Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen eines Einspruchs bei Einspruchsverzicht und zur Zulässigkeit einer Klage in diesem FalleZur Bindungswirkung einer Zustimmung und einer tatsächlichen VerständigungZum Ort der Leistung bei Informationsüberlassung
Leitsatz (amtlich)
Hat die Finanzbehörde trotz Einspruchsverzicht über die Zulässigkeit des Einspruchs entschieden, ist die Klage gegen die Einspruchsentscheidung zulässig.
Bei der Entscheidung, ob eine prozessuale Erklärung wie der Einspruchsverzicht in einer den freien Entscheidungswillen einengenden rechtswidrigen Zwangslage erklärt wurde, sind die Gesamtumstände des konkreten Falles zu berücksichtigen.
Wird bei einem Einspruchsverzicht gleichwohl Einspruch eingelegt, hat dies innerhalb der Monatsfrist des § 355 AO zu erfolgen. Nach Ablauf der Monatsfrist ist gleichzeitig eine Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 110 Abs. 2 AO zu stellen.
Bei der Frage, ob eine tatsächliche Verständigung arglistig herbeigeführt wurde, ist der zeitliche Ablauf, der zu der tatsächlichen Verständigung hinführte, zu berücksichtigen.
Bei der Bestimmung des Leistungsortes ist es unerheblich, wo das Entgelt für eine Informationsüberlassung gezahlt wird.
Normenkette
AO §§ 110, 354-355, 172 Abs. 1 Nr. 2a; FGO § 40; AO § 44; UStG § 3a Abs. 3, 4 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht gegenüber dem Kläger die Umsatzsteuer für 1989 in Höhe von 732.625 DM festgesetzt hat.
Der Kläger war im Streitjahr Mitgesellschafter einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatergesellschaft in der Rechtsform einer OHG. Daneben erzielte er eigene Umsätze aus Beiratstätigkeiten. Im Streitjahr war er auch beratend für A tätig, die Mitgesellschafterin der Fa. B GmbH & Co. KG gewesen ist.
Der Kläger reichte bei dem Finanzamt für das Streitjahr am 21.12.1990 eine Umsatzsteuererklärung ein, in der er aus seiner Beiratstätigkeit steuerpflichtige Umsätze zu 14 % in Höhe von 138.125 DM erklärte. Abziehbare Vorsteuerbeträge machte er nicht geltend. Der so errechneten Umsatzsteuerzahllast von 19.337,50 DM stimmte das Finanzamt zu und hob mit Bescheid vom 28.06.1991 den Vorbehalt der Nachprüfung auf (§ 164 Abs. 3 AO).
Nach dem Tod seines Mitgesellschafters in der Wirtschaftsprüfungs-OHG gab der Kläger im November 1996 für die Gesellschaft wegen bisher nicht versteuerter Einnahmen berichtigte Erklärungen ab.
Ab Juni 1996 wurden gegen den Kläger strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer 1989 zu eigenen Gunsten und wegen anderer Delikte geführt. Er befand sich seit März 1997 bis zu seiner Verurteilung am 13. Oktober 1999 deswegen in Untersuchungshaft. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen stellte die Steuerfahndung fest, dass im Jahre 1989 von der Firma Z AG, einer Schweizer Briefkastengesellschaft, ein Betrag von 3.975.000 DM auf ein Nummernkonto des Klägers bei einem Kreditinstitut in der Schweiz eingezahlt worden war (vgl. ErmA Bd. VI Bl. 2342). Einem zur Aufklärung des Sachverhalts beantragten Rechtshilfeersuchen gaben die Schweizer Behörden am 15.06.1999 statt und informierten den Kläger mit Schreiben vom 22.06.1999 über den Beginn der Ermittlungen (vgl. ErmA Bd. VI Bl. 2486). Am 30.07.1999 erklärte sich der Kläger im Rahmen einer Besprechung über die bisherigen tatsächlichen Feststellungen der Steuerfahndungsstelle im Beisein seines Strafverteidigers Rechtsanwalt D gegenüber dem Fahndungsprüfer und dessen Sachgebietsleiter damit einverstanden, dass ihm, dem Kläger, ein umsatzsteuerpflichtiges Brutto-Entgelt von 5 Millionen DM zugerechnet werde (vgl. ErmA Bd. VI Bl. 2493). In seiner Vernehmung als Beschuldigter erklärte der Kläger am 28.09.1999 zu diesem Vorgang, es habe sich um Zahlungen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Firma B GmbH und Co. KG gehandelt. Er habe einen Anruf von dem ihm bis dahin unbekannten Rechtsanwalt E aus 1 erhalten, der sich auf eine Empfehlung von Frau A berief. Er solle beim Verkauf der Firma behilflich sein und Bilanzen, Analysen über Forschung und Entwicklung und Informationen über die Geschäftsführung zur Verfügung stellen. E habe insgesamt 10 Mio. DM zu verteilen gehabt. Er selbst, der Kläger, habe für sich 5 Mio. DM beansprucht. Die Zahlung sollte in der Schweiz erfolgen. Er habe dann dort bei einer Privatbank ein Nummernkonto eröffnet, auf welches der Betrag von 3.975.000 DM einbezahlt worden sei. Aus dem insgesamt zu verteilenden Betrag von 10 Mio. DM habe er sich für die Zahlung an eine weitere Person mit einem Betrag von 1 Mio. DM beteiligen müssen. Im Einzelnen wird auf die Beschuldigtenvernehmung vom 28.09.1999 verwiesen (FG-Akte Bl. 136 ff).
Am 29.09.1999 teilte der Steuerfahnder mit Telefax-Schreiben dem Rechtsanwalt D unter Bezugnahme auf die Beschuldigtenvernehmung mit, dass der Kläger einen Betrag von 2.401.180 DM zu zahlen habe. Am 01.10.1999 übersandte der Fahndungsprüfer, wiederum per Telefax an Rechtsanwalt D, den Entwurf einer tatsächlichen Vers...