durch die Erstattung der gezahlten Kirchensteuer eingetreten ist.
Die Kläger gaben am 28.04.2000 die Einkommensteuererklärung 1999 ab. Insbesondere erklärten sie eine in 1999 gezahlte Kirchensteuer von 2.455 DM. Bezüglich der erklärten Kirchensteuer erging erklärungsgemäß am 11.07.2000 der Einkommensteuerbescheid 1999. Es ergab sich eine zu erstattende und tatsächlich ausgekehrte Kirchensteuer von 968,63 DM. Auf Grund eines Einspruchs wurde der Einkommensteuerbescheid 1999 durch den Bescheid vom 01.08.2001 geändert. Danach ergab sich eine zusätzliche Kirchensteuererstattung in Höhe von 89,04 DM.
In der am 03.01.2002 abgegebenen Einkommensteuererklärung 2000 erklärten die Kläger eine in 2000 gezahlte Kirchensteuer von 75 DM und eine erstattete Kirchensteuer in Höhe von 968 DM. In dem Einkommensteuerbescheid 2000 vom 20.06.2002, nach dem sich ein Erstattungsüberhang ergab, wurde die Kirchensteuer erklärungsgemäß festgesetzt und eine Kirchensteuer von insgesamt 0,00 DM berücksichtigt.
Durch den Bescheid vom 03.01.2005 wurde der Einkommensteuerbescheid 1999 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dahingehend geändert, dass eine in 1999 erstattete Kirchensteuer in Höhe von 893 DM berücksichtigt (Differenz von 968 DM abzüglich 75 DM) wurde.
In den Erläuterungen des Bescheides ist folgender Hinweis enthalten:
"Die im Kalenderjahr 2000 erstattete Kirchensteuer überstieg die Höhe der gezahlten Kirchensteuer um 893,- DM, daher wurde der Sonderausgabenabzug der Jahre der Verausgabung (1999) insoweit um die nachträgliche Erstattung gemindert. Siehe BMF-Schreiben vom 11.07.2002 Az IV C 4 - S-2221 - 191/02: Sonderausgaben im Sinne des § 10 EStG dürfen nur dann bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist. Werden gezahlte Sonderausgaben in einem späteren Veranlagungszeitraum an den Steuerpflichtigen erstattet, ist der Erstattungsbetrag aus Gründen der Praktikabilität im Erstattungsjahr mit gleichartigen Sonderausgaben zu verrechnen mit der Folge, dass die abziehbaren Sonderausgaben des Erstattungsjahres entsprechend gemindert werden (BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 - BStBl II S. 646). Ist im Jahr der Erstattung der Sonderausgaben an den Steuerpflichtigen ein Ausgleich mit gleichartigen Aufwendungen nicht oder nicht in voller Höhe möglich, so ist der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung insoweit um die nachträgliche Erstattung zu mindern, ein bereits bestandskräftiger Bescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern."
Hiergegen richtet sich der Einspruch der Kläger vom 19.01.2005. Die Festsetzungsverjährung sei gem. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO bereits mit Ablauf des 31.12.2004 eingetreten. Das rückwirkende Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 2 AO sei mit der Erstattung der nicht verrechnungsfähigen Kirchensteuer in 2000 eingetreten.
Durch Einspruchsentscheidung vom 24.05.2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass zum Zeitpunkt der Erstattung noch nicht festgestanden habe, ob eine Kompensation der Kirchensteuer im Jahr 2000 möglich sei. Das habe erst im Zeitpunkt der Veranlagung im Jahr 2002 festgestanden. Die Feststellung der Nichtverrechenbarkeit sei das den Lauf der Frist auslösende Ereignis.
Hiergegen richtet sich die am 22.06.2005 eingegangene Klage. Es komme nicht auf die Kenntnis des Finanzamts an, sondern das Ereignis im Sinne des § 175 AO sei die Erstattung. Diesbezüglich verweisen die Kläger auf das Urteil des BFH vom 07.07.2004 (XI R 10/04) und eine Verfügung der OFD Karlsruhe vom 26.03.2003. Auch aus der Verfügung der OFD Frankfurt vom 12.01.1998 (S 0353 A - 4 - St II 40) ergebe sich eindeutig, dass es nicht darauf ankomme, wann das Ereignis dem Finanzamt bekannt werde. Nur sachverhaltsändernde Geschehnisse könnten "Ereignisse" im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO sein. Dazu würden rechtlich relevante Vorgänge, wie z.B. Tatsachen des Lebenssachverhalts oder Rechtsgeschäfte, jedoch nicht deren rechtliche Beurteilung oder deren Kenntnisnahme zählen.
Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 03.1.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.05.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage ...