Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungsleistung für Verzicht auf nachbarrechtliche Abwehransprüche als sonstige Einnahmen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG - Keine Berücksichtigung der durch die rechtswidrige Nachbarbebauung eingetretenen Wertminderung des eigenen Grundstücks als Werbungskosten
Leitsatz (redaktionell)
1) Erhält der Steuerpflichtige für den Verzicht auf die Ausübung seiner nachbarrechtlichen Abwehransprüche eine Abfindungszahlung, unterliegt diese als Einnahme im Rahmen der sonstigen Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG der Einkommensteuer.
2) Die Besteuerung des Entgelts für die Hinnahme einer Nachbarrechtsbeschränkung verstößt nicht gegen die Grundrechte aus Art. 3, 6 und 14 GG.
3) Die infolge der rechtswidrigen Nachbarbebauung eingetretene Wertminderung des eigenen Grundstücks kann mangels Abnutzung oder Substanzverringerung weder im Wege der AfA noch anderweitig als Werbungskosten bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte abgezogen werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, 1 Sätze 1, 3, 3 Nr. 7, §§ 11, 22 Nr. 3; GG Art. 3, 6, 14; EStG § 2 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt -FA-) zu Recht die von den Klägern (Kl.) erhaltene Zahlung von 125.000,00 DM gemäß § 22 Nr. 3 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung 1996 berücksichtigt hat und bejahendenfalls, ob das FA eine Wertminderung des Grundstücks in Höhe der Abfindungszahlung hätte berücksichtigen müssen.
Die Kl. sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Sie besitzen in N, E -straße 1 ein Einfamilienhaus, das sie zu eigenen Wohnzwecken nutzen.
Hinter diesem Haus errichtete Frau V (V.) ein bis zu vier Geschossen reichendes Mehrfamilienhaus, obwohl nach dem Bebauungsplan in dem in Richtung des Hauses der Kl. verlaufenden Ost-West-Flügel des (rechtwinkligen) Mehrfamilienhauses nur dreigeschossig gebaut werden durfte.
In dem daraufhin angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren schlossen die Kl. mit Frau V. am 22.06.1995 einen privatrechtlichen vom Oberverwaltungsgericht Münster beurkundeten Vergleich (Az.: 11 B 1378/95), wonach in dem Bereich der Wohnanlage, in dem statt der zulässigen Dreigeschossigkeit eine Viergeschossigkeit genehmigt worden ist, im vierten Geschoss in Richtung auf das Grundstück der Kl. keine Fenster ausgeführt werden durften. Die vorgesehene Gaube beim Mehrfamilienhaus sollte ein Fenster erhalten, für das keine Durchsichts- und Einsichtsmöglichkeiten gegeben sind (Ziffer 1 b des Vergleichs).
Diesen Vergleich missachtete Frau V., indem sie trotzdem in dem betreffenden Flügel des Mehrfamilienhauses im 4. Geschoss drei Wohneinheiten mit Fenstern und Balkonen errichtete. Nach Ansicht von Frau V. sei in dem Vergleich vor dem OVG mit dem 4. Geschoss das 4. Obergeschoss gemeint gewesen.
Daraufhin betrieben die Kl. mit Erfolg vor dem Verwaltungs- (Az.: 2 M 13/96 und 2 M 20/96) und vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (Az.: 11 E 1041/96) die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Vergleich. Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Münster waren die Kl. ermächtigt, auf Kosten von Frau V. sämtliche im 4. Geschoss des in Ost-West-Richtung stehenden Mehrfamilienhauses mit Blickrichtung Süden ausgebauten Fenster und die Zugangsmöglichkeiten zu den im 4. Geschoss dieses Gebäudeteils an dieser Seite errichteten Balkonen zumauern zu lassen.
Frau V. bemühte sich anschließend um eine finanzielle Regelung, um das Zumauern der Fenster zu verhindern.
Daraufhin schlossen die Kl. und Frau V. am 16.12.1996 einen Vergleich, wonach die Kl. auf ihre Rechte aus Ziffer 1 b) des gerichtlichen Vergleiches vor dem OVG Münster vom 22.06.1995 (Az.: 11 B 1378/95) sowie auf ihre Rechte aus den Beschlüssen des VG Münster (Az.: 2 M 13/96 und 2 M 20/96) verzichteten.
Die Kl. verzichteten ferner ausdrücklich auf weitere Vollstreckungsmaßnahmen, die sich auf die Durchsetzung der Ziffer 1 b) des gerichtlichen Vergleichs vom 22.06.1995 richten. Frau V. sollte als Gegenleistung für diesen Verzicht einen Betrag in Höhe von 125.000,00 DM an die Kl. zahlen. Des Weiteren verzichteten die Kl. auch im Übrigen auf jedwede Einwendungen, insbesondere auf Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen das streitige Bauvorhaben.
Der Betrag in Höhe von 125.000,00 DM wurde am 28.12.1996 an die Kl. ausgezahlt.
Am 14.05.1998 erhielt das FA eine Kontrollmitteilung, aus der hervorging, dass die Kl. in 1996 eine Abfindungszahlung in Höhe von 125.000,00 DM aufgrund des abgeschlossenen Vergleichs vom 16.12.1996 von Frau V. erhalten hatten.
Das FA änderte daraufhin mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 02.11.1998 den Bescheid vom 20.03.1997 dahingehend ab, dass es anstelle der bisher festgesetzten Einkommensteuer in Höhe von 8.772,00 DM eine Einkommensteuer in Höhe von 53.790,00 DM festsetzte. Es unterwarf dabei die Abfindung in Höhe von 125.000,00 DM gemäß § 22 Nr. 3 EStG der Einkommens...