Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrags
Leitsatz (redaktionell)
Die Zustimmung zur Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrags muss nicht zwingend gegenüber dem Finanzamt erklärt werden, sie kann auch gegenüber dem anderen Elternteil formlos erfolgen, beispielsweise im Rahmen eines Unterhaltsstreitverfahrens.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 6 S. 7, Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger in den Streitjahren 1993 bis 1995 ein hälftiger Kinderfreibetrag zusteht oder ob er der Übertragung des ihm zustehenden Kinderfreibetragsanteils auf seine geschiedene Ehefrau wirksam zugestimmt hat.
Nach der Scheidung des Klägers von seiner Ehefrau (E) kam es zu Streitigkeiten über den vom Kläger an E. zu zahlenden Unterhalt. Der Rechtsanwalt des Klägers in diesem Familienrechtsstreit, Dr. Andresen (R.), machte mit Schreiben vom 16. Dezember 1992 geltend, dass sich das Nettoeinkommen des Klägers zwischen 2.300 DM und 2.600 DM bewege. Mit dem Inhalt dieses Schreibens, also vor allem mit der Höhe des danach anzunehmenden Nettoeinkommens des Klägers, war E. offensichtlich nicht einverstanden. Dies ergibt sich aus einem weiteren Schreiben des R. vom 25. Januar 1993. In diesem Schreiben wird auf ein Schreiben des Rechtsanwalts der E. vom 12. Januar 1993 (Vorblatt ESt-Akte) Bezug genommen und ausgeführt, dass die von E. angeforderten Einkommensnachweise zur Zeit nicht vorgelegt werden können. Aus den folgenden Ausführungen des Schreibens ergibt sich, dass die Höhe des vom Kläger für seine Tochter C. zu zahlenden Unterhalts streitig war. Abschließend heißt es: „Da unser Mandant der Diktion ihrer Schreiben entnehmen muss, dass ein normales Klima zwischen den Beteiligten nicht mehr zu schaffen sein wird, verzichtet unser Mandant auf sein Umgangsrecht und auf die Berechtigung des halben Kinderfreibetrages ab Januar 1993.” Bedingungen oder Einschränkungen für den Verzicht auf die Berechtigung des halben Kinderfreibetrags enthielt das Schreiben nicht.
Auch das folgende Schreiben des R. vom 1. Juni 1993 (ESt-Akte 1993) zeigt, dass die Höhe des vom Kläger zu zahlenden Kindesunterhalts nach wie vor streitig war. So hatte der Rechtsanwalt der E. mit Schreiben vom 27. April 1993 offensichtlich geltend gemacht, es müsse von einem höheren Nettoeinkommen des Klägers ausgegangen werden, weil ihm auch ein halber Freibetrag für seine Tochter D. aus zweiter Ehe zur Hälfte zustehe. In diesem Zusammenhang führte R. für den Kläger aus: „Wenn aber von steuerlichen Freibeträgen die Rede ist, kann Ihre Mandantin nicht vergessen, dass unser Mandant zu Gunsten Ihrer Mandantin … auf seinen hälftigen Kinderfreibetrag verzichtet hat.” Auch dieses Schreiben enthielt weder Bedingungen noch Einschränkungen für den Verzicht auf den hälftigen Kinderfreibetrag des Klägers.
Mit Schreiben vom 12. August 1993 (Rechtsbehelfs-Vorgang) übersandte der Rechtsanwalt der E. dem Kläger daraufhin eine vorgefertigte Anlage K mit dem Hinweis, zur Unterzeichnung verpflichtet zu sein, weil er im Schriftsatz vom 25. Januar 1993 auf den ihm zustehenden Kinderfreibetragsanteil ab Januar 1993 verzichtet habe. Der Kläger unterzeichnete die vorgefertigte Anlage K nicht. Mit Schreiben vom 19. August 1993 erhob der Anwalt der E. Unterhaltsklage gegen den Kläger. In der Folgezeit ließ der Kläger durch R. mit Schreiben vom 27. September 1993 erklären, zu einer Unterzeichnung der Anlage K nicht verpflichtet zu sein. Er sei allerdings bereit, die Anlage K zu unterschreiben, wenn zuvor bestätigt werde, dass die Ausführungen des R. im Schreiben vom 16. Dezember 1992 zur Höhe eines Nettoeinkommens akzeptiert würden.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte die E. unter Vorlage der Schreiben des R. vom 28. Januar 1993 und vom 1. Juni 1993 jeweils den vollen Kinderfreibetrag für die Tochter C. geltend. Dieser wurde ihr in unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden zunächst antragsgemäß gewährt. Mit gemäß § 164 Abs. 2 geänderten Bescheiden vom 7. Oktober 1996 erkannte der Beklagte bei E. jedoch nur noch jeweils den halben Kinderfreibetrag an. Zur Begründung führte er aus, die Berichtigung sei erforderlich, weil der Kläger einen halben Kinderfreibetrag in Anspruch genommen habe und die Anlage K nicht vorliege.
Mit ihren Einsprüchen machte E. geltend, eine Anlage K könne nicht vorgelegt werden, weil der Kläger seine Unterschrift von einer Bedingung abhängig gemacht habe, wie sich Schreiben des R. vom 27. September 1993 ergebe. Daher seien bezüglich des Antrags auf Abzug des vollen Kinderfreibetrags lediglich die Schreiben des R. vom 25. Januar und 1. Juni 1993 beigefügt worden. Aus § 32 Abs. 6 EStG ergebe sich kein Formerfordernis für die Zustimmung zur Übertragung des Kinderfreibetrags. Die Vorlage des amtlichen Vordrucks Anlage K stelle somit keine materielle Voraussetzung für den Abzu...