Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen
Rz. 1
§ 1 KStG ist die Grundnorm des Körperschaftsteuerrechts; die Bedeutung geht über die Bestimmung der unbeschränkten Steuerpflicht (so die Überschrift) hinaus. Die Vorschrift umschreibt (mittelbar) den Geltungsbereich der KSt und bestimmt damit diejenigen Steuersubjekte, die unter die KSt fallen.
§ 1 KStG steht als Kopfnorm des KStG systematisch im ersten Teil zur "Steuerpflicht". Zusammen mit § 1 EStG enthält die Vorschrift daher die personale Abgrenzung von KSt und ESt. Der ESt unterliegen nach § 1 EStG "natürliche Personen", der KSt nach § 1 KStG "Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen".
Dabei war insbes. der Begriff der Personenvereinigungen nicht legaldefiniert und so vage (insbes. in der Abgrenzung zu den Personengesellschaften), dass das Gesetz zur weiteren Konkretisierung und Abgrenzung die einzelnen Rechtsformen, die der KSt unterliegen, aufzählt (vgl. Rz. 17ff.). Als Folgeanpassung an das Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz definiert § 14a Abs. AO Personenvereinigungen i. S. d. Steuergesetze ab 2024 als Personenzusammenschlüsse ohne Rechtspersönlichkeit zur Verfolgung eines gesetzlich zulässigen Zwecks. Daran wurde die Aufzählung der Körperschaftsteuersubjekte in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG angepasst. Keine Personenvereinigungen i. S. d. Steuerrechts sind mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Körperschaften wie AG, GmbH, eingetragener Verein i. S. d. § 21 BGB und wirtschaftlicher Verein i. S. d. § 22 BGB.
Rz. 2
In der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjekte konstituiert die Vorschrift gleichzeitig eigenständige "Steuersubjekte", d. h., sie regelt, dass bestimmte Gebilde Träger von eigenständigen steuerrechtlichen Rechten und Pflichten sind. Auch bei der Steuerrechtsfähigkeit gilt die "Autonomie des Steuerrechts", das kein bloßes Folgerecht des Zivilrechts ist. Durch § 1 Abs. 1 KStG löst sich das Körperschaftsteuerrecht in gewissem Umfang von der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit. Einerseits müssen nicht alle Gebilde (nichtnatürliche Personen), die die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit besitzen, auch der KSt unterliegen, obwohl weitgehend Deckungsgleichheit besteht. Auch wenn das Zivilrecht bestimmten Personengesellschaften durch das MoPeG in Umsetzung einer jahrzehntelangen Rechtsentwicklung Rechtsfähigkeit zuerkennt (§ 705 Abs. 2 BGB), so sind diese Gebilde körperschaftsteuerrechtlich kein Rechtssubjekt, weil sie in der Aufzählung des § 1 KStG nicht enthalten sind. Der Steuergesetzgeber hat durch das KöMoG die gesetzliche Wertung festgeschrieben, dass nur optierte Personengesellschaften nach § 1a KStG wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln sind und dadurch zum Körperschaftsteuersubjekt werden. Darum ist die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit nicht mit der Steuersubjektfähigkeit gleichzusetzen. Umgekehrt können z. B. Vereine ohne Rechtspersönlichkeit und Vermögensmassen, die zivilrechtlich keine Rechtsfähigkeit besitzen, körperschaftsteuerlich ebenso eigenständiges Steuersubjekt sein wie z. B. Kapitalgesellschaften mit voller zivilrechtlicher Rechtsfähigkeit.
Folge der Eigenschaft als Körperschaftsteuersubjekt ist, dass diese Gebilde, ohne (juristische) Personen im zivilrechtlichen Sinne zu sein, steuerlich
- Subjekt des Steuerschuldverhältnisses sind und daher Gläubiger und Schuldner von steuerschuldrechtlichen Ansprüchen sein können,
- als Subjekt verfahrensrechtlicher Rechte und Pflichten Stpfl. i. S. d. § 33 AO sind,
- Subjekt der steuerrechtlichen Verfahren, einschl. der Rechtsbehelfs- und Finanzgerichtsverfahren, sind,
- in diesen Verfahren (durch ihre gesetzlichen Vertreter oder besonders Beauftragte) handlungsfähig sind.
Rz. 3
Als Grundnorm des Körperschaftsteuerrechts bestimmt § 1 KStG, für welche Steuersubjekte (vgl. Rz. 2) sich die Ertragsbesteuerung nach den Vorschriften des KStG richtet. Diese Regelung ist insoweit ausschließlich, als ein Gebilde, das danach Körperschaftsteuersubjekt ist, nur nach dem KStG zur Ertragsbesteuerung herangezogen werden kann. Ist dies aufgrund bestimmter Regelungen des KStG nicht möglich, z. B. bei ausl. Körperschaftsteuersubjekten, die keinen inländischen Anknüpfungstatbestand verwirklicht haben, kann eine etwaige Ertragsteuerpflicht nicht hilfsweise aus dem EStG abgeleitet werden. Die Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt und Einkommensteuersubjekt schließen sich gegenseitig aus.