Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG und des Verlustabzugs nach § 10 d Abs. 2 EStG, Aussetzung der Vollziehung in Sachen Einkommensteuer 2000
Leitsatz (amtlich)
Bei … summarischen Prüfung im Aussetzungsverfahren bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG und der damit korrespondierenden Regelung des Verlustabzugs in § 10d Abs. 2 EStG.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 3, § 10d Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2-3
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG und des Verlustabzugs nach § 10 d Abs. 2 EStG.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 13.8.2001 wegen Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerfestsetzung 2000, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Antragstellerin (AStin) beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2000 vom 1.6.2001 in Höhe von 8.954 DM wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit und wegen einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte auszusetzen und die Verwirkung angefallener Säumniszuschläge bis zur gerichtlichen Entscheidung aufzuheben.
Der Antragsgegner (Finanzamt –FA–) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
II.
Der Antrag ist unbegründet.
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des mit dem Einspruch angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2000 (vgl. BFH-Beschluss vom 24.2.2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298). Der Senat hat bei vorläufiger Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG und § 10 d Abs. 2 EStG.
Nach § 2 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 ist die Summe der positiven Einkünfte, soweit sie den Betrag von 100.000 DM übersteigt, durch negative Summen der Einkünfte aus anderen Einkunftsarten nur bis zur Hälfte zu mindern. Die Minderung ist in dem Verhältnis vorzunehmen, in dem die positiven Summen der Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten zur Summe der positiven Einkünfte stehen. Übersteigt die Summe der negativen Einkünfte den nach Satz 3 ausgleichsfähigen Betrag, sind die negativen Summen der Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten in dem Verhältnis zu berücksichtigen, in dem sie zur Summe der negativen Einkünfte stehen.
Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG verstößt entgegen der Auffassung der AStin nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 und Art. 20 GG). Die Leistungsfähigkeit zur Steuerzahlung setzt erst nach Berücksichtigung des erwerbs- und existenzsichernden Aufwandes ein. Das Nettoprinzip, eine Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips, gebietet zwar den Abzug von (erwerbssichernden) Aufwendungen, die mit der Einkunftserzielung in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Es ist jedoch von Verfassungs wegen nicht notwendigerweise in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum zu verwirklichen (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl., 1998, § 4 Rz. 113, § 9 Rz. 42 f und Rz. 44). Der Gesetzgeber beachtet in § 2 Abs. 3 EStG das Nettoprinzip. Er setzt nämlich die grundsätzliche Abziehbarkeit der entstandenen Verluste nicht außer Kraft. Der sofortige Ausgleich positiver und negativer Einkünfte verschiedener Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich) wird lediglich von einer bestimmten Höhe an auf andere Veranlagungszeiträume rück- bzw. vorgetragen. Die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs verstößt daher nicht gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Zur weiteren Begründung wird auf den BFH-Beschluss vom 9.5.2001 XI B 151/00 (BStBl II 2001, 552) Bezug genommen, dem der erkennende Senat folgt.
Bei der Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs unterscheidet das Gesetz nicht zwischen sog. echten Verlusten und Verlusten aus Sonderabschreibungen (z. B. wie hier nach § 4 Abs. 3 FörderG). Auch hierin liegt bei vorläufiger Prüfung kein Verstoß gegen das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Auch insoweit wird nämlich die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der entstandenen Verluste nicht in Frage gestellt. Der Abzug erwerbsmindernder Aufwendungen bleibt, wenn auch über verschiedene Veranlagungszeiträume, erhalten. Der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangt nicht, dass Verluste sofort zu verrechnen sind. Es genügt, dass Verluste (auch „echte” Verluste) überhaupt, wenn auch in einem Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91 in BVerfG 99, 88, HFR 1999, 44).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkom...