Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1993
Leitsatz (redaktionell)
Der Anbau einer behindertengerechten Fährstuhlanlage in einer architektonisch ansprechenden Weise an ein Einfamilienhaus dient der allgemeinen Nutzung des Hauses, wenn er von allen Bewohnern des Hauses nutzbar ist. Wegen des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs des Fahrstuhls mit dem Haus sind die Anbaukosten auch dann nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG, wenn der Fahrstuhl aus Anlaß der fortschreitenden Behinderung eines im Hause wohnenden Familienmitglieds angebaut worden ist.
Normenkette
EStG § 33
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf …,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Teil der von den Klägern im Jahr 1993 für einen Hausanbau aufgewendeten Herstellungskosten als außergewöhnliche Belastung zu behandeln ist, und zwar im Umfang der Kosten, die die Kläger zum Bau einer Aufzugsanlage für ihr … geh- und stehbehindertes Kind aufgewendet haben. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben ein … 197 … geborener Kind, bei dem im Jahr 1990 eine … diagnostiziert worden ist. Bei dieser unheilbaren Erkrankung handelt es sich um einen zunehmenden Muskelschwund besonders im Bereich der unteren Körperhälfte. Das Kind konnte sich während des Streitjahres in der Ebene noch aus eigener Kraft langsam fortbewegen, war aber nicht mehr in der Lage, Treppen zu steigen. Die von ihm besuchte Schule hat daher im Jahr 1992 ein Rollmobil angeschafft, das auch Treppen steigen kann. Das Kind der Kläger befindet sich seit der diagnostischen Abklärung ihrer Krankheit in regelmäßiger ärztlicher Überwachung und Behandlung; das Versorgungsamt hat im Jahr 1992 eine 80 %ige Behinderung, verbunden mit einer erheblichen Geh- und Stehbehinderung, festgestellt.
Der Kläger hat aufgrund des notariellen Übergabevertrages vom … März 1993 von seinem Vater das Eigentum an dem Wohngrundstück X.-Straße in S., das er schon zuvor mit seiner Familie bewohnt hat, erworben. Aufgrund eines 1992 gestellten Bauantrags hat er das vorhandene Einfamilienhaus im Jahr 1993 um einen Anbau mit einem Kostenaufwand von 174.556,– DM erweitert. In den Jahren 1994 und 1995 hat er nach seinen Angaben weitere erhebliche Umbau- und Renovierungsmaßnahmen an dem Baus vorgenommen. Diese Arbeiten sind auch gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.
Der Anbau ist in der Weise ausgeführt worden, daß der vorhandene … Baukörper an der … Seite um einen Erweiterungsneubau von … Meter vergrößert worden ist. In den Anbau ist durch Umgestaltung und Ausbau ein an der … seite des Altbaus vorhandener kleiner Vorbau integriert worden. Durch die Baumaßnahme hat die … seite des Hauses in ihrer ganzen Breite und Höhe eine neue architektonische Gestaltung erfahren, die sich aus den von den Klägern vorgelegten Plänen und Fotografien ablesen läßt. Im inneren des Erweiterungsbaus ist an die ehemalige Außenwand des Altbaus in Verlängerung der vorhandenen Flure ein Fahrstuhlschacht eingebaut worden mit den Innenmaßen von … Meter. Die Technik des Fahrstuhls liegt im Keller des Erweiterungsbaus; der Fahrstuhl hat Haltestellen im Erdgeschloß und im ersten Obergeschoß. Das Erdgeschloß des Anbaus eröffnet einen neuen, ebenerdigen Zugang zum Haus. Dieser Zugang führt in eine gut … qm große Diele, die in einer Ecke den Fahrstuhlschacht beherbergt und in der anderen durch eine Türöffnung und eine Treppe den Zugang zum Altbau ermöglicht. Von der Diele durch eine Wand getrennt ist das im Erdgeschoß des Altbaus belegene Wohnzimmer durch den Anbau um gut … qm erweiterte worden. Die gleiche Vergrößerung hat das Zimmer des Kindesim ersten Obergeschoß erfahren. Dort ist auch – unter Aussparung der für den Fahrstuhlschacht benötigten Fläche – ein knapp … qm großer Balkon entstanden, der nur durch das Zimmer des Kindes zugänglich ist. Im Dachgeschoß des Hauses, in dem ein Schlafraum und ein Bad mit WC liegen, ist die vorhandene Terrasse durch den Anbau geringfügig erweitert worden.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr haben die Kläger die Gesamtkosten des Anbaus aufgeteilt. Die unmittelbaren Kosten für den Bau des Fahrstuhls haben sie mit …DM angegeben und von den Restkosten weitere 10 v. H. den Baukosten des Fahrstuhls zugeordnet. Für diese … – DM haben sie die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung beantragt. Für die übrigen Kosten in Höhe von …,– DM machen sie die Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend. Der Beklagte (das Finanzamt) ist im Zuge der Veranlagung von diesen Anträgen abgewichen und hat die Gesamtkosten des Anbaus im Rahmen des § 10 e EStG berücksichtigt und die Einkommensteuer 1993 mit Bescheid vom … August 1994 auf … – DM festgesetzt. Der gegen diesen Bescheid gerichtete Einspruch hatte...