Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmereigenschaft des Testamentsvollstreckers bzw. Nachlassverwalters. Umsatzsteuer 1997, 1998, 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine von einem der Miterben übernommene, auf die Auseinandersetzung und damit die Verteilung der Vermögenswerte des Nachlasses gerichtete Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung erfolgt unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie auch dann nur gelegentlich, für private Zwecke und damit nicht unternehmerisch, wenn sie zahlreiche Einzelhandlungen erfordert und sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, wenn der betreffende Miterbe die Tätigkeit aber nur aufgrund seiner Stellung als Miterbe übernommen und auch in der Vergangenheit bzw. in der Folgezeit keine weiteren Testamentsvollstreckungen bzw. Nachlassverwaltungen durchgeführt hat.
2. Zur Nachhaltigkeit und Selbständigkeit der Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers bzw. Nachlassverwalters.
Normenkette
UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 1-3; BGB § 2204
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide vom 4. April 2001 für 1997, 1998 und 1999wird die Umsatzsteuer für 1997 auf 3.982,17 EUR, für 1998 auf 1.723,77 EUR und für 1999 auf 1.091,76 EUR herabgesetzt.
2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhedes jeweils zu vollstreckenden Betrags.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die vom Kläger durchgeführte Testaments- bzw. Nachlassvollstreckung der Umsatzsteuer unterliegt.
Aufgrund einer betriebsnahen Veranlagung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Klägers als Testaments- bzw. Nachlassverwalter steuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) sei. Gleichzeitig berücksichtigte das Finanzamt (FA) die auf die Tätigkeiten entfallenden Vorsteuern zu Gunsten des Klägers. Neben den hier streitigen Umsätzen erzielte der Kläger außerdem Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, für die er gem. § 9 UStG auf die Steuerbefreiung verzichtete.
Darauf hin erließ das FA jeweils am 4. April 2001 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1997 bis 1999 und setzte die Umsatzsteuer für 1997 auf 8.163 DM (erklärt: 7.788,44 DM = 3.982,17 EUR), für 1998 auf 6.834 DM (erklärt: 3.371,40 DM = 1.723,77 EUR) und für 1999 auf 5.577 DM (erklärt: 2.135,30 DM = 1.091,76 EUR) fest. Dabei ging das FA davon aus, dass der Kläger in 1997 und 1998 jeweils 25.862 DM aus der Nachlassverwaltung V. und in 1997 7.826 DM bzw. 1.931 DM Umsätze aus der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker der Umsatzsteuer zu unterwerfen habe.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2002).
Mit seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen folgendes geltend:
Die Testamentsvollstreckung sei von vornherein auf die Auseinandersetzung, also konkret auf den Verkauf des Anwesens und die Aufteilung bzw. Verteilung des Vermögens angelegt gewesen. Eine nachhaltige Tätigkeit sei zu keinem Zeitpunkt angestrebt worden. Die relativ lange Zeitdauer habe sich ergeben, weil er in seiner Tätigkeit als angestellter Geschäftsführer eines Arbeitgeberverbandes stark beansprucht gewesen sei. Er sei daher kein Unternehmer, weil er keine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübe.
Zur Auseinandersetzungs-Nachlassverwaltung des Erbes von V. sei es gekommen, weil die Erben von V., zu denen er gehöre, eine schnelle und erfolgreiche Verwertung des Nachlasses gewünscht hätten und er den Erblasser gut gekannt habe. Die Nachlassverwaltung sei eindeutig auf Auseinandersetzung und damit auf Verteilung der Vermögenswerte auf die Erben angelegt gewesen. Er habe außer der Testamentsvollstreckung und der hier streitigen Nachlassverwaltung keine solche Tätigkeit in den folgenden Jahren mehr übernommen.
Der Kläger beantragt, unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 1997 bis 1999 jeweils vom 4. April 2001 und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer für 1997 auf 3.982,17 EUR, für 1998 auf 1.723,77 EUR und für 1999 auf 1.091,76 EUR herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es verweist in der Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Bei einer Testamentsvollstreckung, bei der 2 Grundstücke zu verkaufen und weitere aufzuteilen gewesen seien, handele es sich um eine nachhaltige Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Das FA ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vom Kläger als Testamentsvollstrecker bzw. Nachlassverwalter erzielten Umsätze zu versteuern sind.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u. a. die Umsätze aus Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Die Tätigkeit als Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker ist unstreitig als sonstige Leistung von dem Kläger zu versteuern, wen...