Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verfassungsmäßigkeit des Körperbehinderten-Pauschbetrages
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 33b EStG verstößt weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen das Verbot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, jemanden wegen seiner Behinderung zu benachteiligen, noch gegen das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG.
Normenkette
EStG 1997 § 33b Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist die Höhe des Körperbehinderten-Pauschbetrages nach § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) für das Jahr 1998 streitig.
Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie haben zwei Kinder. Ihr am 16. 11. 1978 geborener Sohn Daniel ist aufgrund einer mehrfachen Schwerstbehinderung vollständig hilflos und auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt 100 v. H. Aufgrund der Nachweise des Versorgungsamtes gewährte das Finanzamt (FA) für den Sohn Daniel im ESt-Bescheid 1998 einen Pauschbetrag für Körperbehinderte i. H. v. 7.200 DM gem. § 33b Abs. 3 Satz 1 EStG.
Hiergegen richtet sich die Sprungklage der Kläger, der das FA zugestimmt hat.
Der Pauschbetrag nach § 33b EStG entspreche nicht mehr einer realitätsgerechten Höhe. Den Klägern sei im Streitjahr lediglich ein Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 EStG i. H. v. 7.200 DM gewährt worden. Dieser Pauschbetrag sei letztmalig durch das Einkommensteuerreformgesetz 1975 auf die bis heute geltenden 7.200 DM angehoben worden. Es sei damit bereits offensichtlich, dass dieser Pauschbetrag unter Berücksichtigung der Geldentwertung den veränderten Wertverhältnissen angepasst werden müsse. Unter Berücksichtigung des Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Haushaltes von Arbeitern und Angestellten mittleren Einkommens ergebe sich auf der Basis 1995 für das Kalenderjahr 1975 ein Index von 54,8. In der Umbasierung auf die rechnerische Basis von 1975 ergebe sich für 1998 ein Index von 189,78. Dies entspreche für das Streitjahr 1998 einem Betrag i. H. v. 13.665 DM. Somit ergebe sich bereits bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung ein zu berücksichtigender realitätsgerechter Pauschbetrag i. H. v. 13.665 DM. Bereits im Jahre 1994 sei für eine probeweise Unterbringung des Sohnes Daniel in einem Pflegeheim ein monatlicher Betrag von 12.500 DM berechnet worden. Hieraus ergebe sich, dass bei einer stationären Unterbringung ein sogar höherer Mehrbetrag anfallen würde.
Die Pauschalierungsmöglichkeit des § 33b EStG dürfe durch „Zeitablauf“ nicht unterlaufen werden. Die Pauschalierung der außergewöhnlichen Belastung solle gerade die sozial Schwächeren entlasten. Eine realitätsgerechte Höhe des Pauschbetrages könne nur dem Erfordernis der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe eine Toleranzgrenze von 15 % bei der Bemessung des Kinderfreibetrages entwickelt. Dies bedeute, dass die Toleranz der Abweichung eher kleiner ausfallen dürfe. Auch wenn bedacht werden müsse, dass Freibeträge, die das Existenzminimum der Steuerpflichtigen absichern, präziser und genauer vom Gesetzgeber erfüllt werden müssen, sei bei dem auch verfassungsrechtlich gebotenen Pauschalierungsbetrag nach § 33b EStG eine Höhe von 52 % nicht mehr tolerierbar.
Eine Belegnachweisanforderung für den betroffenen Steuerpflichtigen, um die bestehende Benachteiligung zu umgehen, verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Verfassungsrang habe.
Den Klägern und den in ihren Beeinträchtigungen vergleichbaren schwerstbehinderten Menschen sei es nicht zuzumuten unter der Achtung der Menschenwürde und der Unantastbarkeit des inneren Bereichs der privaten Lebensführung, täglich die entsprechenden Aufwendungen steuerrechtlich zu werten und die Belege zu sammeln, bzw. eine Buchführung aufzubauen. Gerade der Personenkreis, der aufgrund seiner Behinderung am wenigsten oder gar nicht in der Lage sei, den strengen Beweis- und Glaubhaftungsvorschriften genüge zu leisten, müsse die höchsten Beweisanforderungen erfüllen.
In anderen Bereichen habe der Gesetzgeber bereits reagiert und Anpassungen vorgenommen.
So habe er z. B. die Aufwandsentschädigung der Bundes- und Landtagsabgeordneten regelmäßig angepasst, die nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei blieben. Die Höhe der Aufwandsentschädigungen sei von 1977 bis 1997 von 4.500 DM auf 6.251 DM pro Monate angestiegen.
Es dürfte bereits den Denkgesetzen widersprechen, dass sich die Aufwendungen für Behinderte innerhalb dieses langen Zeitraums nicht erhöht haben, während dies bei allen anderen Aufwendungen, insbesondere bei den Kosten für die Abgeordneten, der Fall sei.
Im Übrigen sei auch die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab 1. 1. 2001 angehoben worden. Es werde deshalb ausdrücklich ein Verstoß gegen Art. 3 und Art. 20 Grundgesetz (GG) bei einem gebotenen Vergleich zu den Regelungen / Anpassungen des § 3 Nr. 12 EStG gerügt.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung...